Arktis

Arctic life, indigenous rights now!

Klimawandel und Rohstoffabbau bedrohen die Arktis und lokale Indigene Gemeinschaften. Sie werden zudem unterdrückt und kriminalisiert. Die GfbV unterstützt sie dabei, ihre Rechte wahrzunehmen und ihren Lebensraum zu schützen.

Foto: Allegra Ally

Indigene Gemeinschaften leiden unter dem Krieg gegen die Ukraine

Andrei Danilov. Foto: zVg

Der russische Angriffskrieg trifft unzählige unschuldige Menschen. In Russland hat er auch Auswirkungen auf die indigenen Gemeinschaften und die Menschenrechtsarbeit im Land. Denn seit Kriegsbeginn unterdrückt das russische Regime Kritik härter denn je. Bereits vor Kriegsbeginn hatten Indigene meist das Nachsehen, wenn sie für ihre Rechte kämpften. Doch seit dem Einmarsch hat das russische Regime die Repression hochgefahren und erstickt jeglichen Aktivismus im Keim. Viele Menschenrechtsaktivist:innen sehen sich gezwungen, ins Exil zu flüchten. Nur so können sie ihr Engagement fortsetzen und weiterhin ihre Stimme gegen das russische Regime erheben, ohne sich in Lebensgefahr zu bringen.

Viele im Land verbliebene indigene Männer sehen sich gezwungen unter staatlichem und finanziellem Druck in den russischen Krieg einzurücken. Dort kämpfen sie dann für ein Land, in dem es gegenwärtig unmöglich ist, sich für indigene Rechte zu engagieren und das auch in der Ukraine indigene Territorien besetzt. Ein Krieg, der das Engagement für indigene Rechte und Anliegen in Russland derzeit verunmöglicht.

Schliesslich leiden Indigene in Russland weiter unter umweltschädigenden Projekten von staatsnahen Konzernen. Abhilfe schaffen würde eigentlich das Konzept der «freien, vorherigen und informierten Zustimmung» (FPIC). Dabei würden Indigene auf Augenhöhe miteingebunden, sollte ihr Lebensraum betroffen sein. In Russland war dies bereits früher schwierig, doch seit Kriegsbeginn ist es beinahe unmöglich, sich bei Wirtschaftsprojekten für indigene Mitsprache und Umweltschutz einzusetzen.

Die GfbV passt ihre Kampagne für indigene Gemeinschaften der Arktis der aktuellen Situation in Russland an. Weil es derzeit zu gefährlich ist, Menschenrechtsarbeit in Russland zu leisten, unterstützt sie zum Beispiel die neue Exil-Organisation «International Committee of Indigeneous Peoples of Russia» (ICIPR). Dies ist umso wichtiger, als dass die russische Indigenen-Organisation RAIPON mit staatstreuen Mitgliedern besetzt wurde, öffentlich Partei für das russische Regime ergreift, dessen Vorgehen unterstützt und eng mit staatsnahen Wirtschaftskonzernen zusammenarbeitet.

Die Arktis als Ökosystem und Lebensraum ist in Gefahr

Silje Karine Muotka

„Wir spüren den Run auf die Bodenschätze in der Arktis immer stärker. Und die Firmen haben viel mehr Macht als wir indigene Gemeinschaften“, sagt Silje Karine Muotka, Angehörige der indigenen Sami und Präsidentin des Sami-Parlaments in Norwegen. Foto: Åse M.P. Pulk/Sámediggi

Die Arktis spielt eine zentrale Rolle für das natürliche Gleichgewicht auf der Erde. Diese Region umfasst Teile von Norwegen, Schweden, Finnland, Island, Russland, Grönland sowie der USA (Alaska) und Kanada. Die Landschaft ist geprägt vom Ozean, Schnee und Eis, von Feuchtgebieten, Fjorden, Inseln und vom Festland mit riesigen Nadelwäldern und Permafrost. Trotz des unwirtlichen Klimas ist die Arktis der Lebensraum von Fischen, Vögeln sowie Säugetieren. Hier leben rund 400 000 Mitglieder indigener Gemeinschaften – das sind rund 10 Prozent der arktischen Bevölkerung. Nicht nur sie, sondern wir alle sind abhängig von der Zukunft der Arktis: Wenn das arktische Eis schmilzt, so steigt der Meeresspiegel an. Der Permafrost lagert Treibhausgase in den Böden, welche bei einer Erwärmung in die Atmosphäre steigen würden.

