04. April 2019
Medienmitteilung
Schweizer Sinti und Roma stellen klar: «Wir sind gegen das Wort Zigeuner»
Am 8. April wird weltweit der internationale Tag der Sinti und Roma begangen. Mit einer Foto-Aktion stellen Schweizer Sinti und Roma dieses Jahr klar: «Wir sind gegen das Wort Zigeuner». Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) unterstützt die Aktion und fordert Politik und Gesellschaft auf, auf diesen diffamierenden und abwertenden Begriff zu verzichten.
Schweizer Sinti und Roma nehmen den diesjährigen internationalen Tag der Sinti und Roma zum Anlass, um mit einer Foto-Aktion gegen die immer noch weit verbreitete Verwendung des Begriffs «Zigeuner» zu protestieren. «In der Schweiz wird der Begriff ‘Zigeuner’ allzu oft gedankenlos verwendet», sagt Igor Colić, Koordinator der Foto-Aktion. «Mit der Foto-Aktion wollen wir darauf aufmerksam machen, dass wir diesen Begriff als diffamierend erachten und dass darauf verzichtet werden soll. Wir sind Sinti und Roma und wollen auch so genannt werden.»
Im deutschsprachigen Raum ist der Begriff durch den nationalsozialistischen Völkermord geprägt, dem mindestens 500’000 Sinti und Roma zum Opfer fielen. Er gilt für Angehörige der Minderheiten als verletzende Fremdbezeichnung. In der Schweiz war «Zigeuner» bis in die 1990er Jahre eine Polizeikategorie: Bis in diese Zeit führte das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement ein «Zigeunerregister», worin die Behörden alle in der Schweiz aufgegriffenen Roma, Sinti und Jenische erkennungsdienstlich erfassten. Ebenso betrieb die Schweiz während über 600 Jahren eine repressive «Zigeunerpolitik»: Die Grenze war für ausländische «Zigeuner» bis 1972 gesperrt. Auch während des Zweiten Weltkrieges wurden verfolgte Sinti und Roma in der Schweiz nicht aufgenommen – viele von ihnen starben in Konzentrationslagern.
Vorurteile schüren für den Abstimmungskampf
Im Alltag wird der Begriff oft unbedarft verwendet. «In der Schweizer Gesellschaft ist die jahrhundertealte Verfolgungsgeschichte unserer Minderheiten wenig bekannt – auch weil die Vermittlung der Schweizer ‘Zigeunerpolitik’ nicht zum obligatorischen Schulstoff gehört», ergänzt Roma-Aktivistin Rina Caldari, welche die Foto-Aktion mitträgt. «Als Schweizer Romni möchte ich heute ein klares Zeichen setzen: Das Wort ‘Zigeuner’ ist für mich und viele andere nicht ok. Das gilt es zu respektieren.»
Die rassistische Hetze gegenüber Sinti und Roma hat in den letzten Jahren in der Schweiz stark zugenommen. Oft sind es Politikerinnen, Politiker und politische Parteien, welche Vorurteile gegenüber diesen Minderheiten bewusst schüren, um Wahl- und Abstimmungskämpfe zu gewinnen. «Wir stellen fest, dass in diesem Zusammenhang das Wort ‘Zigeuner’ bewusst verwendet wird, um Sinti, Roma und Jenische herabzusetzen», sagt Angela Mattli, Kampagnenleiterin bei der Gesellschaft für bedrohte Völker. «Dabei wird immer wieder nach Ausreden gesucht, um die Verwendung des Begriffes zu legitimieren. Mit der heutigen Foto-Aktion stellen Schweizer Sinti und Roma klar, dass dieser Begriff nicht mehr benutzt werden soll. Wir fordern Gesellschaft und Politik auf, diesem Anliegen nachzukommen.»