20. Dezember 2021
Medienmitteilung
Beschwerdeverfahren gegen UBS abgebrochen – GfbV sieht Handlungsbedarf bei den Finanzinstitutionen und beim NKP
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) bricht das Verfahren in der Beschwerde gegen die UBS beim Nationalen Kontaktpunkt (NKP) ab. Grund dafür ist die fehlende Bereitschaft seitens der UBS, Verantwortung für ihre «Passive Investments» zu übernehmen. Handlungsbedarf sieht die GfbV aber auch beim NKP selbst: Um seiner Funktion als Beschwerdeinstanz gerecht zu werden, muss er die Verantwortung des Finanzsektors bezüglich Menschenrechte und Umwelt umfassender angehen und formell festhalten, wenn eine Verletzung der OECD-Guidelines vorliegt.
Am 22. Juni 2020 reichte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) beim Nationalen Kontaktpunkt (NKP) für die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen Beschwerde gegen die Schweizer Grossbank UBS ein. Grund dafür waren die über einen Fonds bestandenen Geschäftsbeziehungen der UBS mit dem chinesischen Konzern Hikvision, dem weltweit grössten Entwickler und Hersteller von Überwachungstechnologien. Hikvision nimmt bei der Überwachung der uigurischen Bevölkerung in Ostturkestan (Chinesisch: Xinjiang) eine zentrale Rolle ein. Trotz erschütternder Berichte über die Internierungslager, in denen je nach Quelle 1-3 Millionen Uigurinnen und Uiguren ohne Anklage festgehalten und wo Überwachungstechnologien von Hikvision eingesetzt werden, behielt die UBS den Fonds in ihrem Angebot.
Fast eineinhalb Jahre nach der Einreichung der Beschwerde entschied sich die GfbV dazu, das Verfahren abzubrechen. Grund dafür ist folgender Handlungsbedarf, den die GfbV bei der UBS resp. beim NKP sieht:
- Die GfbV ist enttäuscht über die mangelnde Bereitschaft der UBS, mehr Verantwortung zu übernehmen. Sie ist der Meinung, dass die Sorgfaltsprüfung bezüglich Menschenrechtsverletzungen auch auf das «Passive Investment» und auf die «Nominee Shareholder», also der Verwaltung von Aktien ihrer Kunden, angewendet werden muss. Auch müssen bei allen Geschäften Ausstiegsklauseln gelten, die es der Bank oder ihren Kunden ermöglicht, aus Geschäften auszusteigen, wenn die Firmen in schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen oder massive Umweltschäden involviert sind. Die GfbV befürchtet, dass Banken sonst ihre Geschäfte mit umstrittenen Investitionen weiterführen, die Verantwortung über ihre Geschäfte aber an Aktionäre oder Kunden abgeben. Das ist deshalb problematisch, weil sich diese in der Anonymität des Bankgeheimnisses verstecken und oft die Risiken eines solchen Investments nur unzureichend einschätzen können.
- Der NKP hat nur Teile der im Juni 2020 eingereichten Beschwerde für das Mediationsverfahren akzeptiert. Denn nach Ansicht des NKP standen die UBS als Nominee Shareholder nicht in einer direkten Geschäftsbeziehung mit Hikvision. Eine Einschätzung des Hochkommissariats für Menschenrechte kommt hingegen zum Schluss, dass auch bei dieser Funktion eine Geschäftsbeziehung zwischen der Bank und der Firma besteht. Demnach gilt die Verpflichtung, Menschenrechte zu respektieren, auch für solche Geschäftsbeziehungen. Weiter kritisiert die GfbV, dass der NKP Schweiz im Gegensatz zu anderen Ländern keine Feststellung macht. Das heisst, der NKP nimmt keine formelle Beurteilung der Beschwerde vor, selbst wenn das Verfahren scheitert, sondern spricht lediglich Empfehlungen aus.
Im heute veröffentlichten Final Statement zeigt sich die UBS bereit, sich weiter mit der GfbV auszutauschen und die Problematik auch innerhalb der Branche zu diskutieren. Die GfbV begrüsst dies, doch sind das Selbstverständlichkeiten und können nicht als Erfolg der Beschwerde gedeutet werden. Daher schätzt die GfbV das Resultat dieser Beschwerde als enttäuschend ein.