10. Januar 2023
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Indigenenrechte in Brasilien: Lula macht vorwärts
Bild: Die neue Ministerin Sônia Guajajara bei einer früheren Pressekonferenz indigener Delegierter aus Brasilien in Bern
In den ersten zwei Wochen seiner Amtszeit hat Brasiliens neuer Präsident Luiz Inácio Lula da Silva ein Wahlkampfversprechen eingelöst und ein Ministerium für Indigene geschaffen. Zudem hat er verschiedene weitere Massnahmen für die Rechte indigener Gemeinschaften ergriffen. Doch die Angriffe von Bolsonaro-Anhänger:innen zeigen, dass die Lage fragil ist.
«Dass der neue Präsident Lula gleich bei Amtsantritt die Situation der Indigenen Brasiliens als Priorität behandelt, stimmt hoffnungsvoll», sagt Julia Büsser, Programmleiterin bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Der vorherige Präsident Jair Bolsonaro hatte die Rechter indigener Gemeinschaften mit neuen Gesetzesentwürfen, der Untergrabung der zuständigen Behörden und der Ausbeutung des Amazonas-Regenwalds systematisch eingeschränkt. «Indem Lula Bolsonaros Massnahmen entgegentritt, hält er ein Wahlversprechen ein», so Julia Büsser.
Das unter Lula da Silva neu geschaffene Ministerium für Indigene soll nun die Rechte indigener Gemeinschaften in Brasilien schützen und durchsetzen. Die indigene Menschenrechts- und Umweltaktivistin und ehemalige Koordinatorin der Indigenendachorganisation APIB (Articulação dos Povos Indígenas do Brasil) Sônia Guajajara wird das neue Ministerium leiten. Guajajara setzt sich seit Jahren für die Rechte indigener Gemeinschaften ein und übte scharfe Kritik an der Politik Bolsonaros.
Mit Guajajara besetzt nun zum ersten Mal in der Geschichte Brasiliens eine indigene Frau ein Minister:innenamt. Luiz Eloy Terena, Rechtsberater der APIB, wird der Exekutiv Sekretär des Ministeriums für Indigene. Sowohl Guajajara als auch Terena haben immer wieder intensiv mit der GfbV zusammengearbeitet und sind auf deren Einladung in die Schweiz gereist. Zu ihrer Ernennung als Ministerin lässt Guajajara verlauten, «Das ist mehr als eine persönliche Errungenschaft. Es ist eine kollektive Errungenschaft der Indigenen, ein historischer Moment der Wiedergutmachung in Brasilien».
Die Errungenschaften indigener Gemeinschaften zeigt sich nicht nur an der Ernennung einer indigenen Ministerin. Sie zeigen sich auch daran, dass indigene politische Behörden unter der neuen Regierung mehr Mittel erhalten, ihr politischer Einfluss gestärkt werden soll und indigene Menschen diese leiten werden.
So untersteht die Indigenenschutzbehörde (Fundação nacional dos Povos Indígenas Funai (ehemals Fundação Nacional do Indio)) neu der indigenen Bundesabgeordneten Joênia Wapichana und wird dem Ministerium für Indigene angegliedert. Auch das Sondersekretariat für indigene Gesundheit (Sesai) wird unter der Leitung des indigenen Aktivisten und Rechtsanwalts Weibe Tapeba Teil des neuen Ministeriums. Die Einbindung indigener Akteur:innen in die Regierung folge der «ethischen und politischen Verpflichtung, Wiedergutmachung für das zu leisten, was den indigenen Völkern angetan wurde», sagte der neue Präsident.
Um dieser ethischen und politischen Verpflichtung nachzukommen hat Lula da Silva weitere Schritte unternommen: Eine seiner ersten Amtshandlungen bestand darin, mehr als zehn der unter Bolsonaro unterschriebenen Dekrete aufzuheben, darunter ein Gesetzesentwurf, der den Bergbau in indigenen Gebieten vorantreiben sollte. Ebenso rief Lula da Silva den Amazonien-Fonds für Wald- und Klimaschutz wieder ins Leben und kündigte an, in den ersten dreissig Tagen seiner Amtszeit den Anerkennungsprozess dreizehn indigener Gebiete abzuschliessen, ein Prozess, den Bolsonaro auf Eis gelegt hatte.
Doch obwohl Lula da Silva mit seinen ersten Amtshandlungen grosse Hoffnungen weckt, bleibt die Zukunft ungewiss und der Weg für Indigenenrechte steinig. Dies zeigt der gewaltsame Sturm von Bolsonaro-Anhänger:innen auf das brasilianische Regierungsviertel am letzten Sonntag. Zudem hat auch Lula da Silva in seiner ersten Amtszeit Infrastrukturprojekte ungeachtet deren sozio-ökonomischen Folgen vorangetrieben und ist auch im jüngsten Wahlkampf nicht vor Allianzen mit der Agrarlobby zurückgeschreckt, denen der Schutz indigener Rechte und Gebiete ein Dorn im Auge ist.
«Die brasilianische Politik ist zutiefst zerrissen, geprägt von einem populistischen Wahlkampf und Lula steht in beiden Parlamentskammern einer Mehrheit der rechtsgerichteten Bolsonaro-Anhänger gegenüber, die Gesetzesvorhaben blockieren können», sagt GfbV-Kampagnenleiterin Julia Büsser. Umso wichtiger bleibt der Einsatz von Indigenen- und Umweltschutzorganisationen. Die GfbV wird gemeinsam mit ihren Partner:innen genau hinschauen und auch in Zukunft dafür einstehen, dass indigene Rechte anerkannt und durchgesetzt werden.