Menschen & Geschichten

«Wieder wollte man uns mit Gewalt zum Schweigen bringen»

Elle Rávdná

Aktivistin, Rentierzüchterin, Sámi-Aktivistin

Elle Rávdná bei der Besetzung des norwegischen Energieministeriums- Elle Rávdná bei der Besetzung des norwegischen Energieministeriums-

Interview: Basil Weingartner / Foto: Elle Rávdná (in der Bildmitte) während der Besetzung im Gespräch mit Journalist:innen.

Die Protest von Indigenen gegen illegale Windanlagen in Norwegen sorgen weltweit für Schlagzeilen. Eine der Besetzer:innen ist Elle Rávdná. Elle, du wurdest gestern (27. Februar 2023) von der Polizei aus dem norwegischen Energieministerium getragen wurden.

Wie geht es dir?

Mir geht es den Umständen entsprechend gut. Ich befinde mich aktuell vor dem Ministerium für Öl- und Energie. Wir, Sámi- und Klimaaktivist:innen, hatten dessen Lobby am vergangenen Donnerstag besetzt. In der Nacht auf Montag kam die Polizei. Nun blockieren wir den Haupteingang. Heute Morgen haben wir in einer Medienmitteilung bekannt gegeben, dass wir nicht nur den Zugang zum Energieministeriums, sondern auch zu den anderen Ministerien blockieren.

Die Polizei ist vor Ort und hat eben Personen vom Eingang des Finanzministeriums weggetragen. Wie viele Menschen seid ihr?

Das ist schwierig zu sagen. Am letzten Donnerstag waren wir 16 Personen. Doch jeden Tag kommen mehr dazu. Manchmal waren mehrere hundert Personen da. Darunter auch Greta Thunberg. Nachdem wird das Ministerium besetzt hatten, verbreiteten sich die Neuigkeit schnell. Das Ganze wurde immer grösser. So kam der Kontakt zu Greta zustande. Sie ist immer noch da, sie befindet sich aktuell gleich neben mir. Der Rückhalt für unseren Protest ist in ganz Norwegen gross.

Habt ihr damit gerechnet, dass es zu einer Räumung kommt?

Alle gingen davon aus, dass es tagsüber zu keiner Räumung kommt. Denn dann sind jeweils Medienvertreter da. Die Regierung wollte nicht, dass das Ganze noch grösser wird. Sie wollte das Ganze so beenden, wie sie es seit Jahrhunderten mit den Sámi macht: Sie hat uns mit Gewalt zum Schweigen bringen wollen.

Was löst das Vorgehen der Regierung bei dir als junge Sámi aus?

Es macht mich wütend. Niemand sollte mit dem Trauma aufwachsen müssen, sich immer wieder verteidigen und für seine Zukunft kämpfen zu müssen. Genau das müssen wir Sámi aber tun. Die Sami auf der Fosen-Halbinsel kämpfen beispielsweise seit 20 Jahren um ihre Zukunft. Aber ich bin nicht überrascht, dass das alles so läuft. Denn es war nie anders.

Kannst du etwas zur Situation auf Fosen sagen?

Dort wurden 151 Windturbinen auf traditionellem Rentierweideland errichtet. Die Menschen kämpfen dagegen – und gingen vor Gericht. Das Oberste norwegische Gericht sagte 2021, dass die Anlage gegen das Recht verstösst. Im Urteil schrieb das Gericht, die Anlage verletze die von der UNO verbrieften Rechte der Sámi. Die Anlage massive Auswirkungen auf die ansässigen Sámi-Familien. Wegen der Anlagen weiden die Tiere nicht mehr dort. Wenn wir Sámi kein Land mehr haben, wohin sollen wir gehen? Was viele nicht verstehen: Es geht nicht um Geld oder Energie, es geht um unser Leben und um unser Recht, zu existieren.

Auch das Schweizer Energieunternehmen BKW ist an der Anlage beteiligt. In einer Schweizer Zeitung sagt die Firma heute, der Betrieb der Anlagen sei «durch das Urteil nicht unmittelbar berührt».

Das ist schwach von der BKW. Fakt ist: Die Turbinen produzieren illegalen Strom und illegales Kapital. Ich als Firma würde nicht dabei sein wollen, wenn illegal produziert wird und deswegen Menschen ihre Existenz verlieren. Ganz grundsätzlich: Wenn im Wissen um die Konsequenzen für die Menschen solche Anlagen betreiben werden, ist das aus meiner Sicht nicht nur Neokolonialismus, sondern Genozid.

Wie geht es weiter mit eurem Protest?

Wir werden weiterhin die Eingänge und den Betrieb der Ministerien blockieren. Wir bleiben und protestieren so lange, bis sie unseren Forderungen stattgeben und die Windanlage wie vom Gericht angeordnet zurückbauen. Samische Aktivistin Elle Rávdná Näkkäläjärvi ist eine junge Sámi, die aus einer Rentierzüchterfamilie aus dem Norden Norwegens stammt. Sie setzt sich für die Rechte der indigenen Minderheit ein und ist Mitglied des Sámi-Jugendparlaments.

Sámi-Aktivistin

Elle Rávdná stammt aus einer Familie von Rentierzüchter:innen im Norden Norwegens. Sie setzt sich für die Rechte der indigenen Minderheit ein und ist Mitglied des Sámi-Jugendparlaments.

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