Nenzenkind

Die indigenen Nenzen leben auf der russischen Yamal-Halbinsel unter harschen Bedingungen. Foto: Alegra Ally

Eine Jurte im Nord-Westen Sibiriens bei Sonnenuntergang.

Eine Jurte im Nord-Westen Sibiriens bei Sonnenuntergang. Foto: Alegra Ally

Eine Nenzen-Frau bei der Arbeit in ihrer Jurte. Foto: Alegra Ally

Eine Nenzen-Frau bei der Arbeit in ihrer Jurte. Foto: Alegra Ally

Die Rentierzucht ist für viele indigene Gemeinschaften im Norden ein zentraler Bestandteil ihrer Identität. Foto: Alegra Ally

Rentierzüchter Leif Jåma, Norwegen

Der Rentierzüchter Leif Jåma ist Angehöriger der Sami in Norwegen. Foto: GfbV

Die Arktis ist gefährdet: Wegen dem Klimawandel wird erwartet, dass sie bereits 2035 im Sommer weitgehend eisfrei sein wird und Waldbrände nehmen weiter zu. Wenn der Permafrost auftaut, so bringt dies das ökologische Gleichgewicht dieser Region ins Wanken. Die Arktis ist aber auch gefährdet, weil sie wichtige Rohstoffe wie Kupfer, Nickel, Erdöl und Erdgas birgt. Auf diese Rohstoffe hat mit dem schmelzenden Eis ein regelrechter Run eingesetzt: So will Russland 210 Millionen Euro in die Erschliessung neuer Ölvorkommen investieren, und in den USA gab die Trump-Regierung in Alaska Umweltschutzgebiete und indigene Territorien für die Öl- und Erdgasförderung frei.

Arvid Jåma an der Baustelle der Windkraft-Anlage in Storheia. Foto: GfbV

Norilsk, Russland: Eine große Menge an schädlichen Emissionen beeinträchtigt die Umwelt erheblich.

Norilsk, Russland: Eine große Menge an schädlichen Emissionen beeinträchtigt die Umwelt erheblich. Foto: Clubclose

Ein Bagger in der Schmelzhalle des Kupferwerks des russischen Nickelproduzenten Nornickel. Foto: Alexander Chizhenok

Rohstoffhunger und Klimawandel zerstören den Lebensraum indigener Gemeinschaften wie die Sami in Norwegen oder die Nenzen in Russland. Jagen, Fischen oder Rentierzucht sind gefährdet, Flüsse werden vergiftet oder ganze Landschaften von Grossprojekten zerschnitten. Beim Kampf um ihre Rechte und den Erhalt ihres Lebensraums erhalten die indigenen Gemeinschaften in vielen Fällen kaum Unterstützung. Im Gegenteil: Insbesondere in Russland erfahren indigene Aktivistinnen und Aktivisten massive Drohungen und werden Opfer von Repression durch die Regierung, wenn sie sich für die Respektierung ihrer Territorien einsetzen.

Hier setzt die GfbV-Kampagne an: Helfen Sie uns dabei, mit den indigenen Gemeinschaften zusammen die Zerstörung zu stoppen und ihnen - und letztlich auch uns - eine lebenswerte Umwelt zu erkämpfen!

So unterstützt die GfbV indigene Gemeinschaften in der Arktis – helfen Sie mit!

Foto: Alegra Ally

Die GfbV unterstützt indigene Gemeinschaften beim Kampf um ihren Lebensraum, die Einhaltung ihrer Menschenrechte und Selbstbestimmung. In unserer Kampagne setzen wir auf folgende Schwerpunkte und engagieren uns für entsprechende Forderungen:

  • Wirtschaftliche Verantwortung: Die GfbV fordert von den Wirtschaftsakteuren die Respektierung der Rechte der indigenen Gemeinschaften in der Arktis und will diese insbesondere bei Schweizer Firmen durchsetzen. Dies beispielsweise im Rahmen eines Mediationsverfahrens mit der BKW vor dem Nationalen Kontaktpunkt (NKP) für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen.
  • Verantwortung der Schweiz auf politischer Ebene: Die Schweizer Aussenpolitik soll sich mehr für die Umwelt und Menschenrechte in der Arktis einsetzen, insbesondere innerhalb des Arctic Council, wo die Schweiz Beobachterstatus innehat, aber auch durch direkte diplomatische Intervention bei den Arktis-Anrainerstaaten.
  • Empowerment: Die GfbV unterstützt die Vernetzungs- und Aufklärungsarbeit ihrer Partner:innen vor Ort.
  • Begleitung von Delegationen: Die GfbV begleitet indigene Delegationen, damit sie bei den Akteuren der Politik und Wirtschaft und internationalen Organisationen ihre Anliegen einbringen können.
  • Öffentlichkeitsarbeit: Die GfbV macht die kritische Situation der indigenen Gemeinschaften in der Arktis bekannt und unterstützt somit deren Arbeit vor Ort.

