In Russland baut der Rohstoffkonzern MMC Norilsk Nornickel auf Indigenem Gebiet Rohstoffe ab. Darunter sind auch solche, die für die Energiewende gebraucht werden. Doch die Folgen für die Umwelt und lokale Indigene Gemeinschaften sind verheerend: Neben einer Umweltkatastrophe ist der Konzern auch für die Verschmutzung von Boden, Luft und Flüssen verantwortlich – und damit für die Lebensmittelknappheit für die Menschen vor Ort. Da sich Nornickel nur nach aussen kooperationsbereit zeigt, braucht es weiterhin Druck auf den Konzern und die beteiligten Akteur:innen, die sich auch in der Schweiz befinden.
Im Mai 2020 kam es auf der russischen Taimyr-Halbinsel zu einer der schwersten Umweltkatastrophen in der Arktis: Aufgrund nachlässiger Handhabung flossen in der sibirischen Stadt Norilsk 21’000 Tonnen Dieselöl aus einem beschädigten Tank einer Tochterfirma des russischen Nickelproduzenten Nornickel in die umliegende Natur. Dabei wurde Indigenes Land und zwei Flüsse schwerwiegend verschmutzt. Nördlich des Unfallorts leben die Indigenen Gemeinschaften der Dolganen, Nenzen und Nganassanen, für welche die Katastrophe schwerwiegende Folgen hatte: Ihre Rentiere haben das Gebiet verlassen, die Giftstoffe töteten die Fische, aber auch deren Nahrungsquelle, die Insekten. So kommen die Jäger seither oftmals mit leeren Händen ins Dorf zurück. Es führte auch zu einem Rückgang des Verkaufs von Fleisch und Fisch und entsprechend zu ausbleibenden Einkommen, wodurch die betroffenen Gemeinschaften auch weniger andere Nahrungsmittel einkaufen konnten.
Profit auf Kosten der Umwelt und Indigenen Gemeinschaften
Die Katastrophe macht deutlich: Der Rohstoffkonzern MMC Norilsk Nickel, genannt Nornickel, macht seinen Profit auf Kosten der Umwelt und der dort lebenden Gemeinschaften. Neben anderen Standorten in Russland baut der Konzern auf der russischen Taimyr-Insel Nickel ab. Dieser Rohstoff wird für unterschiedliche Industrie- und Konsumgüter benötigt. Im Rahmen der Mobilitätswende wird Nickel aber auch für die Herstellung und Speicherung erneuerbarer Energien genutzt, darunter in Batterien von Elektrofahrzeugen oder in Solaranlagen. Doch der Abbau des Metalls bringt neben dem Risiko von Umweltkatastrophen wie jener auf der Taimyr-Insel, schwere Luftverschmutzung mit sich. Ausserdem entsorgt das Unternehmen giftige Rückstände in der umliegenden Natur der Grossstadt Norilsk.
Nornickel plant, seine Tätigkeiten in Russland auszubauen. Neu ist auf der Kola-Halbinsel in der Region von Murmansk der Bau einer Lithiummine geplant, in dessen Rahmen Nornickel mit der staatlichen russischen Atomenergiegesellschaft Rosatom ein Kooperationsabkommen unterschrieb. Die Mine soll in Europas grösstem Wildnisgebiet, das bisher gänzlich frei von Infrastruktur wie Strassen ist, gebaut werden. Die Region des geplanten Bauorts steht unter der Verwaltung der Indigenen Samí, Nenzen und Komi. Diese befürchten eine starke Verschmutzung des Gebietes, einschneidende Konsequenzen für ihre Lebensweisen und sind gegenüber der von Nornickel angekündeten Konsultationsbereitschaft skeptisch.
