In den USA wird ohne das Einverständnis der Paiute und Shoshone eine Lithiummine auf ihrem Gebiet gebaut, unter anderem für Elektromobile. Doch die indigenen Gemeinschaften leisten Widerstand: Die Mine zerstört nicht nur ihr Land, sondern löscht auch ihre Geschichte aus. Damit werden jahrhundertealte Probleme fortgeführt – diesmal im Namen der grünen Wende. Und die Mine auf dem Gebiet der Paiute und Shoshone ist kein Einzelfall.
«Wenn wir nichts gegen den Bau der Mine tun, verlieren wir nicht nur Ressourcen und Mineralien, sondern auch unsere Ge schichte. Diese können wir nie zurückholen», schreibt der Shoshone und Paiute Gary McKinney. Doch es ist schon fast zu spät: Der Bau der Mine auf dem Gebiet Peehee Mu’huh (dem sogenannten Thacker Pass) im US-Bundesstaat Nevada hat im März 2023 begonnen. Unter Peehee Mu’huh liegt ein grosses Lithiumvorkommen. Damit kann das Minenunternehmen grossen Profit generieren.
Doch Peehee Mu’huh ist viel mehr als das. Es liegt im Territorium der indigenen Gemeinschaften der Paiute und Shoshone, das Schauplatz eines schrecklichen Massakers an den Paiute durch die US-Kavallerie in 1865 war. Deshalb ist Peehee Mu’huh auch eine unantastbare Grabstätte mit jahrhundertealter kultureller und religiöser Bedeutung. Nun zerstört die Mine diesen bedeutungsreichen Ort und löscht damit auch für die Aufarbeitung der Schrecken so wichtige Erinnerung aus, wie McKinney betont. Darüber hinaus dient Peehee Mu’huh den Bewohner:innen als Quelle für Medizin und Grundnahrungsmittel und beheimatet unterschiedlichste Tier- und Pflanzenarten. Die Mine wird all dies zunichte machen, auch aufgrund der zu erwartenden Wasserknappheit: Die Mine wird dem Gebiet jährlich über sechs Milliarden Liter Wasser entziehen.
Dennoch werden den indigenen Gemeinschaften das Mitspracherecht abgesprochen und ihre Rechte auf ihr angestammtes Land missachtet. Die Gruppe «People of Red Mountain» wehrt sich deshalb mit dem Slo- gan «Leben über Lithium» gegen die Mine. Mit dieser Gruppe fordert McKinney Gerechtigkeit für die Natur und macht deutlich: «Wir wollen unsere vertraglichen Rechte endlich durchsetzen.»
Minen für eine grüne Wende
Der Bau der Lithiummine auf Peehee Mu’huh ist beispielhaft für die massive Zunahme an Lithiumminen. Das Mineral braucht es für die Herstellung der Lithium-Ionen-Batterien, die insbesondere für Elektromobile gebraucht werden. Damit gehört Lithium zu den sogenannten Übergangsmineralien, zu denen auch andere Mineralien wie Kupfer, Kobalt und Nickel zählen. Diese sind für den Übergang von der fossilen zur grünen Energie grundlegend. Entsprechend nimmt die Planung neuer Minen rasant zu – besonders in indigenen Gebieten. Laut einer Studie von 2022 befinden sich 54 Prozent der Minen für Übergangsmineralien auf oder in der Nähe anerkannter indigener Territorien, in den USA sind sogar 79 Prozent aller Lithiumminen auf oder in der Nähe indigener Gebiete. Einmal mehr sollen indigene Menschen für eine Wirtschaft bezahlen, die der Konsumgesellschaft dient.
Das Recht auf FPIC
Indigene Gemeinschaften können beim Bau solcher Minen meist nicht mitentscheiden. Fast immer missachten Unternehmen und Staaten das Recht auf FPIC (Free, Prior and Informed Consent). FPIC ist ein völkerrechtliches Instrument der UNO, um sicherzustellen, dass indigene Gemeinschaften freiwillig, frühzeitig und gut informiert den Unternehmen ihr Einverständnis für deren Aktivitäten geben. Dabei müssen sie immer die Möglichkeit haben, ihre Zustimmung zu einem Minenprojekt zu verweigern. FPIC beinhaltet also das Recht, nein zu sagen, es beinhaltet aber auch das Recht, ja zu sagen und vor allem die Konditionen der Nutzung zu bestimmen. Es ist höchste Zeit, dieses Recht auf indigene Mitsprache sowohl gegenüber staatlichen Behörden als auch Firmen durchzusetzen. Denn die grüne Wende ist bereits in vollem Gange und nicht nur auf Peehee Mu’huh, sondern auch andernorts werden Indigenenrechte beim Bau und Betrieb von Minen für Übergangsmineralien missachtet – mit weitreichenden Folgen für die dort lebenden Gemeinschaften.
