Indigene Gemeinschaften in der Arktis
In der Arktis leben rund 400’000 Mitglieder Indigener Gemeinschaften – das sind rund 10 Prozent der arktischen Bevölkerung. Die Region umfasst Teile der heutigen Staatsgebiete von Norwegen, Schweden, Finnland, Island, Russland, Grönland sowie Kanada und den USA (Alaska). Die Landschaft ist geprägt von Meer, Schnee und Eis, von Feuchtgebieten, Fjorden, Inseln und riesigen Nadelwäldern. Es ist der Lebensraum für zahlreiche Fische, Vögel sowie Säugetiere. Das komplexe Ökosystem der Arktis spielt eine zentrale Rolle für das natürliche Gleichgewicht auf der Erde.
Doch die Arktis ist gefährdet: Wegen des Klimawandels wird erwartet, dass sie bereits 2035 im Sommer weitgehend eisfrei sein wird und Waldbrände weiter zunehmen. Wenn der Permafrost auftaut und das Eis schmilzt, steigt der Meeresspiegel weiter an und schädliche Treibhausgase entweichen aus den tauenden Böden in die Atmosphäre – was die Klimakrise weiter befeuert.
Die Arktis ist aber auch gefährdet, weil Unternehmen ohne Rücksicht Rohstoffe wie Kupfer, Nickel, Erdöl und Erdgas abbauen. Auf diese hat mit dem schmelzenden Eis ein regelrechter «Run» eingesetzt. Besonders betroffen ist die russische Arktis: Auf der Halbinseln Taimyr, Jamal und Gydan liegen Millionen Tonnen Kupfer, Nickel, Eisenerz, Kohle, Lithium sowie Erdöl und Erdgas. Der Druck weitet sich nun aus auf sogenannte Übergangsmineralien wie Lithium oder Kobalt, die für Technologien der «grünen» Energiewende gebraucht werden Unternehmen arbeiten mit Hochdruck daran, neue Minen zu planen und zu bauen – ohne das Mitspracherecht Indigener Gemeinschaften zu achten.
Klimawandel und Rohstoffhunger zerstören den Lebensraum Indigener Gemeinschaften wie der Sami in Norwegen oder der Nenzen in Russland. Jagen, Fischen oder Rentierzucht sind gefährdet, Flüsse werden vergiftet oder ganze Landschaften von Grossprojekten zerschnitten. Beim Kampf um ihre Rechte und den Erhalt ihres Lebensraums erhalten die Indigenen Gemeinschaften in vielen Fällen kaum Unterstützung durch die Regierungen. Im Gegenteil: Insbesondere in Russland erfahren Indigene Aktivist:innen massive Drohungen und Repression durch die Regierung, wenn sie sich für die Einhaltung ihrer Rechte einsetzen.
Das tut die GfbV
Die GfbV unterstützt indigene Gemeinschaften beim Kampf um ihren Lebensraum, die Einhaltung ihrer Menschenrechte und Selbstbestimmung. In unserem Programm setzen wir auf die geographischen Schwerpunkte Skandinavien, Finnland und Russland und engagieren uns für entsprechende Forderungen:
Wirtschaftliche Verantwortung
Die GfbV fordert von den Wirtschaftsakteuren die Respektierung der Rechte Indigener Gemeinschaften insbesondere auf freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC) bei allen Projekten mit Auswirkungen auf ihre Territorien. Involvierte Schweizer Firmen zieht die GfbV zur Verantwortung, beispielsweise im Rahmen von Mediationsverfahrens vor dem Nationalen Kontaktpunkt (NKP) für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen.
Verantwortung der Schweiz auf politischer Ebene
Die Schweizer Aussenpolitik soll sich mehr für die Umwelt und Menschenrechte in der Arktis einsetzen, insbesondere innerhalb des Arctic Council, wo die Schweiz Beobachterstatus innehat, aber auch durch direkte diplomatische Intervention bei den Arktis-Anrainerstaaten.
Lobby- und Advocacyarbeit
Die GfbV arbeitet eng mit der Exil-Organisation «International Committee of Indigenous Peoples of Russia» (ICIPR) zusammen und unterstützt ihre Lobby- und Advocacy Arbeit auf internationaler und wenn sinnvoll auch auf nationaler Ebene. Die GfbV begleitet Indigene Delegationen, damit sie bei den Akteuren der Politik und Wirtschaft und internationalen Organisationen ihre Anliegen einbringen können.
Empowerment und Capacity Building
Die GfbV unterstützt und begleitet Projekte von Indigenen Gemeinschaften und Organisationen in der Arktis. Um unsere Partner:innen vor dem russischen Repressionsapparat zu schützen, kann öffentlich nicht über die genauen Aktivitäten berichtet werden, da bereits die Zusammenarbeit mit ausländischen NGOs für Menschen in Russland gefährlich sein kann.
Öffentlichkeitsarbeit
Die GfbV macht die kritische Situation der Indigenen Gemeinschaften in der Arktis bekannt und unterstützt somit deren Arbeit vor Ort.
Erfolge der GfbV
In den letzten Jahren konnte die Gesellschaft für bedrohte Völker gemeinsam mit Partner:innen einige Erfolge im Einsatz für die Rechte Indigener Gemeinschaften und Minderheiten in der Arktis verzeichnen.
2023 Gefährliche Zusammenarbeit
Infolge des russischen Krieges gegen die Ukraine hat sich die Menschenrechtslage in Russland deutlich verschärft. Aus Sicherheitsgründen können wir nicht über aktuelle Tätigkeiten berichten.
2022 Indigene Aktivist:innen sprechen in Genf über Menschenrechte in Russland
Einige Partner:innen der GfbV mussten Russland aufgrund der zunehmenden staatlichen Repression verlassen. Durch die Gründung der Exilorganisation «International Committee of Indigenous Peoples of Russia» (ICIPR) setzen sie sich nun auch aus dem Exil für Indigenenrechte in Russland ein. So auch in Genf, wo sie an einem Podium sprachen, das die GfbV gemeinsam mit dem ICIPR organisierte. Das Podium fungierte als öffentlicher Side-Event zur Session des UN-Expertenmechanismus für die Rechte indigener Völker (EMRIP), an dem mehrere GfbV-Partner:innen über Indigenenrechte in Russland sprachen.
2021 “Arctic Life, Indigenous Rights Now!”-Programm startet
Die GfbV-Kampagne “Arctic Life, Indigenous Rights Now!” startet. Wichtige Allianzen mit Indigenen aus der russischen Arktis entstehen. Gemeinsam werden erstmals Gespräche mit dem Rohstoffkonzern Nornickel erreicht, der grosse Umweltschäden in indigenen Lebensräumen verantwortet.
2018 Sami und GfbV protestieren vor BKW-Sitz gegen Windkraftanlage
Die GfbV protestiert mit Delegierten der norwegischen Sami vor den Berner Kraftwerken BKW. Diese sind gemeinsam mit einem Konsortium der Bank CS und weiteren Geldgebern an der Finanzierung einer Windkraftanlage beteiligt, welche die Lebensweise von indigenen Sami bedroht.