Eine Windkraftanlage auf der Fosen-Halbinsel bedroht die Rentierzucht der dort ansässigen Südsámi – und damit ihr Überleben. Gemeinsam mit den betroffenen Gemeinschaften fordert die GfbV seit Jahren den Rückbau und die Renaturierung der Region. Diese Forderung hat 2021 durch ein Urteil des höchsten norwegischen Gerichts noch mehr Gewicht erhalten: Dieses erklärte den Bau der Windkraftanlage als illegal. Doch die Windräder drehen weiter und der Druck muss aufrechterhalten werden – auch auf die Schweizer Mitinvestoren, die sich jeglicher Verantwortung entziehen.
Während dem Bau der Windanlage: Leif Jåma spricht über die befürchteten Auswirkungen des Windprojekts auf die Rentierzucht.
Das norwegische Unternehmen Fosen Vind hat in Mittelnorwegen auf der Fosen-Halbinsel eine riesige Windkraftanlage errichtet. Das Gebiet Storheia ist als eines der betroffenen Gebiete für die lokalen Südsámi von grosser Bedeutung: Es stellte rund 44 Prozent des Winter-Weidelandes für die Indigenen Rentierzüchter:innen. Wegen des Projekts ist dieses Weideland jetzt weggefallen – die Rentiere meiden den Windpark. Dies hat einschneidende Folgen für die Südsámi. Durch den Verlust dieser grossen Weidefläche haben sie mittel- bis langfristig zu wenig Winterweiden für ihre Rentierzucht. In der Folge werden die letzten verbleibenden Züchter:innenfamilien ihr traditionelles Gewerbe reduzieren oder ganz aufgeben müssen – und damit ihre Kultur. Aus diesem Grund verstösst das Projekt aus Sicht der Gesellschaft für bedrohte Völker gegen völkerrechtliche Abkommen und menschenrechtliche Konventionen.
Diese Sicht teilen auch betroffene Gemeinschaften. Sie fordern den Rückbau und die Renaturierung der Windkraftanlage auf ihrem Gebiet. 2013 reichten Rentierzüchter:innen beim norwegischen Ministerium für Erdöl und Energie Klage gegen die Anlage auf Indigenem Land ein. Das Ministerium lehnte die Klage ab, und so wurde sie an den Obersten Gerichtshof von Norwegen weitergezogen. Dort wurde 2021 ein sensationelles Gerichtsurteil zugunsten der Südsámi gefällt. Darin erklärte das Gericht die insgesamt 151 Windturbinen in Storheia, die auf Indigenem Land stehen, für illegal und gab den betroffenen Südsámi recht darin, dass die Anlage ihr Recht auf Kultur gemäss Artikel 27 des internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte der Uno verletze. Das Urteil schafft einen Präzedenzfall in Norwegen und beeinflusst dadurch weitere Windkraftanlagen als auch Rohstoffprojekte auf Rentierzuchtgebieten.
Doch obwohl das erwähnte Urteil des Obersten Gerichtshof den Südsámi Recht gibt, läuft die grösste Windfarm Europas weiter. 500 Tage nach dem Gerichtsurteil besetzten Südsámi- und Klimaaktivist:innen den Platz vor dem Büro des norwegischen Premierministers Jonas Gahr Støre. Die Aktivist:innen – auch Greta Thunberg besuchte den Protest – betonten, dass die Wende zu «grüner» Energie nicht auf Kosten von Indigenenrechten umgesetzt werden dürfe. Einer der Slogans lautete: «Respect existence or expect resistance» (Respektiert Existenz oder erwartet Widerstand). Die norwegische Regierung hat sich seither entschuldigt und versprochen, die Suche nach Lösungen zur Umsetzung des Urteils zu beschleunigen, wobei die Rentierzüchter:innen aktiv an der Suche nach diesen Lösungen beteiligt werden sollen.