Indigene Gemeinschaften fordern ihre Rechte ein
Seit der Umweltkatastrophe von 2020 fordern Indigene Gemeinschaften Nornickel dringend auf, ihre Dörfer zu unterstützen. Bisher jedoch ohne Erfolg. Ein Indigener Vertreter aus der Region, den wir aus Sicherheitsgründen nicht mit Namen nennen, sagt: «Gemeinschaften, die in der Nähe des Unfallgebiets leben, forderten Hilfe von Nornickel, aber sie wurden ignoriert». Nach aussen hin gibt sich Nornickel kooperationsbereit und kündigte Entschädigungen für die betroffenen Gemeinschaften an. Einige Indigene Gemeinschaften haben tatsächlich Zahlungen erhalten. Doch diese werden nur an Indigenen-Organisationen und Gruppierungen ausbezahlt, welche dem Rohstoffkonzern gegenüber loyal eingestellt sind. «Diejenigen, die unbequeme Fragen über Verletzungen von Vorschriften und über andere Probleme stellen, werden einfach ausgeschlossen», sagt Pavel Sulyandziga, Präsident der unabhängigen Indigenen-Organisation Batani Foundation. Und auch auf andere durch die Mine verursachten Probleme der Indigenen Gemeinschaften vor Ort geht das Unternehmen Nornickel nur oberflächlich ein: Gemäss Pavel Sulyandziga weicht der Konzern den zentralen Fragen zu Landrechten, Ressourcennutzung und Kompensationsmechanismen aus. Verhandlungen mit dem Unternehmen und der Lokalregierung finden nicht auf Augenhöhe statt.
Dies scheint sich in den letzten Jahren geändert zu haben – aber eben nur scheinbar. Nornickel rühmt sich mit der Durchführung sogenannter FPIC Prozesse (Freiwillige, Frühzeitige und Informierte Zustimmung), mit denen Indigene Gemeinschaften in unternehmerische Entscheidungsprozesse miteinbezogen werden. Doch die Grundlage eines FPIC Prozesses ist nicht gegeben: In Russland herrscht keine Meinungs- und Informationsfreiheit, eine Situation, die sich mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine weiter verschärft hat. Und das Recht, die geplanten Projekte abzulehnen, haben die betroffenen Gemeinschaften oft nicht. «Sie werden vor vollendete Tatsachen gestellt», sagt Pavel Sulyandziga. Dies zeigt sich nun auch bei der geplanten Lithiummine. Während Nornickel und Rosatom hoffen, bereits bis Ende 2023 eine Fördererlaubnis zu erhalten, wurden laut dem GfbV-Partner Andrei Danilov nur ein kleiner Teil der betroffenen Gemeinschaften überhaupt kontaktiert – und dies erst in letzter Minute.
Auch Schweizer Unternehmen sind verantwortlich
Gemeinsam mit den betroffenen Indigenen Gemeinschaften setzt sich die GfbV für deren Rechte ein und übt Druck auf internationale Beteiligte aus. Darunter sind auch Schweizer Akteur:innen: Recherchen der GfbV haben aufgezeigt, dass zu den Geldgebern von Nornickel auch die Schweizer Banken Credit Suisse, UBS und Pictet gehören. Mit dem Unternehmen Metal Trade Overseas SA mit Sitz in Zug hat Nornickel darüber hinaus auch einen Ableger in der Schweiz. Die Firma vertreibt die in Russland und Finnland gewonnenen Rohstoffe von der Schweiz aus in die ganze Welt.
In Zusammenarbeit mit den betroffenen Gemeinschaften weist die GfbV die Banken auf die Umwelt- und Menschenrechtsverstösse des Konzerns hin und fordert sie auf, Einfluss auf Nornickel zu nehmen. Darüber hinaus hat die GfbV Indigene Partner:innen bei ihren Forderungen gegenüber Nornickel zur Einhaltung des Rechts auf Freiwillige, Frühzeitige und Informierte Zustimmung (FPIC) unterstützt.
Das sind die Forderungen der GfbV und der betroffenen Indigenen Gemeinschaften an Nornickel:
- Nornickel soll einen ständigen Dialog und eine Beziehung auf Augenhöhe mit den Indigenen Gemeinschaften führen, die in der Nähe ihrer Werke leben und tatsächlich oder potenziell durch ihre Geschäftstätigkeiten beeinträchtigt sind.
- Nornickel soll internationale Umweltstandards befolgen, Massnahmen zur Verhinderung von Umweltschäden ergreifen und entstandene Schäden angemessen beheben. Entschädigungen der betroffenen Gemeinschaften müssen in Absprache und Zusammenarbeit mit den Gemeinschaften erfolgen.
- Nornickel soll die Indigenen-Policy in Übereinstimmung mit der UN Deklaration über die Rechte der Indigenen Völker gestalten, mit einem klaren und verbindlichen Bekenntnis zum Recht auf Freiwillige, Frühzeitige und Informierte Zustimmung (FPIC).
- Von Metal Trade Overseas SA, der Schweizer Niederlassung von Nornickel, und den an Nornickel beteiligten Schweizer Banken fordert die GfbV Einflussnahme auf Nornickel und die Einforderung entsprechender Massnahmen.