China

#NoComplicity: Menschenrechte in China

China geht massiv gegen die Rechte der uigurischen und tibetischen Gemeinschaft vor. Der lange Arm Chinas reicht bis in die Schweiz. Die GfbV fordert mehr Verantwortung von Schweizer Politik und Wirtschaft.

Uigurische Lagerüberlebende erinnern die Schweiz an ihre Verantwortung

Unschuldig sperrten Chinas Sicherheitskräfte die Uigurinnen Gulbahar Jalilova und Gulbahar Haitiwaji in die menschenunwürdigen Zwangslager Ostturkestans (chin. Xinjiang). Seit sie frei  ind, kennen beide nur ein Ziel: die Welt wachrütteln, damit China zur Rechenschaft gezogen  wird. Dazu besuchten sie im Herbst die Schweiz,  eingeladen von der GfbV.

Die Uigurin Gulbahar Haitiwaji kontert Chinas Propaganda, indem sie öffentlich über ihre Haft im Zwangslager spricht. Credits: Übersetzung: Esma Mementin; Kamera, Schnitt: Tsering Gonpa

Unser Engagement für die uigurische Gemeinschaft

In den vergangenen Jahren hat China die Unterdrückung der uigurischen Gemeinschaft in der Region Ostturkestan (chinesisch Xinjiang) systematisch verschärft: Mindestens eine Million Menschen wurden in Umerziehungslagern und Gefängnissen ohne Gerichtsverfahren und auf unbeschränkte Zeit gefangen gehalten, wie im November 2019 die «China Cables» bewiesen.

«China versucht die Realität zu verschweigen und bezeichnet diese Lager als Berufsausbildungscamps. In der Wirklichkeit sind es moderne Konzentrationslager», sagt Dolkun Isa, Präsident des World Uyghur Congress. Die Angehörigen werden über den Verbleib inhaftierter Familienmitglieder meist im Dunkeln gelassen und damit eingeschüchtert, dass sich ihr Verhalten auf die Sicherheit ihrer Familienmitglieder auswirkt.

In China leben rund zehn Millionen Uiguren, die meisten von ihnen in Ostturkestan. Sie sind mit den Türken verwandt und muslimischen Glaubens. Seit der Gründung der Volksrepublik China 1949 wurde die Region Ostturkestan immer fester in den chinesischen Staat eingebunden. In der Schweiz leben rund 100 Uigur:innen.

Ein Uigure demonstriert mit Fotos seiner Familie vor der UNO in Genf. Seine Verwandten sind seit drei Jahren verschwunden - Informationen zu ihrem Verbleib gibt es nicht.

Der Präsident des Uigurischen Weltkongresses, Dolkun Isa, hat die traurige Gewissheit: Seine beiden Eltern sind in Zwangslagern in Ostturkestan verstorben. Hier spricht er an einem Podium der GfbV und der GstF zum Thema Menschenrechte in China in Bern.

Um die 10 Millionen Uiguren und Uigurinnen leben in Ostturkestan.

Wirtschaftliche Verflechtung und Abhängigkeit von China

Zeitgleich mit dem Ausbruch der globalen Corona-Krise ab Dezember 2019 zeigte sich schmerzlich die wirtschaftliche Verflechtung und Abhängigkeit der europäischen Länder mit und von China. Bei Ausbruch der Krise in China fehlten hier dringend benötigte Güter wie Atemschutz-Masken und auch in anderen Bereichen kam es zu langanhaltenden Lieferausfällen.

Diese wirtschaftliche Abhängigkeit hat einen weiteren Preis: Die Menschenrechte. Mindestens 2,6 Millionen Angehörige der uigurischen, kasachischen und weiteren Bevölkerungsgruppen werden in staatlich vermittelte Arbeitsplätze in ganz Ostturkestan und ganz China gezwungen. Gemäss den China Files sind 68 europäische Konzerne in Ostturkestan tätig – darunter auch Schweizer Unternehmen. Und laut einem Bericht des Australian Strategic Policy Institute (Aspi) wurden zwischen 2017 und 2019 über 80 000 Angehörige der uigurischen Gemeinschaft aus den Zwangslagern in andere Teile Chinas gebracht, wo sie unter strenger Überwachung für Zulieferer internationaler Firmen arbeiten müssen. Gemäss Aspi gehören diese Fabriken zu den Zuliefererketten von mindestens 83 bekannten internationalen und chinesischen Marken wie etwa Samsung, Sony, Microsoft, Nokia, Adidas, H&M, Lacoste oder Volkswagen.

