10. Dezember 2023

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Offener Brief an Bundesrat fordert Einsatz für Menschenrechte gegenüber China

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Handelsinteressen nicht stärker gewichten als Menschenrechte: Gemeinsam mit uigurischen und tibetischen Partner-Organisationen überreicht die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) zum Tag der Menschenrechte, dem 75. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR), dem Bundesrat einen Offenen Brief. Darin machen die unterzeichnenden Organisationen auf die massiven Menschenrechtsverletzungen an Uigur:innen und Tibeter:innen durch die chinesische Regierung aufmerksam und fordern von der Schweiz konkrete Massnahmen.

Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft, Tibetische Frauen-Organisation in der Schweiz, Tibeter-Gemeinschaft in der Schweiz & Liechtenstein, Uigurischer Verein Schweiz, Unrepresented Nations and Peoples Organization, Verein Tibeter Jugend in Europa, Weltkongress der Uiguren, Gesellschaft für bedrohte Völker Schweiz

An Herrn Bundesrat Ignazio Cassis
Bern, 10. Dezember 2023

China: Handelsinteressen nicht stärker gewichten als Menschenrechte!

Sehr geehrter Herr Bundesrat Cassis

Wir, die acht unterzeichnenden Organisationen, möchten Sie am 75. Jahrestag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) auf die massiven Menschenrechtsverletzungen an Uigur:innen und Tibeter:innen durch die chinesische Regierung hinweisen und fordern konkrete Massnahmen.

Am 10. Dezember 1948 wurde in Paris die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verkündet: «Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.» Die Erklärung enthält unter anderem das Verbot der Sklaverei, das Verbot der Folter oder das Verbot willkürlicher Festnahme und Haft, und sie garantiert die Meinungs- oder Religionsfreiheit. Als Vorgängerin der heutigen Volksrepublik China (VRC) hat auch die Republik China die Erklärung  atifiziert. Die Regierung der VRC bezieht sich bis heute häufig auf sie, verletzt aber gleichzeitig die eben aufgeführten Grundrechte systematisch.

Die Menschenrechtssituation in der VRC hat sich in den vergangenen Jahren stark verschlechtert. Die Regierung operiert von Jahr zu Jahr noch autoritärer. Laut dem UN-Hochkommissar für Menschenrechte gilt 2023 «nach Syrien (...) China als das Land mit den schwersten Verstössen gegen zivile und  politische Rechte». Besonders betroffen davon sind Uigur:innen und Tibeter:innen. Wir fordern den Bundesrat dazu auf, sich konsequent für die in der AEMR enthaltenen Grundsätze einzusetzen und folgende Empfehlungen hierbei besonders zu berücksichtigen:

1. Menschenrechte schützen, Selbstbestimmung und Glaubensfreiheit einfordern

Die Schweiz muss die Verbrechen, welche die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) unter anderem an den Tibeter:innen und Uigur:innen begeht, bereichsübergreifend auf allen Ebenen, sowohl öffentlich als auch im vertraulichen Rahmen, verurteilen. Insbesondere muss der Bundesrat die Einmischung der KPCh in religiöse Praktiken und die Selbstbestimmung religiöser Gemeinschaften thematisieren. Er sollte einen regelmässigen Austausch mit Menschenrechtsverteidiger:innen, Vertreter:innen von Nichtregierungsorganisationen und Betroffenen von Menschenrechtsverbrechen, zum Beispiel im Rahmen eines alternativen Menschenrechtsdialogs zu China, durchführen. Zudem fordern wir, dass für die China-Strategie,
die 2024 ausläuft, ein überarbeitetes Strategiepapier verabschiedet wird, in dessen Ausarbeitung Betroffenen- und Menschenrechtsorganisationen umfangreich und substantiell miteinbezogen werden.

2. Der chinesischen Propaganda begegnen, Einflussnahme verhindern

Die Schweiz muss sich stärker aufstellen gegenüber Einflussnahme und Druckausübung durch die Regierung der VRC und die KPCh. Die tibetische und uigurische Diaspora sowie Aktivist:innen in der Schweiz müssen besser geschützt werden, etwa durch das Strafrecht sowie durch Öffentlichkeitsarbeit zu dessen Anwendung. Um die chinesische Einflussnahme besser zu verstehen, muss die Chinakompetenz auf verschiedenen Ebenen koordiniert und gebündelt werden. Einen massgeblichen Beitrag dafür könnte der Aufbau von unabhängigem Wissen rund um die VRC innerhalb eines Kompetenzzentrums leisten. Nicht zuletzt müssen für die Entgegennahme von Zuwendungen aus der VRC an Politik, Wissenschaft, Medien, Verbänden etc. strikte Transparenzregeln festgelegt werden.

3. Menschenrechtsverbrecher:innen zur Verantwortung ziehen

Die Schweiz ist stolz auf ihre humanitäre Tradition, die unter anderem auf den Werten der AEMR basiert. Diese Werte soll der Bundesrat gegenüber China selbstbewusst vertreten und sich keinen Maulkorb geben lassen. Dadurch sendet die Schweiz auch ein klares Zeichen an ihre engsten Handels- und Wertepartner in der EU und den USA. Es braucht zudem einen Grundsatzentscheid über thematische Sanktionen, deren Übernahme die Schweiz von Fall zu Fall beurteilen will. Die Stärkung des internationalen Menschenrechtssystems und von Accountability-Mechanismen bleibt zentral, insbesondere soll sich die Schweiz für die Ernennung eines UN-Sonderberichterstatters für China und Folgemassnahmen zum UN-Bericht zur Lage der Uigur:innen und der Tibeter:innen einsetzen.

4. Abhängigkeiten reduzieren, Unternehmensverantwortung stärken

Die Schweiz muss ihre Abhängigkeiten von China besonders in den Bereichen reduzieren, wo klare Belege für Menschenrechtsverletzungen vorliegen. Ausserdem sollte die Schweiz einen Mechanismus ähnlich dem Uyghur Forced Labour Prevention Act (USA) zum Verbot der Einfuhr von Produkten aus Zwangsarbeit erlassen. Weiterhin müssen auch Investitionen durch Schweizer Akteure in chinesische Firmen sowie Exporte von Produkten nach China streng dahingehend überprüft werden, ob diese zu Menschenrechtsverletzungen beitragen. Gerade im gegenwärtigen Kontext der ungeklärten Beziehungen zur EU ist es ratsam, sich enger mit den engsten Handelspartnern in Bezug auf den Umgang mit China abzustimmen. Um starke Abhängigkeiten von China generell zu reduzieren, sollte der Bundesrat geeignete Massnahmen für eine Diversifikation von Lieferketten ergreifen.

Anlässlich des Internationalen Tags der Menschenrechte erinnern wir, als von der Gewalt und Unterdrückung durch das chinesische Regime betroffene Gemeinschaften, an die enorme Wichtigkeit und Schlagkraft der AEMR. Angesichts der drohenden kulturellen Auslöschung der tibetischen und uigurischen Gemeinschaft hat sie ihre Aktualität nicht verloren, im Gegenteil. Und wir fordern den Bundesrat dazu auf, sich kompromisslos für die in der Konvention enthaltenen Grundsätze einzusetzen - ganz besonders gegenüber mächtigen autoritären Staaten wie der VRC. Die Schweiz darf sich nicht weiter hinter dem Vorwand des «Dialogs» verstecken, Neutralität darf nicht als Vorwand für Passivität missbraucht werden.

Wir danken Ihnen für die Berücksichtigung unserer Anliegen.
Freundliche Grüsse,
die oben aufgeführten Organisationen

 

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