Dies zeigt auch das Beispiel des Rohstoffkonzerns Nornickel, der auf der russischen Taimyr-Insel ohne die Zustimmung der betroffenen Gemeinschaften das Übergangs- mineral Nickel abbaut. Der Nickelabbau verursacht starke Luftverschmutzung und das Unternehmen entsorgt giftige Rückstände in der Tundra. Im Mai 2020 geschah die grösste Umweltkatastrophe der Arktis: Aufgrund nachlässiger Handhabung flossen 21’000 Tonnen Dieselöl in die umliegende Natur – ebenfalls indigenes Land – und verseuchten zwei Flüsse.
Auch in Solaranlagen und Windkraftanlagen sind Transitionsmineralien verbaut und entsprechende Grossprojekte benötigen weite Landflächen. So auch auf der norwegischen Halbinsel Fosen, auf der das Unter- nehmens Fosen Vind DA ohne Einverständnis der dort lebenden Gemeinschaft eine grosse Windkraftanlage betreibt. Diese macht grosse Teile der Winterwei- den der Rentiere unnutzbar und indigene Rentierzüchter:innen verlieren ihre Lebensgrundlage. Der oberste norwegische Gerichtshof erklärte die Anlage für illegal, doch die Turbinen drehen weiter.
Fortsetzung kolonialer Ausbeutung
Diese Fälle zeigen: Das Recht auf indigene Selbstbestimmung und Mitsprache ist grundlegend, damit der Übergang zu grünen Energien nicht die Probleme fortführt, die mit dem Siedlerkolonialismus begonnen haben und sich auch in der Erschliessung fossiler Brennstoffe zeigen: Indigenes Land wird ohne Mitentscheidung der dort lebenden Gemeinschaften ausgebeutet, die Rechte indigener Gemeinschaften für Profit missachtet, indigene Selbstbestimmung untergraben und kulturelle, spirituelle und religiöse Bedeutungen der indigenen Gebiete geopfert. Bei Peehee Mu’huh ist dies besonders deutlich: Die Umwelt wird langfristig zerstört und indigene Geschichte begraben, die Missachtung indigener Rechte jedoch fortgeführt – diesmal im Namen der grünen Transition.
Damit die grüne Transition nicht auf Missachtung indigener Selbstbestimmung aufbaut, muss ein grundlegendes Umdenken stattfinden: Die Klimakrise ist zu einem grossen Teil durch industrialisierte Gesellschaften und deren Umgang mit Ressourcen ausgelöst, nicht durch indigene Gemeinschaften. Dennoch sind sie überproportional von den verheerenden Folgen wie auch von den Folgen der bisherigen Lösungsansätze betroffen. Indigene Gemeinschaften müssen nicht nur aus Gründen ihres Rechts auf FPIC mitentscheiden – indigene Expertise muss im Mittelpunkt einer gerechten Transition stehen.
Text: Nadira Soraya Haribe, Praktikatin Schwerpunkt Wirtschaft und Menschenrechte, Reta Barfuss, Praktikantin Kommunikation
Foto: Chanda Callao/@Peopleofredmountain
Die Arbeit der GfbV zu Klimawende und Indigenenrechte
Die GfbV hat zu den im Artikel erwähnten Fällen Fosen und Nornickel bereits gearbeitet. Aufgrund der grossen Problematik des Themas wird sich die GfbV nun vermehrt mit den Zusammenhängen von Indigenen- rechte und der Grünen Wirtschaft auseinandersetzen. Die GfbV ist Teil der Koalition Securing Indigenous Peoples› Rights in the Green Economy (SIRGE). Diese hat als Ziel, die Indigenenrechte in der grünen Transition vollumfänglich zu sichern und für diese einzustehen. Von zentraler Bedeutung ist die Forderung nach dem Free, Prior und Informed Consent (FPIC) bei allen Aktivitäten, die im Zusammenhang mit der Grünen Wirtschaft Auswirkungen auf indigene Gemeinschaften haben. Dies betrifft sowohl die Wirtschaft als auch staatliche Behörden. Die SIRGE Koalition besteht aus den fünf Organisationen Cultural Survival, First Peoples Worldwide, Batani Foundation, Earthworks und der GfbV. Die Koalition wird durch ein Lenkungsgremium von ausschliesslich indigenen Vertreter:innen aus allen indigenen Grossregionen geführt.