Zudem kommen die meisten Schutzmasken in der Schweiz aus China. Ob sie aus Zwangsarbeit stammen, kann nicht ausgeschlossen werden – eine Recherche der New York Times ergab, dass zahlreiche chinesische Masken-Hersteller auf Zwangsarbeit setzen. Und eine Koalition von über 180 NGOs wies in einem Appell an die globale Kleiderindustrie darauf hin, dass mit grösster Wahrscheinlichkeit jedes fünfte Baumwollprodukt mit Zwangsarbeit und Menschenrechtsverletzungen in Ostturkestan in Verbindung steht. Denn China ist der grösste Baumwollproduzent der Welt, wobei 84 Prozent aus Ostturkestan stammen. Marken wie H&M, C&A oder Calvin Klein sollen für ihre Produkte Baumwolle aus der Region beziehen.

Die ethnische Kasachin Sayragul Sauytbay war Gefangene in einem chinesischen Internierungslager in Ostturkestan (chinesisch Xinjiang). Die GfbV begleitete Sauytbay zu Gesprächen im Schweizer Parlament, um dort ihre Forderungen an die Schweizer China-Politik zu platzieren.

Die ethnische Kasachin Sayragul Sauytbay war Gefangene in einem chinesischen Internierungslager in Ostturkestan (chinesisch Xinjiang). Die GfbV begleitete Sauytbay zu Gesprächen im Schweizer Parlament, um dort ihre Forderungen an die Schweizer China-Politik zu platzieren.

Schweiz-China: Kein «Business als usual!»

Zum Auftakt der Olympischen Winterspiele in Peking Anfang Februar 2022 verlieh die GfbV gemeinsam mit uigurischen und tibetischen Organisationen dem Bundesrat die Goldmedaille im Schweigen. Denn dass sich die Schweiz dem diplomatischen Boykott der Olympischen Spiele nicht anschloss, zeigt einmal mehr: Das Schweigen angesichts der Menschenrechtsverletzungen zieht sich wie ein roter Faden durch die Schweizer China-Politik. Sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft werden systematisch Wirtschaftsinteressen vor Menschenrechte gestellt.

  • Die Schweiz führt hinter verschlossenen Türen einen Menschenrechtsdialog mit China, der aus Sicht der GfbV keine ersichtlichen Veränderungen hervorbringt. Als Reaktion auf die Petition 2018 von der GfbV und tibetischen Organisationen in der Schweiz hat der Nationalrat dem Bundesrat 2021 eine Evaluation des Menschenrechtsdialogs in Auftrag gegeben.
  • Im Frühjahr 2021 verabschiedete der Bundesrat eine neue China Strategie. Die GfbV setzte sich zusammen mit den tibetischen und uigurischen Organisationen in der Schweiz dafür ein, dass diese Menschenrechte klar priorisieren muss. Der Nationalrat folgte 2021 dieser Forderung nach einer Neuausrichtung, die Vorlage scheiterte aber dann am Ständerat.
  • Seit März 2021 schweigt der Bundesrat eisern zu einer Übernahme der EU-Sanktionen gegen Verantwortliche aus der Volksrepublik China durch die Schweiz. Auch fehlte die Schweiz im Herbst 2021 als Mitunterzeichnerin auf einer Deklaration im Rahmen der UNO zu den Menschenrechtsverletzungen in Ostturkestan.
  • Auch gegenüber Unternehmen bleibt die Schweizer Regierung passiv. Auf Grundlage internationaler Standards müssten diese nämlich sowohl eigene Firmen, als auch Lieferketten, Kunden und Geschäftspartner in China auf Verbindungen zur Zwangsarbeit prüfen. Während andere Länder Exportkontrollen, Einfuhrsperren und Unternehmensrichtlinien veröffentlichen, weigert sich das Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft, konkrete Massnahmen zu ergreifen. Die GfbV veröffentlichte deshalb ein Grundlagenpapier.
  • Dass eine Selbstregulierung der Unternehmen nicht aussreicht, zeigt ein konkreter Fall: Ende 2021 hat die GfbV das Verfahren einer Beschwerde gegen die UBS beim Nationalen Kontaktpunkt (NKP) abgebrochen. Bei der Beschwerde ging es um die Geschäftsbeziehungen der UBS zum chinesischen Konzern Hikvision, der an der Überwachung der uigurischen Bevölkerung beteiligt ist. Grund für den Abbruch war die fehlende Bereitschaft der UBS, Verantwortung für ihre «Passive Investments» zu übernehmen.

