31. August 2021

Medienmitteilung

Zwangsarbeit in Xinjiang: GfbV veröffentlicht Grundlagen-Papier für Schweizer Unternehmen

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) veröffentlicht heute eine erste Grundlage zur menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung in Bezug auf staatlich vermittelte Zwangsarbeit in der chinesischen Region Xinjiang (Ostturkestan). Das Papier wird Unternehmen betroffener Branchen und ihren Verbänden zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig fordert die GfbV den Bundesrat dazu auf, dem Beispiel anderer westlicher Staaten zu folgen und branchenübergreifende Richtlinien zum Umgang mit Zwangsarbeit in Xinjiang zu erlassen. Nur so kann der Bund Schweizer Firmen gegen Reputationsverluste absichern und die Einhaltung internationaler Menschenrechtsstandards glaubwürdig einfordern.

Seit 2018 häufen sich die Hinweise, dass die chinesische Regierung in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung in der Region Xinjiang auf staatlich vermittelte Zwangsarbeit setzt. So werden im Rahmen sogenannter 'Berufsbildung' unter anderem Häftlinge in Gefängnissen und Umerziehungslagern zur Arbeit gezwungen und sogenannte 'Absolventen' bei ihrer Entlassung unter erneuter Haftandrohung in Fabriken, auf Farmen oder anderen Arbeitsstellen platziert. Für verschiedene Schweizer Branchen besteht ein erhebliches Risiko von direkten Verbindungen zu Zwangsarbeit in ihren Lieferketten oder bei Geschäftskunden. Als erste Grundlage zur menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung veröffentlicht die GfbV in ihrem Papier daher unter anderem eine Liste mit besonders exponierten Branchen, nennt Erkennungsmerkmale von Zwangsarbeit und schlägt Umsetzungsschritte zur Erstellung eines chinaspezifischen Verhaltenskodex vor.

Bund verzichtet auf branchenübergreifende Richtlinien

Notwendigkeit für das Papier sieht die GfbV in der zögerlichen Herangehensweise der Bundesverwaltung: So rät der Bundesrat Unternehmen zwar zur äussersten Vorsicht und räumt ein, dass Kontrollen der Arbeitsbedingungen in Xinjiang im Moment kaum möglich sind. Er lehnt es bislang aber ab, Richtlinien zur menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung für Schweizer Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen nach Xinjiang zu erlassen. Damit unterscheidet sich die Schweiz einmal mehr von anderen westlichen Staaten, welche in den letzten Monaten entsprechende Weisungen erlassen haben. Stattdessen vertritt das SECO die Haltung, dass betroffene Branchen selbst Richtlinien erarbeiten müssen. Im Dialog mit unterschiedlichen Unternehmen und Verbänden stellte die GfbV aber fest, dass dies kaum umgesetzt wird und die Branchen zusätzlich dem Druck der chinesischen Regierung aussetzt. Auch die beiden unverbindlichen runden Tische, welche das SECO und das EDA mit der Textil- und der MEM-Branche einmalig in Bezug auf Xinjiang durchgeführt haben, reichen bei weitem nicht aus, um direkte Verbindungen zu Zwangsarbeit künftig auszuschliessen.

Einheitliche Regeln statt Reputationsverlust

Für zunehmende Unsicherheit sorgt die Tatsache, dass einige internationale Unternehmen, welche sich öffentlich gegen Zwangsarbeit in Xinjiang aussprachen, in China durch öffentlichkeitswirksame Kampagnen unter Druck gerieten. Im Juni 2021 wurde in China ausserdem ein Gesetz verabschiedet, womit Personen und Institutionen rechtlich belangt werden können, wenn sie Sanktionen gegen die Volksrepublik mittragen. Um den politischen Druck von exponierten Schweizer Unternehmen zu nehmen, fordert eine breit abgestützte Motion im Nationalrat branchenübergreifende Richtlinien zur Einhaltung von Menschenrechten in China. Auch der Verband Swissolar fordert, dass das SECO seine Führungsrolle wahrnimmt und Richtlinien zu Zwangsarbeit in Xinjiang veröffentlicht. «Diesen Forderungen muss der Bundesrat jetzt dringend Folge leisten – sonst verliert seine Wirtschafts- und Menschenrechtspolitik jegliche Glaubwürdigkeit», sagt Angela Mattli, Kampagnenleiterin der GfbV. «Dank klarer Weisung des Bundes könnten Unternehmen die Massnahmen gegen Zwangsarbeit gegenüber Geschäftspartnern in China mit den Erwartungen der Schweiz begründen und müssten sich dadurch nicht exponieren», ergänzt Mattli.

Schweizer Unternehmen in der Pflicht

Ein Bericht von Amnesty International vom Juni 2021 klassifiziert die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Organisation kommt aufgrund von Zeugenaussagen zum Schluss, dass Betroffenen kaum eine andere Wahl bleibt, als staatlich vermittelte Arbeitsplätze zu akzeptieren. Damit fallen die staatlichen Arbeitsvermittlungsprogramme unter die Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) für Zwangsarbeit. Schweizer Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen in die Region Xinjiang und in exponierten Sektoren in ganz China müssen gemäss den UNO-Leitprinzipien und den OECD-Leitsätzen sicherstellen, dass sie internationale menschenrechtliche Standards respektieren, auch wenn diese vom chinesischen Staat nicht eingehalten werden. Gemäss dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (2020-2023) sollen die Bundesverwaltung und die Wirtschaftsverbände Unternehmen in der menschenrechtlichen Sorgfaltsprüfung unterstützen. Die GfbV erwartet deshalb vom Bundesrat, dieser Pflicht nachzukommen und Richtlinien zu Zwangsarbeit in Xinjiang zu erlassen.

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