Verteidigen Sie mit uns Mensch und Natur in der Arktis! Vielen Dank.

Indigene Gemeinschaften in Russland

Die russische Arktis ist das neue Eldorado von Russland: Auf der Halbinsel Taimyr sowie auf der Jamal- und der Gydan-Halbinsel existieren Millionen Tonnen Kupfer, Nickel, Eisenerz, Kohle sowie Erdöl und Erdgas. Die russische Regierung und russische Unternehmen investieren, zum Teil mit Partnern aus Europa und China, in die Erschliessung dieser Bodenschätze – mit Pipelines, Häfen, Förderanlagen und weiterer Infrastruktur. Doch der Abbau der begehrten Ressourcen gefährdet die Lebensweise der indigenen Gemeinschaften.

Indigener Fischer

Die indigenen Gemeinschaften in Russland leben vom Fischfang und der Jagd. Foto: Dmitry Sharomov/Greenpeace

Foto: Petr Shelomovskiy / Greenpeace

Die russische Nickelfabrik Nornickel. Foto: Ninara/Flickr

Diese Projekte verursachen grosse Umweltschäden und belasten die ohnehin schon gravierende Situation der indigenen Gemeinschaften in der russischen Arktis zusätzlich. Denn auch rechtlich sind sie besonders schlecht gestellt. Zudem werden sie von der russischen Regierung massiv unter Druck gesetzt und eingeschüchtert. Russland hat die ILO-Konvention zu indigenen Völkern nicht ratifiziert und hat der UN-Deklaration zu den Rechten indigener Völker (UNDRIP) nicht zugestimmt. Der Staat hat zudem die Kontrolle über den Dachverband der indigenen Völker RAIPON übernommen. Daher haben einige russische Indigene ein unabhängiges Netzwerk aufgebaut. Dessen Aufklärungs- und Vernetzungsarbeit unterstützt die GfbV, indem sie den Anliegen der Indigenen in der russischen Arktis Gehör verschafft und über ihre prekäre Menschenrechtssituation informiert.

Seit tausenden von Jahren bewohnen Indigene die Arktis. Foto: Alegra Ally

Die Ölkatastrophe des Rohstoffkonzerns Nornickel

Im Mai 2020 kam es auf der russischen Taimyr-Halbinsel zu einer der schwersten Umweltkatastrophen in der Arktis: 21'000 Tonnen Dieselöl flossen aus einem beschädigten Tank einer Tochterfirma des russischen Nickelproduzenten Nornickel in die freie Natur und verschmutzten zwei Flüsse stark. Nördlich des Unfallorts leben die indigenen Gemeinschaften der Dolganen, Nenzen und Nganassanen. Seit dem Unfall leiden sie unter einer akuten Lebensmittelknappheit: Ihr Wasser ist vergiftet und die Fische aus den Flüssen sind nicht mehr essbar. Zudem haben die Rentiere wegen den Verschmutzungen das Gebiet weiträumig verlassen. So kommen die Jäger oftmals mit leeren Händen ins Dorf zurück.

Am 29. Mai 2020 ereignete sich auf der Taimyr-Halbinsel in Russland eine der grössten Umweltkatastrophen in der Arktis.