Petition zum Freihandelsabkommen mit China

Video: Die Petition für eine Neuverhandlung des Freihandelsabkommens mit China wurde am 7. September 2020 eingereicht.

Im letzten Jahrzehnt hat sich die Schweiz China wirtschaftlich angenähert. Dies verdeutlicht das 2013 zwischen der Schweiz und China unterzeichnete Freihandelsabkommen, bei dem die Menschenrechte oder die Situation von Minderheiten nicht erwähnt wurden.

Das gegenwärtige Freihandelsabkommen mit China enthält keine griffigen Vereinbarungen, um zu verhindern, dass Produkte aus Zwangsarbeit oder anderen schweren Menschenrechtsverletzungen auf den Schweizer Markt gelangen und sogar mit Zollvergünstigungen belohnt werden. In einer Petition forderte die Gesellschaft für bedrohte Völker gemeinsam mit dem Uigurischen Verein Schweiz und Campax, dass die Schweiz das Freihandelsabkommen mit China zu Gunsten der Menschenrechte neu verhandelt.

Die Petition erhielt über 23 000 Unterschriften und wurde am 7. September 2020 eingereicht. Im Juni 2021 sprach sich die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats für eine Neuverhandlung des Freihandelsabkommens aus, das Anliegen konnte aber nicht weiter durchgesetzt werden.

Unser Engagement für die tibetische Gemeinschaft

Seit die Schweiz das Freihandelsabkommen mit China unterzeichnet hat, stellen die GfbV und Tibet-Organisationen zunehmenden Einfluss Chinas fest. Dieser wirkt sich auch auf die Grundrechte der Tibeterinnen und die Tibeter in der Schweiz aus – diese müssen geschützt werden.

Tibet wird seit über 60 Jahren von China kontrolliert; der Aufstand von 1959 wurde brutal niedergeschlagen und führte seither zur Flucht unzähliger Tibeterinnen und Tibeter. In der Schweiz lebt mit rund 7500 Mitgliedern die grösste tibetische Exilgemeinschaft in Europa. Im Kontext des Kalten Krieges wurden die tibetischen Flüchtlinge offen empfangen und sogar ein Tibet-Büro mit persönlicher Vertretung in Genf eröffnet.

In den letzten Jahren hat sich die Schweiz China angenähert. Dies verdeutlicht das 2013 zwischen der Schweiz und China unterzeichnete Freihandelsabkommen, bei dem die Menschenrechte oder die Situation von Minderheiten nicht erwähnt wurden.

Chinas langer Arm in die Schweiz

Die GfbV und Tibet-Organisationen in der Schweiz sind besorgt über die zunehmende Einflussnahme der chinesischen Regierung – auch in der Schweiz. Besorgnis erregen insbesondere die Verletzungen des Rechts auf freie Meinungsäusserung, des Rechts auf eigene Identität, des Rechts auf Bewegungsfreiheit sowie des Rechts auf Privatsphäre:

  • Freie Meinungsäusserung: Es ist in der Schweiz nicht immer möglich, sich zur Menschenrechtssituation in Tibet zu äussern. Kundgebungen und Veranstaltungen sind zunehmend mit Restriktionen verbunden (z.B. Staatsbesuch von Xi Jinping 2017).
  • Recht auf eigene Identität: Die Schweiz anerkennt in Ausweisen die tibetische Herkunft nicht mehr und führt nur noch „China“ als Herkunft auf.
  • Bewegungsfreiheit: In den letzten Jahren ist es für Tibeterinnen und Tibeter auch in der Schweiz schwieriger geworden, Reisedokumente zu erhalten. Personen, deren Antrag auf Reisepapiere von den chinesischen Behörden verweigert oder abgelehnt wird, können die Schweiz nicht verlassen.
  • Privatsphäre: Die chinesische Einflussnahme und die Überwachung der tibetischen Diaspora in der Schweiz nimmt zu. Dies wird auch vom Nachrichtendienst des Bundes bestätigt.

 Das tut die GfbV

Gemeinsam mit ihren Partnerorganisationen Verein Tibeter Jugend in Europa (VTJE), Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft (GSTF), Tibeter Gemeinschaft in der Schweiz und Liechtenstein (TGSL) sowie Tibetische Frauen-Organisationen (TFOS) hat die GfbV in einem Bericht die Situation der Tibeterinnen und Tibeter in der Schweiz aufgezeigt und im September 2018 eine Petition eingereicht. Darin fordern 11 330 Personen Bundesrat und Parlament dazu auf, die Rechte der Tibeterinnen und Tibeter in der Schweiz besser zu schützen.