Auch Schweizer Geldgeber in der Verantwortung
Gemeinsam mit Vertreter:innen der Südsámi forderte die GfbV mit der Kampagne «Turbines Need Sami Consent» die Investoren Statkraft und Nordic Wind Power DA auf, das Projekt zu stoppen, die Investitionen zurückzuziehen und das Recht auf Freiwillige, Frühzeitige und Informierte Zustimmung (FPIC) für Indigene Gemeinschaften sicherzustellen. Darüber hinaus übt die GfbV gemeinsam mit den betroffenen Südsámi auch auf die daran beteiligten Geldgeber:innen Druck aus. Dazu gehören auch Schweizer Unternehmen. Denn die Windkraftanlage wurde durch das Konsortium Fosen Wind DA realisiert, dessen Eigentümer der staatliche norwegische Energiekonzern Statkraft sowie mit 40 Prozent Nordic Wind Power DA sind. Nordic Wind Power DA ist ein Konsortium europäischer Investoren, ursprünglich gegründet von der Credit Suisse Energy Infrastructure Partners AG, das zu 40% an Fosen Vind beteiligt ist. Im Jahr 2020 trat die Credit Suisse ihre Anteile an die Schweizer Investment-Firma Energy Infrastructure Partners (EIP) mit Sitz in Zürich ab. Teil des Konsortiums ist auch die BKW Energie AG mit Sitz in Bern. Die BKW ist über das Konsortium mit 11.2 Prozent indirekt am Projekt beteiligt. Entsprechend organisierte die GfbV für eine Delegation der Südsámi im Dezember 2018 eine Reise in die Schweiz, damit zwei Betroffene Gespräche mit den Investoren BKW und Credit Suisse führen und ihre Anliegen persönlich vorbringen konnten. Später reichte die GfbV eine Beschwerde gegen die BKW beim Nationalen Kontaktpunkt (NKP) für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen ein.
Der Druck muss aufrechterhalten werden
Einen wichtigen Erfolg konnte die GfbV im Sommer 2021 erzielen: Als Ergebnis des Mediationsverfahrens mit der GfbV verankerte die BKW das Prinzip der Freiwilligen, Frühzeitigen und Informierten Zustimmung (FPIC) in ihren internen Richtlinien. Dank einer solchen verbesserten Sorgfaltsprüfung soll es zukünftig gar nicht erst zu Menschenrechtsverletzungen kommen. Falls doch, kann die BKW dank Ausstiegsklauseln künftig aus der Geschäftsbeziehung aussteigen. Darüber hinaus wird sie niederschwellige Beschwerdemechanismen auf Projektebene verankern.
Doch in der Praxis zeigt sich leider, dass die BKW weiterhin Gewinne höher gewichtet als die eigenen Richtlinien und den Schutz Indigener Gemeinschaften. Nach der Besetzung des Platzes vor dem Büro des norwegischen Premierministers 2023 liess der Konzern verlauten, dass der «Betrieb der Anlagen durch das Urteil nicht unmittelbar berührt» sei – eine Haltung, welche die GfbV scharf kritisiert und die aufzeigt, dass der Druck weiterhin aufrechterhalten werden muss.
Darum fordert die GfbV und die betroffenen Südsámi-Gemeinschaften:
- Statkraft soll das Projekt in Storheia rückbauen und die betroffenen Südsámi-Gemeinschaften angemessen entschädigen für die Beeinträchtigungen, die während der Bauphase entstanden sind.
- Statkraft und Nordic Wind Power DA sollen bei künftigen Projekten eine unabhängige Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung zu den Auswirkungen durchführen und veröffentlichen.
- Die Landrechte der Südsámi müssen in künftigen Projekten anerkannt werden. Dies bedeutet bei einer Einigung über Landnutzungsrechte eine angemessene Entschädigung, beispielsweise durch Gewinnbeteiligung.
- Alle Akteure müssen sich bei sämtlichen künftigen Investitionsprojekten der Freiwilligen, Frühzeitigen und Informierten Zustimmung (FPIC) der Uno verpflichten und sicherstellen, dass die Rechte der Südsámi berücksichtigt werden und ihre Mitsprache garantiert ist. Dies gilt auch für Projekte für erneuerbare Energien.

GfbV und Südsami-Verteter überreichen der BKW eine Weihnachtskarte mit dem Wunsch, dass bei einem geplanten Windkraftwerk in Norwegen die Rechte der indigenen Bevölkerung respektiert werden. Foto: Franziska Rothenbühler