Die indigenen Gemeinschaften fordern Nornickel dringend auf, sie bei der Versorgung ihrer Dörfer zu unterstützen. Bisher jedoch ohne Erfolg. Ein indigener Vertreter aus der Region, den wir aus Sicherheitsgründen nicht mit Namen nennen, sagt: «Gemeinschaften, die in der Nähe des Unfall-Gebiets leben, forderten Hilfe von Nornickel, aber sie werden ignoriert». Nach aussen hin gibt sich Nornickel kooperationsbereit und kündigte Entschädigungen für die betroffenen Gemeinschaften an. Einige indigene Gemeinschaften haben tatsächlich Entschädigungszahlungen erhalten. Doch diese werden nur an Indigenen-Organisationen und Gruppierungen ausbezahlt, welche dem Rohstoffkonzern gegenüber loyal eingestellt sind: «Diejenigen, die unbequeme Fragen über Verletzungen von Vorschriften und über andere Probleme stellen, werden einfach ausgeschlossen», sagt Pavel Sulyandziga, Präsident der unabhängigen Indigenen-Organisation Batani Foundation. Der Konzern weiche den zentralen Fragen zu Landrechten, Ressourcennutzung und Kompensationsmechanismen aus. Verhandlungen mit dem Unternehmen und der Lokalregierung finden nicht auf Augenhöhe statt.

Dies scheint sich in den letzten Jahren geändert zu haben – aber eben nur scheinbar. Nornickel rühmt sich mit der Durchführung sogenannter FPIC Prozesse (Free, Prior, Informed Consent), mit denen indigene Gemeinschaften in unternehmerische Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden. Doch die Grundlage eines FPIC Prozesses ist nicht gegeben. In Russland herrscht keine Meinungs- und Informationsfreiheit, eine Situation, die sich mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine weiter verschärft hat. Und das Recht, die geplanten Projekte abzulehnen, haben die betroffenen Gemeinschaften oft nicht: «Sie werden vor vollendete Tatsachen gestellt», sagt Pavel Sulyandziga.

Norilsk

Norilsk ist die nördlichste Stadt der Welt mit 150.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Sie ist die am stärksten verschmutzte Stadt Russlands. Foto: Dmitry Sharomov/Greenpeace

verschmutzter Fluss

Der verschmutzte Fluss Ambarnaja nach dem Dieselölunfall von Nornickel im Jahr 2020. Foto: ZVG

Verschmutzter Fluss

Der Fluss Daldykan verfärbte sich leuchtend rot aufgrund einer chemischen Verschmutzung durch die nahe gelegene Fabrik von Nornickel. Foto: Liza Udilova

Deshalb üben indigene Gemeinschaften nun Druck auf internationale Beteiligte aus. Mit Unterstützung der GfbV gehen Indigene aus Russland die Schweizer Banken Credit Suisse, UBS und Pictet an, die zu den Geldgebern von Nornickel gehören. Gemeinsam weisen wir die Banken auf die Umwelt- und Menschenrechtsverstösse des Konzerns hin und fordern sie auf, Einfluss auf Nornickel zu nehmen.

Das sind die Forderungen der GfbV und der betroffenen indigenen Gemeinschaften an Nornickel:

  • Nornickel soll einen ständigen Dialog und eine Beziehung auf Augenhöhe mit den indigenen Gemeinschaften führen, die in der Nähe ihrer Werke leben und tatsächlich oder potenziell durch ihre Geschäftstätigkeiten beeinträchtigt sind.
  • Nornickel soll internationale Umweltstandards befolgen, Massnahmen zur Verhinderung von Umweltschäden unternehmen und entstandene Schäden angemessen beheben. Entschädigungen der betroffenen Gemeinschaften müssen in Absprache und Zusammenarbeit mit den Gemeinschaften erfolgen.
  • Nornickel soll die Indigenen-Policy in Übereinstimmung mit der UN Deklaration über die Rechte der indigenen Völker gestalten, mit einem klaren und verbindlichen Bekenntnis zum Recht auf Free, Prior and Informed Consent (FPIC).
  • Von Metal Trade Overseas SA, der Schweizer Niederlassung von Nornickel, und den an Nornickel beteiligten Schweizer Banken fordert die GfbV Einflussnahme auf Nornickel und die Einforderung entsprechender Massnahmen.

Kupfermine Repparfjord in Norwegen

Im Video sprechen Sami-Vertreterinnen und -Vertreter über ihre Sicht der geplanten Kupferminen im Repparfjord.

Der Repparfjord ist ein kleiner Fjord in der nord-norwegischen Finnmark. Nun plant die Bergwerksgesellschaft «Nussir ASA» am Repparfjord den Betrieb zweier Kupferminen. Aus Sicht der GfbV und den Sami-Gemeinschaften gefährdet das Projekt die Umwelt und Sami-Rechte: Der Betrieb dieser Minen würde in den Augen der betroffenen Sami die traditionelle Rentierzucht vor Ort gefährden – und damit ihre Lebensgrundlage. Zudem würde die mit Chemikalien und Schwermetallen versetzte Restmasse der Minen in den Repparfjord geschüttet werden und damit der Fischbestand und die lokale Fischerei bedroht.

