Fallbeispiel

Elektroautos: Mobilitätswende nicht auf Kosten der Menschenrechte!

Wenig bekannt, aber wahr: Die Herstellung von eAutos bringt oft Menschenrechtsverletzungen mit sich.

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Elektroautos werden als die saubere Technologie der Zukunft angepriesen. Was weniger bekannt ist: Für ihre Herstellung sind Rohstoffe nötig, deren Abbau oft Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden mit sich bringt. Zudem führen die Lieferketten von Elektroautos in das besetzte Gebiet Tibet, und die Verarbeitung von Lithium weist Verbindungen zu Firmen mit Hinweisen auf Zwangsarbeit von Uigur:innen auf. Die GfbV fordert eine gerechte Mobilitätswende unter Einhaltung der Menschenrechte entlang der Lieferketten.

Mit dem Slogan «Auto Future Now» werden Elektroautos am Autosalon 2024 in Genf als die unbedenkliche Technologie der Zukunft angepriesen. Die Bewältigung der Klimakrise ist dringend nötig, und tatsächlich sind Elektroautos etwa viermal so energieeffizient als vergleichbare Verbrenner. Doch sie bergen auch neue Risiken, wie unser Video und die Beispiele auf dieser Webseite zeigen.

Erklärvideo: Was eAutos mit Menschenrechten zu tun haben.

Übergangsmineralien für Elektrobatterien

Für Batterien von Elektroautos braucht es Mineralien wie Graphit, Nickel, Kupfer, Lithium, Kobalt und Mangan, wobei sich die Zusammensetzung je nach Produkt unterscheidet.

Die weltweite Nachfrage nach diesen Batterien ist im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 65% auf eine Gesamtkapazität von jährlich 550 Gigawattstunden (GWh) gestiegen. Bis 2030 rechnet die Internationale Energieagentur (IEA) mit einer Verzehnfachung der Nachfrage weltweit. Entsprechend wird auch der Bedarf an den dafür benötigten Rohstoffen steil ansteigen. Während insbesondere China, europäische Länder und die USA den Individualverkehr elektrifizieren, betrifft der zunehmende Rohstoffabbau mehrheitlich Indigene Gebiete.

Von welcher Mine die Mineralien in welche Automarken gelangen, ist wegen der fehlenden Transparenz in den Lieferketten heute kaum zu sagen.

Wenn Elektroautos Menschenrechte verletzen

Der weltweite Wettlauf um Übergangsmineralien führt vielerorts zu beschleunigten Bewilligungsverfahren für neue Minen. Dieses Eiltempo birgt grosse ökologische und soziale Risiken, da potentielle negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt im Vorfeld ungenügend untersucht werden. So kann beim Abbau von Lithium und Kupfer der hohe Wasserverbrauch zu erhöhter Wasserknappheit in den betroffenen Regionen führen. Bei Kobalt, Nickel und Mangan besteht ein hohes Risiko für Gewässerverschmutzung durch Schwermetalle und Vergiftung von Menschen und Tieren.

Besonders Indigene Gemeinschaften sehen sich mit einer neuen Welle des Rohstoffabbaus konfrontiert. Eine Studie von 2023 zeigt, dass sich über die Hälfte der Projekte zur Förderung von Übergangsmineralien auf oder in der Nähe von Indigenen Territorien befinden.

Der Einbezug der Indigenen Gemeinschaften wird aufgrund des Zeitdrucks aber ungenügend durchgeführt. Zwar hält die UNO das Recht Indigener Gemeinschaften auf freie, vorzeitige und informierte Zustimmung (Englisch: Free, Prior, and Informed Consent, FPIC) für Projekte fest, welche ihr Land und Leben betreffen. Dieses Recht wird aber immer wieder verletzt.

Nicht nur Menschen auf Indigenen Gebieten sind von dem Wettlauf auf Übergangsmineralien betroffen: Die Regierung der Volksrepublik China strebt eine führende Stellung in der Produktion von Elektroautos an und beheimatet mit dem Batteriehersteller «CATL» und dem Autohersteller «Build Your Dream» zwei Schwergewichte im Markt.  Dies ist aus zwei Gründen besorgniserregend: Erstens liegen die grössten Lithiumreserven Chinas unter dem Tibetischen Hochplateau. Ein Bericht aus dem Jahr 2023 zeigt den steigenden Druck, diese Rohstoffe aus dem Boden zu holen und den fehlenden Einbezug der Tibetischen Bevölkerung. Zweitens weist die Verarbeitung von Lithium Verbindungen zu Uigurischer Zwangsarbeit in der Region Ostturkestan (chin. Xinjiang) auf, wo die Kommunistische Partei Chinas eine brutale Unterdrückungspolitik betreibt.

