Menschen & Geschichten

«Solidarität könnte eine grosse Rolle spielen»

Pavel Pavel Sulyandziga

Udegischer Menschenrechtsaktivist, Russland / USA

Pavel Sulyandziga. Foto: Broddi Sigurdarson / UNPFI Pavel Sulyandziga. Foto: Broddi Sigurdarson / UNPFI

Der Udege Pavel Sulyandziga hat bei seinem langjährigen Einsatz für die Rechte indigener Gemeinschaften unterschiedliche Lösungen erarbeitet. Seine Erfahrungen bringt er nun in die SIRGE Koalition ein, die sich für indigene Mitsprache und Rechte in der grünen Transformation einsetzt.


Warum beschäftigst du dich mit der grünen Transformation?

Die sogenannte grüne Energie erfordert eine Menge Rohstoffe, die auch in indigenen Gebieten zu finden sind. Manche sagen, dass diese Ressourcen für indigene Gemeinschaften ein Fluch sind. Indigene Gemeinschaften könnten die ersten Opfer des grünen Booms werden. Die grüne Transformation könnte eine Welt schaffen, in der manche Regionen schön und sauber sind, während andere als Wüsten zurückbleiben, schmutzig und zerstört – nämlich die indigenen Gebiete. In der SIRGE Koalition setzen wir uns für eine gerechte Transformation ein.

Wie ist die SIRGE Koalition entstanden?

2020 führte ein Dieselleck beim russischen Unternehmen Nornickel auf der Taymir-Halbinsel zu einer Umweltkatastrophe. Bei unserer Öffentlichkeitsarbeit zu dieser Katastrophe wurden wir auf Fälle in anderen Regionen aufmerksam, in denen indigene Rechte im Zuge des Mineralienabbaus missachtet werden – auch jener Mineralien, die für eine grüne Transformation benötigt werden. Für eine gerechte Transformation, müssen alle Seiten in Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden – auch indigene Gemeinschaften und Arbeiter:innen. Die SIRGE Koalition achtet darauf, dass ihre Rechte beim Übergang zur grünen Wirtschaft respektiert werden.

Wie kann eine gerechte Transformation erreicht werden?

1991 habe ich noch gesagt, dass indigene Gemeinschaften und Unternehmen niemals zusammenarbeiten können, da sich ihre Interessen fundamental widersprächen. Mittlerweile bin ich ein Verfechter von Verhandlungen. Zu dieser Überzeugung bin ich auf dem langen Weg mit meiner Udege-Gemeinschaft gekommen.

Kannst du ein Beispiel nennen?

Die Gemeinschaft der Udegen besteht aus mehreren Gruppen. In meiner Region, Primorski, gibt es vier Gruppen, meine lebt am Fluss Bikin. Wir haben immer wieder erlebt, dass Unternehmen unser Land nutzen wollten. Meine Gruppe hat sich entschieden: Wir wollen nicht zu einem Standort der industriellen Rohstoffgewinnung werden. Doch andere Gruppen haben sich anders entschieden. Es gibt eine Udege Gemeinschaft am Samarga-Fluss, zu der lange keine Strasse führte. Sie mussten Hubschrauber für den Warentransport benutzen. Mehr und mehr junge Menschen sahen keine Zukunft in der Gemeinde und verliessen sie. Als ein Unternehmen auf ihrem Territorium Holz abbauen wollte, nahm die Gruppe die Verhandlungen auf. So erreichten sie, dass das Unternehmen internationale Standards einhält, einschliesslich der Indigenenrechte. Das Unternehmen brachte Ressourcen und wirtschaftliche Entwicklung in die Gemeinde. Ein Hotel und eine Strasse wurden gebaut, und jedes Jahr erhält die Gemeinde Geld, das für ihre Entwicklung und ihr Überleben bestimmt ist. Diese Geschichte hat mir gezeigt, dass die unterschiedlichen Seiten miteinander reden sollten, denn jede Situation erfordert andere Lösungen. Das bedeutet aber nicht, dass indigene Gemeinschaften Kompromisse eingehen oder Verletzungen ihrer Rechte hinnehmen müssen.

Welche Verantwortung tragen Konsument:innen in der grünen Transformation?

Solidarität ist im Kampf um indigene Rechte und Menschenrechte zentral. In der grünen Transformation ist auch die Solidarität der Konsument:innen gefragt. Vielleicht betrifft der Ressourcenabbau diese nicht direkt, aber wir leben auf einem Planeten und unsere Probleme sind miteinander verbunden. Solidarität könnte am Ende eine grosse Rolle spielen.

Pavel Sulyandziga ist ein Vertreter der Udege Gemeinschaft. Er hat in mehreren Organisationen für die Rechte indigener Gemeinschaften mitgearbeitet und die Indigenen-Organisation Batani gegründet. Heute lebt er in den USA im Exil und ist Vorsitzender des Steering Committee der Koalition Securing Indigeneous Rights in Green Transition (SIRGE), der auch die GfbV angehört.

Interview: Reta Barfuss, Praktikantin Kommunikation / Foto: Broddi Sigurdarson / UNPFII

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