Die Petition zeigte Erfolg: Die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates folgte 2021 den Anliegen der Petition mit zwei Postulaten. Diese verlangen nun vom Bundesrat einen detaillierten Bericht über die Situation der Tibeter:innen und Uigur:innen in der Schweiz sowie eine Evaluation des Menschenrechtsdialoges mit China.

Am 10. September 2018 konnten wir unsere Petition zum Schutz von Tibeterinnen und Tibetern in der Schweiz einreichen.

Tibeter in der Schweiz

Tibeterinnen und Tibeter in der Schweiz sind gut integriert. Doch ihre Situation hat sich in den letzten Jahren verschlechtert.

Ausserhalb von Tibet leben rund 145 000 Tibeterinnen und Tibeter, die Mehrheit von ihnen in Indien, Nepal und Bhutan. In der Schweiz leben rund 7500 Personen tibetischer Abstammung. Es ist die grösste tibetische Exilgemeinschaft Europas.

Die Sonderbeziehung zwischen der Schweiz und Tibet begann in den 1960er Jahren, als die Schweiz als europaweit erstes Land tibetische Flüchtlinge aufnahm. Im Kontext des Kalten Krieges wurden die tibetischen Flüchtlinge offen empfangen. Der Bundesrat erteilte 1963 eine Bewilligung für die Aufnahme von Tausend Flüchtlingen. 1964 gestattete er auf Anfrage des Dalai Lama die Eröffnung eines Tibet-Büros mit persönlicher Vertretung in Genf.

Tibetische Organisationen und die GfbV gehen jedoch davon aus, dass sich die Schweiz in den letzten Jahren China angenähert hat und dass dadurch das Engagement für die Einhaltung der Rechte der Tibeterinnen und Tibeter heute weniger im Fokus der Schweizer Regierung steht.

Menschen & Geschichten

Forderungen

Im Jahr 2020 feierten die Schweiz und China das 70. Jubiläum ihrer diplomatischen Beziehungen. Diese Verbindung zu Peking birgt jedoch auch eine hohe Verantwortung.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker fordert die Schweizer Politik und Behörden auf:

  • sich international in einer starken Allianz mit gleichgesinnten Staaten gegenüber der VR China proaktiv dafür einzusetzen, dass die Menschenrechte in China eingehalten werden, ganz besonders die Rechte der tibetischen und uigurischen Gemeinschaft;
  • in einer kohärenten Chinapolitik die universellen Menschenrechte auf allen Hierarchieebenen und in allen Angelegenheiten konsequent einzufordern.
  • In bilateralen Wirtschaftsabkommen und -kooperationen zwischen der Schweiz und der VR China (bspw. das Freihandelsabkommen, die Vereinbarung über die Belt and Road Initiative oder Finanzmarktkooperationen) die Einhaltung der Menschenrechte, Arbeitsrechte und die Rechte der Minderheiten ausdrücklich zu bekräftigen und durch Menschenrechtsklausen in Verträgen sicherzustellen;
  • konkrete Schritte einzuleiten, damit Angehörige der tibetischen und uigurischen Gemeinschaft in der Schweiz nicht überwacht oder eingeschüchtert werden;
  • Meinungsäusserungsfreiheit zur Situation in Tibet und Ostturkestan sowie zur Menschenrechtslage in China in der Schweiz uneingeschränkt zu gewährleisten;
  • Seine Heiligkeit den Dalai Lama bei seinem nächsten Besuch in der Schweiz vom Bundesrat offiziell zu empfangen.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker fordert Schweizer Unternehmen auf:

  • bei eigenen Firmen in der VR Chinas sowie bei Firmenbeteiligungen, Importen, Exporten und Finanzierungen im Zusammenhang mit der VR China eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung durchzuführen;
  • den eigenen Einfluss gegenüber Partnerfirmen in der VR China zu nutzen, um die Einhaltung der Menschenrechte zu fordern und im Falle von substantiellen Bedenken bspw. in Bezug auf Zwangsarbeit, die Zusammenarbeit zu beenden, wenn keine Verbesserung erreicht wird.

Kontakt

Kontaktperson bei der GfbV:

Selina Morell

Programmleiterin China

Tel. +41 (0)31 939 00 17

selina.morell@gfbv.ch  

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