Die Credit Suisse verwaltete gemäss den Recherchen der GfbV bis 2019 als Nominee Shareholder 20,6 Prozent der Aktien von Nussir ASA. Somit verwaltete die Grossbank hinter der norwegischen Firma Monial AS den zweitgrössten Aktienanteil an der Firma. Die betroffenen Sami-Gemeinschaften, das Sami-Parlament und die GfbV forderten die Credit Suisse auf, auf ihre Rolle als Nominee Shareholder zu verzichten, bis eine einvernehmliche Lösung mit den betroffenen Sami gefunden ist.

Seit 2020 ist die Credit Suisse nicht mehr als nominee shareholder an dem Projekt beteiligt. Dies ist ein Teil-Erfolg: Mit ihrem Rückzug wird endlich die Identität des eigentlichen Investors genannt, der nun unter eigenem Namen offiziell im Investorenverzeichnis von Nussir ASA vermerkt ist und damit selbst die Verantwortung übernehmen muss.

Besuch Sami Norwegen bei Credit Suisse, Sommer 2019

Sommer 2019: Eine Sami-Delegation aus Norwegen demonstriert vor der Credit Suisse.

Trotz dem Ausstieg der Credit Suisse ist das Minenprojekt noch nicht vom Tisch. Nussir ASA hat kürzlich eine Absichtserklärung mit dem deutschen Kupferriesen Aurubis abgeschlossen. Somit ist die Realisierung des Projekts einen Schritt weiter. Die Sami-Gemeinschaften bekämpfen das Projekt gegenwärtig mit allen politischen und juristischen Mitteln und sind mit Aurubis im Gespräch. Die GfbV unterstützt die Anliegen der Sami und wird diesen Fall eng begleiten.

Das sind die spezifischen Forderungen der GfbV und der betroffenen Sami-Gemeinschaften:

  • Die Landrechte der Sami müssen in allen Projekten anerkannt werden. Dies bedeutet bei einer Einigung über Landnutzungsrechte eine angemessene Entschädigung, beispielsweise durch Gewinnbeteiligung.
  • Nussir ASA soll das Projekt stoppen, bis eine einvernehmliche Lösung mit den betroffenen Sami gefunden worden ist.
  • Alle Akteure müssen sich bei sämtlichen künftigen Investitionsprojekten dem „Free, Prior and Informed Consent“ (FPIC) Damit stellen sie sicher, dass die Rechte der Indigenen berücksichtigt werden und ihre Mitbestimmung garantiert ist. Dies gilt auch für Projekte für erneuerbare Energien.

Beispiel Windkraft-Anlage Storheia in Norwegen

Während dem Bau der Windanlage: Leif Jåma spricht über die befürchteten Auswirkungen des Windprojekts auf die Rentierzucht.

In Mittelnorwegen ist auf der Fosen-Halbinsel eine riesige Windkraft-Anlage entstanden. Storheia ist als eines der betroffenen Gebiete war die lokalen Südsami von grosser Bedeutung: Das Gebiet Storheia stellte rund 44 Prozent des Winter-Weidelandes für die indigenen Rentierzüchterinnen und Rentierzüchter. Wegen dem Projekt ist dieses Weideland jetzt weggefallen – die Rentiere meiden den Windpark. Dies hat einschneidende Folgen für die Südsami. Durch den Verlust dieser grossen Weidefläche haben sie mittel- bis langfristig zu wenig Winterweiden für ihre Rentierzucht. Zur Folge werden die letzten verbleibenden Züchterfamilien ihr traditionelles Gewerbe reduzieren oder ganz aufgeben müssen – und damit ihre Kultur. Aus diesem Grund verstösst das Projekt aus Sicht der Gesellschaft für bedrohte Völker gegen völkerrechtliche Abkommen und menschenrechtliche Konventionen.

