Thema

Indigene Gemeinschaften

Die GfbV arbeitet eng mit Indigenen Gemeinschaften und Organisationen zusammen. Doch was bedeutet Indigen und was verbindet unterschiedliche Indigene Gemeinschaften?

Foto: Amazon Watch

Ein Munduruku-Knabe in traditioneller Kleidung zeigt mit dem Finger in die Ferne. Ein Munduruku-Knabe in traditioneller Kleidung zeigt mit dem Finger in die Ferne.

Die GfbV arbeitet eng mit Indigenen Partner:innen und Organisationen  zusammen, um ihren Kampf für Indigene Selbstbestimmung, Menschenrechte und den Schutz ihres Lebensraums zu unterstützen. Indigene Gemeinschaften leben in unterschiedlichen Regionen und folgen unterschiedlichen Lebensweisen, doch oftmals sind sie mit ähnlichen Problemen konfrontiert. Welche Gemeinsamkeiten haben Indigene Gemeinschaften, welche ihrer Rechte werden systematisch missachtet und auf welche internationale Mechanismen und Konventionen beruft sich die GfbV, um gemeinsam mit ihren Partner:innen für die Rechte Indigener Gemeinschaften zu kämpfen?

Was ist eine Indigene Gemeinschaft?

Indigene Gemeinschaften und Nationen weisen in der Regel folgende Kriterien auf:

  • Zeitliches Kriterium: Indigene Gemeinschaften sind die „ersten“ Bewohner eines Gebiets; sie lebten vor der Ankunft von Kolonisatoren respektive dominierenden Gesellschaften im entsprechenden Gebiet.
  • Kulturelle Besonderheit: Sie bewahren ihre kulturelle Besonderheit (Sprache, Gesellschaftsorganisation, Religion, spirituelle Werte, Produktionsweisen und Institutionen) und sind von der dominierenden Gesellschaft zu unterscheiden. Sie fühlen sich ihrem Land seit Menschengedenken kulturell und spirituell verbunden, und ihre traditionelle Lebensweise ist von diesem Land und seiner Nutzung abhängig.
  • Selbstidentifikation: Die Betroffenen sind selbst mehrheitlich der Ansicht, dass sie einer unterschiedlichen Gemeinschaft oder einer unterschiedlichen Gruppe angehören und erleben sich selber als „indigen“.
  • Marginalisierung: Die Gemeinschaft hat meist lange unter Unterdrückung, Enteignung, Marginalisierung, Ausschluss oder Diskriminierung gelitten, im Extremfall bis hin zu Zwangsvertreibung und Ausrottung.

Die GfbV stützt sich auf die Definition des Uno-Sonderberichterstatters der Unterkommission über Prävention von Diskriminierung und Schutz von Minderheiten, José R. Martinez Cobo, auf Präzisierungen von Erika-Irene Daes, der langjährigen Vorsitzenden der Uno-Arbeitsgruppe über indigene Bevölkerungen, und auf die Beschreibungen der Afrikanischen Kommission zu den Rechten der Menschen und Völker (African Commission on Human and Peoples’ Rights).

Welche Eigenschaften teilen Indigene Gemeinschaften?

Indigene Gemeinschaften teilen eine tiefe Beziehung zu ihrem Lebensraum und zur Natur im Allgemeinen. Sie zeichnen sich durch von der dominierenden Bevölkerungsgruppe abweichende kulturellen Traditionen, Gewohnheiten und soziale Organisation aus.

Die meisten Indigenen Gemeinschaften sind seit längerem in Kontakt mit dominanten Gemeinschaften. Oft führt dies zu einem Wertewandel und damit verbundenen Einschränkungen oder gar dem Verlust der traditionellen Lebensweise.

Viele Indigene Gemeinschaften pflegen eine jahrhundertealte Tradition. In einigen Indigenen Gemeinschaften suchen junge Indigene Menschen zunehmend den Kontakt mit der Aussenwelt, wollen studieren und sich in die „moderne“ Welt integrieren.

Wie viele Indigene Gemeinschaften gibt es?

Es gibt ungefähr 370 Millionen Menschen in 70 Ländern, die sich mit einer Indigenen Gemeinschaften identifizieren. Über die Jahre wurden viele indigene Gemeinschaften ausgerottet  – etwa wegen Krankheiten, die von den Kolonialherren verbreitet wurden oder auch durch gezielte Vernichtungspolitik.

Was sind die Hauptprobleme der Indigenen Menschen?

Indigene Gemeinschaften wurden im Zuge der Kolonisierung oft von ihrem Land enteignet. Dies hatte für sie fatale Auswirkungen, da sie auf ihr Land angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt aufrecht zu erhalten und ihre Existenz zu sichern. In gewissen Gebieten haben koloniale Ländergrenzen die traditionellen Weidegebiete der Nomad:innen getrennt, was ähnliche Folgen hat wie eine Enteignung. Oft leben Indigene Gemeinschaften in ressourcenreichen Gegenden, wodurch sie insbesondere mit Grosskonzernen in Konflikt kommen, welche diese Ressourcen ausbeuten wollen. Oft vertreiben die Konzerne mit Hilfe des Staates die Indigenen Gemeinschaften oder setzen sie massiv unter Druck, damit sie die industriellen Aktivitäten auf dem Land akzeptieren.

