07. September 2023

Medienmitteilung

Energiewende darf nicht auf Kosten von Indigenen Gemeinschaften stattfinden – GfbV lanciert neues Programm

In Norwegen werden am 11. September, am Tag der Wahlen, erneut Proteste von Indigenen Sami-Gemeinschaften und Umweltaktivist:innen gegen für illegal erklärte  Windräder im Windpark auf der Fosen-Halbinsel stattfinden. Das Beispiel zeigt: Die dringend nötige „grüne Energiewende“ angesichts der Klimakrise bringt neue Probleme mit sich, wenn Windräder oder Minen auf Indigenem Gebiet errichtet werden. Die Gesellschaft für bedrohte Völker lanciert darum ein neues Programm: Eine gerechte Energiewende erfordert zwingend die Einhaltung von Indigenenrechten.

Anlässlich der Wahlen in Norwegen flammt erneut Widerstand gegen den Windpark auf der Fosen-Halbinsel auf, der vom höchsten norwegischen Gericht für illegal erklärt wurde, weil er die wichtigsten Rentierweiden der Indigenen Sami im Winter unbenutzbar macht und damit deren Lebensgrundlage zerstört. Der Fall zeigt: “Die zum Klimaschutz notwenigen Massnahmen dürfen nicht neue Menschenrechtsverletzungen auslösen. Es braucht klimagerechte Lösungen, welche Indigenen- und Menschenrechte respektieren“, sagt Silvia Schönenberger, Programmleiterin «Klimagerechtigkeit und Indigenenrechte» bei der GfbV.

Überdurchschnittlich oft entstehen Minenprojekte für Übergangsmineralien, welche etwa für Technologien im Bereich von Batterien für die Elektromobilität oder Solarzellen benötigt werden, auf Indigenen Territorien: Dies betrifft 54 Prozent der Minen weltweit. Indigene Gemeinschaften und Minderheiten müssen die Konsequenzen tragen. Gemeinsam mit der internationalen SIRGE-Koalition (Securing Indigenous Peoples’ Rights in the Green Economy) setzt sich die GfbV dafür ein, dass sich das ändert: Sie lanciert heute ihr neues Programm „Climate Justice! Respect Indigenous Consent“.

Über die Hälfte der Minenprojekte auf Indigenem Land

Der Koalition zur Sicherung der Rechte Indigener Gemeinschaften in der "grünen Wirtschaft" (SIRGE) gehören Indigene Leader:innen an, die gemeinsam mit solidarischen Nichtregierungsorganisationen für eine gerechte Energiewende eintreten und dabei Indigene Gemeinschaften bestärken. Die SIRGE-Koalition fordert die Entscheidungsträger:innen in Regierungen, Unternehmen und der Finanzwelt auf, die Rechte und die Selbstbestimmung Indigener Gemeinschaften auf der ganzen Welt zu garantieren.

"Der Run auf Rohstoffe für die Energiewende wie Lithium, Nickel oder Kobalt, erfordert dringliches Handeln, damit die Fehler der kolonialen Vergangenheit nicht wiederholt werden. Eine gerechte Energiewende setzt voraus, dass die Rechte und die Selbstbestimmung Indigener Gemeinschaften, wie sie in der UNO-Deklaration über die Rechte indigener Völker (UNDRIP) verankert sind, garantiert werden", sagt Silvia Schönenberger. Die SIRGE-Koalition und die GfbV fordert insbesondere, dass Indigene Gemeinschaften ihr Recht auf "freie, vorherige und informierte Zustimmung" bei allen Projekten, die ihren Lebensraum betreffen, ausüben können. Für die Lieferketten der Übergangsmineralien sowie für die Finanzwirtschaft bedeutet dies, dass diese menschenrechtlichen Mindeststandards garantiert werden müssen.

Hintergrund

Der zunehmende Abbau von Übergangsmineralien erhöht die Risiken für Indigene Gemeinschaften. Der “Transition Mineral Tracker” vom Business and Human Rights Ressource Center dokumentiert zwischen 2010 und 2022 insgesamt 510 Anschuldigungen von Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Abbau von Übergangsmineralien, davon 65 neue Anschuldigungen allein im Jahr 2022. Glencore ist das Unternehmen mit den meisten Anschuldigungen insgesamt. Diese Zahlen stellen nur die gemeldeten Fälle dar.  Konkrete Fälle sind etwa:

  • USA: Lithiummine droht heilige Grabstätte zu zerstören In den USA wird auf dem Gebiet der Paiute und Shoshone eine Lithiummine gebaut. Beteiligt ist der Autohersteller General Motors, der das Lithium für Elektroautos verwendet. Die Mine wird die heilige Grabstätte Peehee Mu'huh mit grosser kultureller und religiöser Bedeutung zerstören. «People of Red Mountain» organisiert mit Unterstützung der SIRGE-Koalition Widerstand gegen die Mine.
  • Norwegen: Weidefläche für die Rentierzucht unter Druck Die Bergwerksgesellschaft «Nussir ASA» plant an einem Fjord in Norwegen zwei Kupferminen, welche die traditionelle Rentierzucht der Sami, die Umwelt und den Fischbestand bedrohen: Restmassen mit Chemikalien und Schwermetallen sollen in den Fjord geschüttet werden. Das Projekt liegt momentan auf Eis, doch der Druck von Minenprojekten auf die Landrechte der Sami ist in ganz Sápmi zu spüren.
  • Russland: Umweltkatastrophe in der Arktis Im Mai 2020 kam es auf der russischen Taimyr-Halbinsel zu einer der schwersten Umweltkatastrophen in der Arktis: Die Nickel-Firma Nornickel verantwortet den Ausfluss von 21’000 Tonnen Dieselöl in die Umwelt und verursacht immer noch schwere Luftverschmutzung. Die Indigenen Gemeinschaften der Dolganen, Nenzen und Nganassanen kämpfen bis heute mit den Konsequenzen. Nun plant Nornickel neue Lithiumminen auf der Kola-Halbinsel.

Quellen zu den genannten Zahlen:
https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.ade9557
https://phys.org/news/2022-12-energy-minerals-overlap-indigenous-reveals.html
https://www.business-humanrights.org/en/from-us/transition-minerals-tracker/

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