Realisiert wurde das Windprojekt durch das Konsortium Fosen Wind DA. Eigentümer sind der staatliche norwegische Energiekonzern Statkraft sowie mit 40 Prozent Nordic Wind Power DA, ein Konsortium europäischer Investoren, gegründet von der Credit Suisse Energy Infrastructure Partners AG. Zu dessen Mitgliedern gehört der Berner Energiekonzern BKW mit einer indirekten Beteiligung am Projekt von 11.2 Prozent. Im Jahr 2020 trat die Credit Suisse ihre Anteile an die Schweizer Investment-Firma Energy Infrastructure Partners ab.

Die Windkraft-Anlage in Storheia.

Die Windkraft-Anlage in Storheia. Foto: Bettina Wyler

Das tut die GfbV

Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat die betroffenen Rentierzucht-Familien in Storheia besucht und unterstützte ihre Forderung nach Mitbestimmung beim Bau der Windkraftanlage. Sie organisierte für eine Delegation der Südsami im Dezember 2018 eine Reise in die Schweiz, damit zwei Betroffene Gespräche mit den Investoren BKW und Credit Suisse führen und ihre Anliegen persönlich vorbringen konnten. Später reichte die GfbV eine Beschwerde gegen die BKW beim Nationalen Kontaktpunkt (NKP) für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen ein.

Das sind die Forderungen der GfbV und der betroffenen Sami-Gemeinschaften:

  • Statkraft soll das Projekt in Storheia rückbauen und die betroffenen Südsami-Gemeinschaften angemessen entschädigen für die Beeinträchtigungen, die während der Bauphase entstanden sind.
  • Statkraft und Nordic Wind Power DA sollen bei künftigen Projekten eine unabhängige Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung zu den Auswirkungen durchführen und veröffentlichen.
  • Die Landrechte der Sami müssen in künftigen Projekten anerkannt werden. Dies bedeutet bei einer Einigung über Landnutzungsrechte eine angemessene Entschädigung, beispielsweise durch Gewinnbeteiligung.
  • Alle Akteure müssen sich bei sämtlichen künftigen Investitionsprojekten dem „Free, Prior and Informed Consent“ der Uno (FPIC) verpflichten und sicherstellen, dass die Rechte der Indigenen berücksichtigt werden und ihre Mitsprache garantiert ist. Dies gilt auch für Projekte für erneuerbare Energien.

Die langjährige Arbeit der GfbV zahlt sich aus: Die BKW verpflichtet sich 2021 zum besseren Schutz der Indigenenrechte. Das hat eine Südsami-Delegation drei Jahre zuvor von ihr gefordert. Foto: Franziska Rothenbühler

Ab jetzt mehr Konzernverantwortung:

Einen wichtigen Erfolg konnte die GfbV im Sommer 2021 erzielen: Als Ergebnis des Mediationsverfahrens mit der GfbV verankert die BKW nun das Prinzip der freien, vorherigen und informierten Zustimmung (FPIC) in ihren internen Richtlinien. Dank einer solchen verbesserten Sorgfaltsprüfung soll es gar nicht erst zu Menschenrechtsverletzungen kommen. Falls doch, kann die BKW dank Ausstiegsklauseln künftig aus der Geschäftsbeziehung aussteigen. Darüber hinaus wird sie niederschwellige Beschwerdemechanismen auf Projektebene verankern.

Gleichzeitig urteilte das höchste norwegische Gericht, die Windkraftanlage in Storheia gefährde das Fortbestehen der lokalen Rentierzucht unmittelbar. Sie gab den betroffenen Südsami recht darin, dass die Anlage ihr Recht auf Kultur gemäss Artikel 27 des internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte der Uno verletze. Das Gericht erklärte die Betriebslizenz des Windkraftprojekts deshalb nachträglich für ungültig. Ob und wie die Anlage rückgebaut werden muss, muss nun das norwegische Energieministerium entscheiden. Das Urteil schafft einen Präzedenzfall in Norwegen und beeinflusst dadurch weitere Windkraftanlagen als auch Rohstoffprojekte auf Rentiergebieten.

Das Eis schmilzt, die Dringlichkeit nimmt zu

Das Beispiel der Windkraftanlage in Storheia zeigt: Auch die sogenannte „grüne“ Wirtschaft muss Menschenrechte respektieren. Die Energiewende darf nicht auf Kosten indigener Gemeinschaften gehen. Durch den Run auf Rohstoffe in der Arktis, die auch für erneuerbare Energien benötigt werden, gewinnt diese Thematik zunehmend an Bedeutung. Die GfbV bleibt dran.

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Tabea Willi

Tabea Willi

Programmleiterin

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