Viele Indigene Gemeinschaften müssen ständig um die Akzeptanz ihrer Lebensform kämpfen. Indigene Menschen gehören zu den am meisten benachteiligten und marginalisierten Menschen der Welt. Sie sind seitens der Regierung unter Druck, sich zu „entwickeln“ und zum Beispiel den Widerstand gegen industrielle Aktivitäten in ihrem Gebiet aufzugeben. Wirtschaftliche Akteure setzen Indigene Gemeinschaften unter Druck, wenn sie sich gegen zerstörerische Aktivitäten wehren. Die dominierende Gesellschaft begegnet ihnen oft mit Rassismus oder gar Gewalt. Aber auch gewisse Nichtregierungsorganisationen instrumentalisieren die Indigenen Menschen für ihre eigenen Zielsetzungen, sei es für Schutzgebiete, sei es für ihren politischen Kampf. Damit werden sie zum Spielball der Mächtigen auf Kosten ihrer Tradition, Kultur, ja manchmal gar ihres Überlebens.

Sind die Rechte der Indigenen Gemeinschaften durch Resolutionen oder Konventionen geschützt?

Am 13. September 2007 stimmte die UNO-Generalversammlung der Deklaration über die Rechte indigener Völker zu. Diese anerkennt das Recht auf Selbstbestimmung, auf die freie Ausübung ihrer Institutionen, Kultur und Traditionen und das Recht, diese weiterzuentwickeln. Aktivitäten auf dem Gebiet Indigener Gemeinschaften dürfen nur dann stattfinden, wenn die Indigenen Menschen ihr freies, vor der Nutzung eingeholtes und auf vollständiger Information basierendes Einverständnis (free, prior and informed consent - FPIC) gegeben haben. Dieses Prinzip ist zu einem wichtigen Instrument zur Wahrung der Rechte Indigener Menschen geworden, insbesondere wenn es um wirtschaftliche Projekte auf dem Gebiet der Indigenen Gemeinschaften geht.
Die Deklaration formuliert umfassende Rechte für die Indigenen Gemeinschaften und ist damit zur Referenz geworden. Allerdings ist sie nicht verbindlich.

Von grosser Bedeutung ist auch das Übereinkommen Nr. 169 der Internationalen Arbeitsorganisation über indigene und in Stämmen lebende Völker von 1989 (ILO 169). In dieser Konvention sind Grundrechte der Indigenen Gemeinschaften wie das Recht auf ein eigenes Territorium, eine eigene Lebensweise, Kultur und Sprache verankert. Zudem wird darin in gewissen Umständen wie Umsiedlung der FPIC (das Einverständnis, s. oben) verlangt. Bislang haben erst 22 Staaten das Übereinkommen ratifiziert (Stand: 2017).

Ein wichtiges Ziel der GfbV und vieler Indigenen Organisationen ist es, die in den oben erwähnten Abkommen erwähnten Rechte in die jeweiligen nationalen Gesetzgebungen zu integrieren, damit sie rechtsverbindlich werden.

Weiter geniessen die Individuen Indigener Gemeinschaften wie alle Menschen die Rechte, die ihnen andere völkerrechtlich relevante Instrumente geben, wie die Biodiversitätskonvention (Schutz für Indigenes Wissen), die Konvention zur Eliminierung von rassistischer Diskriminierung, der Pakt für ökonomische, soziale und kulturelle Rechte, der Pakt für politische und zivile Rechte, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte und die Charta der UNO.

Was fordern Indigene Gemeinschaften und Aktivist:innen?

Generell fordern Indigene Geneinschaften ihre Landrechte, die Einhaltung der Rechte von Indigenen Gemeinschaften und Individuen gemäss den völkerrechtlichen Vorgaben, insbesondere der Erklärung der Rechte indigener Völker der Vereinten Nationen, und ein Ende der Marginalisierung. Sie wollen heute und in Zukunft selber bestimmen können, wie sie ihr Leben gestalten.

Viele Forderungen, die in den konkreten Konfliktfällen mit Firmen, Regierungen oder Organisationen auftreten, können wiefolgt charakterisiert werden:

  • Indigene Gemeinschaften wollen bestimmen, was in ihrem Gebiet geschieht. Dies beinhaltet das Recht, eine Nutzung durch Aussenstehenden zu verweigern, ihr zuzustimmen und mitzubestimmen, wie die Nutzung erfolgen soll.
  • Indigene Gemeinschaften wollen, dass der Schaden an ihrer Umwelt minimiert wird.
  • Von den Indigenen Gemeinschaften bestimmte Zonen müssen völlig verschont bleiben (heilige und verbotene Gebiete, zeremonielle Stätte, Gräber etc).
    Für allfällige Schäden sollen gemeinsam ausgehandelte Kompensationen geleistet werden. Ein Teil des Gewinns soll in die Gemeinschaften investiert werden (Benefit-Sharing).

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