Indigene Gemeinschaften sensibilisieren für die Folgen der geplanten Lithiummine in Peehee Mu‘huh für ihre heilige Grabstätte, Wasserressourcen und die Tierwelt. Foto: Chanda Callao/@Peopleofredmountain

Indigene Gemeinschaften sensibilisieren für die Folgen der geplanten Lithiummine in Peehee Mu‘huh für ihre heilige Grabstätte, Wasserressourcen und die Tierwelt. Foto: Chanda Callao/@Peopleofredmountain

"This ist Sami Land!" Andrei Danilov von der Indigenen Exil-Organisation ICIPR.

"This ist Sami Land!" Andrei Danilov von der Indigenen Exil-Organisation ICIPR.

Norilsk, Russland: Eine große Menge an schädlichen Emissionen beeinträchtigt die Umwelt erheblich.

Norilsk, Russland: Eine große Menge an schädlichen Emissionen beeinträchtigt die Umwelt erheblich. Foto: Clubclose

"While the occupation stands - no mining on tibetan lands!" - Statement des Vereins Tibeter Jugend in Europa (VTJE)

Rizwana Ilham, Präsidentin Uigurischer Verein Schweiz: "Keine Produkte aus Zwangsarbeit!"

Rizwana Ilham, Präsidentin Uigurischer Verein Schweiz: "Keine Produkte aus Zwangsarbeit!"

Nickelproduktion in Russland vergiftet Luft, Boden und Wasser

In Russland baut der Rohstoffkonzern Nornickel auf Indigenem Gebiet Rohstoffe ab. Darunter sind auch solche, die für die Energiewende gebraucht werden. Doch die Folgen für die Umwelt und lokale Indigene Gemeinschaften sind verheerend: Der Betrieb der Schmelzereien sorgt für verschmutzte Luft und sauren Regen, der das fragile Ökosystem der Tundra und damit die traditionelle Lebensweise der Indigenen Gemeinschaften bedroht. Der Konzern machte immer wieder Schlagzeilen mit Umweltkatastrophen: So flossen im Jahr 2020 rund 21'000 Tonnen Dieselöl in die umliegenden Gewässer, mit verheerenden Folgen für die Indigenen Gemeinschaften, für die der Fischfang eine der grössten Einkommensquellen darstellt.

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Lithiumabbau in den USA zerstört heilige Stätte

In den USA wird ohne das Einverständnis der Gemeinschaften der Paiute und Shoshone eine Lithiummine auf Indigenem Gebiet gebaut, unter anderem für Elektroautos. Der Bau der Mine auf dem Gebiet Peehee Mu’huh (auch: Thacker Pass) im US-Bundesstaat Nevada hat im März 2023 begonnen. Doch die Indigenen Gemeinschaften leisten Widerstand: Die Mine zerstört nicht nur ihr Land, sondern löscht auch ihre Geschichte aus. Denn Peehee Mu’huh war Schauplatz eines schrecklichen Massakers an den Paiute durch die US-Kavallerie in 1865 und ist eine unantastbare Grabstätte mit jahrhundertealter kultureller und religiöser Bedeutung. Nun zerstört die Mine diesen bedeutungsreichen Ort. Damit werden jahrhundertealte Probleme fortgeführt - diesmal im Namen der grünen Wende. «Wenn wir nichts gegen den Bau der Mine tun, verlieren wir nicht nur Ressourcen und Mineralien, sondern auch unsere Geschichte. Diese können wir nie zurückholen», schreibt der Shoshone und Paiute Gary McKinney.

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Verbindungen zu uigurischer Zwangsarbeit

Die chinesische Regierung fördert im Rahmen des 14. Fünfjahresplans (2020-2025) die Produktion von Elektroautobatterien in der Region Ostturkestan (chinesisch ‘Xinjiang’). Diese Wirtschaftsstrategie ist Teil einer breiteren Strategie der Kommunistischen Partei Chinas mit dem Ziel, die Uigur:innen und andere Turkgemeinschaften in der Region zu assimilieren. Zentraler Bestandteil der Unterdrückungspolitik sind Lagersysteme und unterschiedliche Formen von Zwangsarbeit. Ein Bericht der Sheffield Hallam Universität zeigt die möglichen Verbindungen zwischen Zuliefererbetrieben von Elektrobatterien und Zwangsarbeit auf. Unter anderem die staatliche Unternehmensgruppe Xinjiang Nonferrous’s Metal Industry Group spielt eine zentrale Rolle: Das Unternehmen versetzt Menschen aus ländlichen Regionen von Ostturkestan als Arbeitskräfte in seine Fabriken. Es ist via seine Tochterunternehmen in der Verarbeitung von Lithium-Metall sowie im Rohstoffabbau und Verarbeitung von Mangan tätig. Der Bericht zeigt mögliche Verbindungen zum Marktführer bei Lithium-Ionen Batterien in China auf: Die Firma CATL ist Zulieferer namhafter internationaler Marken wie Tesla, VW oder Mercedes.

