15. Dezember 2023
News
VW in China: Glaubwürdige Überprüfung betreffend Zwangsarbeit ist nicht möglich
Die kürzlich bekanntgewordenen Ergebnisse zum mangelhaften Audit in einer Fabrik in Ostturkestan (chin. Xinjiang), bei welcher der Autohersteller VW Anteile hält, zeigen: Eine unabhängige Überprüfung der Arbeitsbedingungen ist in Ostturkestan nicht möglich. VW muss sich konsequenterweise aus dem Gebiet vollständig zurückziehen.
In der uigurischen Region Ostturkestan in werden Uigur:innen, Kasach:innen und weitere Menschen in staatlichen Arbeitsprogrammen zu Arbeit gezwungen und müssen unter strenger Überwachung für die Zulieferer internationaler Marken arbeiten. Das Problem ist bekannt. Doch obwohl in den letzten Jahren westliche Firmen Massnahmen gegen Zwangsarbeit ergriffen haben, können sie immer noch nicht für saubere Lieferketten garantieren.
Die Schwierigkeiten zeigen sich auch beim Fall der Tochterfirma des Autoherstellers VW. Am 5. Dezember wurden die lange erwarteten Ergebnisse des Audits einer VW-Fabrik in Urumchi, der Hauptstadt von Ostturkestan, veröffentlicht. Die Volkswagen AG ist zwar nur Minderheitseignerin des Werks; Haupteigner ist ihr Joint-Venture Partner SAIC, ein chinesisches Staatsunternehmen. VW steht aber seit Jahren in der Kritik, da es an diesem Werk festhält.
Das Audit wurde von der Beratungsfirma des ehemaligen Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning (Loening- Human Rights & Responsible Business GmbH), durchgeführt, in Zusammenarbeit mit einer chinesischen Anwaltskanzlei. Der Bericht des Audits ist nicht öffentlich einsehbar, es wurde jedoch kommuniziert, dass es in der Fabrik keine Hinweise oder Beweise für Zwangsarbeit gebe. Man habe die Fabrik frei begehen dürfen, gab Löning bekannt. Im Werk habe man keine besonderen Sicherheitsmassnahmen festgestellt, auch in den Arbeitsverträgen und Gehaltszahlungen aller 197 Mitarbeitenden der vergangenen drei Jahre sei man auf keine Hinweise auf Zwangsarbeit gestossen. Zusätzlich wurden 40 Interviews mit Angestellten geführt.
Unabhängige und kritische Audits sind in China nicht möglich
Der VW-Rechtsvorstand Manfred Döss zeigte sich in Medienberichten über diese Ergebnisse erleichtert – und doch sind sie das falsche Instrument, um Zwangsarbeit in Ostturkestan zu entdecken und bekämpfen. Der VW-Audit wurde Monate im Voraus angekündigt und konnte erst mit der Zustimmung von SAIC stattfinden. Es gibt in Ostturkestan gegenwärtig keine Möglichkeit einer unabhängigen und kritischen Überprüfung. Daher ist der Ausstieg aus der Region für VW die einzige Möglichkeit, um jeglichen Verdacht auszuräumen. Und auch für andere Branchen darf der Rückgriff auf die Durchführung von Audits nicht zum Vorwand werden, weiterhin in der Region Ostturkestan aktiv zu sein.
«In einer Region, in der Millionen von Uigur:innen unter umfassender Überwachung stehen und für Worte oder Äusserlichkeiten, die nicht den Idealen der Kommunistischen Partei entsprechen, auf unbestimmte Zeit interniert, gefoltert und schwer misshandelt werden, ist ein glaubwürdiges, unabhängiges Audit einfach nicht möglich», sagt Gheyyur Kuerban, Berliner Direktor des Uigurischen Weltkongresses. «Jeder dort weiss, dass ein falsches Wort lebensbedrohliche Folgen für ihn selbst oder seine Familie haben kann.» Zahlreiche internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wie TÜV Süd, Bureau Veritas und Worldwide Responsible Accredited Production (WRAP) sind in der uigurischen Region nicht mehr tätig: Ihrer Einschätzung nach sind dort unabhängige und glaubwürdige Audits nicht mehr möglich. Nach Angaben von Human Rights Watch haben sich die auditierenden Unternehmen über die extreme Überwachung, die Verfolgung von physischen und digitalen Bewegungen und den Einsatz von Gesichtserkennung beschwert. China ist in letzter Zeit hart gegen Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen vorgegangen. Bei einer Razzia in der Pekinger Niederlassung der US Firma Mintz wurden im März fünf lokale Mitarbeiter:innen verhaftet. Die Firma wurde kurz darauf zu einer Geldstrafe von 1.5 Millionen Dollar verurteilt, unter anderem wegen «auslandsbezogenen statistischen Untersuchungen» im Zusammenhang mit der Region Ostturkestan.
«VW hält vermutlich an dem betroffenen Werk fest, um die chinesischen Konsument:innen nicht zu verärgern. Denn diese haben in der Vergangenheit wiederholt Marken boykottiert, die auf Berichte über Menschenrechtsverletzungen in Ostturkestan reagiert haben», sagt Selina Morell, Programmleiterin China bei der GfbV. VW hat in den 1970er Jahren als eines der ersten westlichen Unternehmen in China Fuss gefasst. Mittlerweile kämpft es angesichts der wachsenden Konkurrenz durch einheimische Marken um seine Position. Selina Morell fordert: «Schweizer Autoimporteure sollten auf Grundlage der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen zur verantwortungsvollen Unternehmensführung ihren Einfluss nutzen, um VW zu einem Ausstieg aus der Region zu bewegen.»