Mehr zu Repression in Ostturkestan

Lithium-Abbau in Tibet

China ist weltweit wichtigster Produzent von Elektrobatterien. Der chinesische Autohersteller «Build your Dream» (BYD) ist zudem einer der grössten Produzenten von Elektroautos, letztes Jahr verkaufte er nahezu gleich viele Autos wie Marktführer Tesla. Für die Herstellung der Batterien brauchen die Produzenten unter anderem grosse Mengen an Lithium. Damit die Volksrepublik ihre Stellung als führende Kraft in der E-Mobilität verfestigen kann, landeseigenen Lithiumreserven massiv Intensivieren und so möglichst unabhängig vom globalen Lithiumhandel werden.

Rund 85 Prozent der Lithium-Vorkommen in China liegen im Hartgestein des tibetischen Hochplateaus. Die Entdeckung dieser gewaltigen Reserven löst einen wirtschaftlichen Wettlauf auf Land in Tibet aus: Im Mai 2023 wurden tausende Gebote chinesischer Investoren für Land in Tibets lithiumreichen Gebieten registriert, welche die marktüblichen Preise um das Hundertfache übertrafen.

Während die Erschliessung Tibets für die Lithiumgewinnung auf nationaler Bühne verhandelt wird, haben Tibeter:innen kaum Mitspracherecht darüber, was mit ihrem Land geschieht. Gemäss Forscher:innen von Turquoise Roof, befindet sich auf betroffenen Gebieten viel Weideland für die traditionelle Yakzucht und wichtige religiöse Stätten. Tibeter:innen, die Bedenken am Rohstoffabbau ausdrücken oder dagegen protestieren, müssen mit staatlicher Verfolgung, Inhaftierung, Gewalt oder gar dem Tod rechnen.

Der Lithiumabbau birgt zahlreiche Gefahren für Mensch und Umwelt. Gemäss Forschenden von Turquoise Roof würde er das Ökosystem dieser Gebiete massgeblich verändern und die bei der Lithiumgewinnung entstehenden Substanzen gefährden die Umwelt. So gelangten beispielsweise 2016 in der Region Sichuan nach Lecks der Mine Ganzizhou Rongda Lithium mehrmals toxische Substanzen in die Flüsse und führten zur Vergiftung des Ökosystems und zu Krankheiten bei den Tieren der Landwirt:innen. Beim Wettlauf um die wertvollen Reserven kommen vermehrt schnelle, billige und schmutzige Abbau-und Verarbeitungsmethoden zum Einsatz, welche die lokale Umwelt verschmutzen und Menschen gefährden.

Rating zeigt: Die Autoindustrie schützt Menschenrechte nicht genügend

Das internationale Netzwerk Lead The Charge , bei welchem die GfbV mitwirkt, ermutigt Autohersteller, die Umstellung auf Elektrofahrzeuge (EV) zu nutzen, um ihre Lieferketten gerecht, nachhaltig und zu 100 Prozent frei von fossilen Brennstoffen auszurichten.

Am 27. Februar 2024 stellte Lead The Charge die zweite Rangliste vor: Diese analysiert die öffentlich zugänglichen Berichte von 18 der weltweit führenden Elektroautohersteller und beurteilt ihre Bemühungen zur Beseitigung von Emissionen, Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten.

Während die Rangliste zeigt, dass mehrere Unternehmen daran arbeiten, saubere Lieferketten zu gewährleisten und Menschenrechte zu schützen, sind ihre Bemühungen noch ungenügend: Das Unternehmen Ford, das im Bereich der Menschenrechte führt, erreicht nur 54 Prozent der Anforderungen des Netzwerks.

Insbesondere in Bezug auf Indigenenrechte machen die Hersteller viel zu wenig: Über die Hälfte der Automobilhersteller erreichten in diesem Bereich 0 Prozent der Punkte und auch der Spitzenreiter, Tesla, kommt auf nur 26 Prozent.

Auffällig ist auch, wie schlecht die chinesischen Hersteller „Build Your Dream“, „Chery“, „GAC“ und „Geely“ abschneiden: Aufgrund ihrer völligen Intransparenz fallen sie im Bereich der Menschenrechte weit zurück.

Tabelle zum Rating

Was GfbV und ihre Partner fordern

Ja zu einer gerechten Mobilitätswende ohne Greenwashing!

Forderungen an Automarken und Schweizer Autoimporteure:

  • Indigenenrechte und FPIC in internen Richtlinien verankern
  • Keine Geschäftsbeziehungen nach Ostturkestan
  • Kein Rohstoffbezug aus Tibet

Forderungen an die Schweizer Politik

  • Bedarf an Rohstoffen reduzieren
  • Recycling von Rohstoffen aus Elektroautos
  • Konzernverantwortungsgesetz in der Schweiz
  • Förderung von Öffentlichem Verkehr und Velo

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