04. November 2016

Medienmitteilung

Sri Lanka: Die Menschenrechtslage verschlechtert sich besorgniserregend

In Sri Lanka hat es die neue Regierung nicht geschafft, die Hoffnungen der Bevölkerung – vor allem der Minderheiten – zu erfüllen. Im Oktober wurden in Jaffna zwei Studenten ermordet, es kam zu Entführungen und gewaltsamen Zusammenstössen zwischen Marine und Dorfbewohnern. Zudem will die sri-lankische Regierung ein neues Gesetz einführen, das einen grossen Rückschritt für die Einhaltung der Menschenrechte bedeuten würde. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) fordert die Schweiz auf, das gerade erst unterschriebene Migrationsabkommen mit Sri Lanka zu sistieren, falls dieses Gesetz umgesetzt wird.

Die Hoffnungen waren gross, als im Januar 2015 in Sri Lanka eine neue Regierung gewählt wurde. Seither ist es zwar in der Versammlungs- und Pressefreiheit zu punktuellen Verbesserungen gekommen. In anderen Bereich ist die Regierung der Bevölkerung viel schuldig geblieben: Folter ist weiterhin an der Tagesordnung, die Militarisierung bleibt hoch und die Überwachung und Einschüchterung von Zivilgesellschaft und Lokalbevölkerung durch Sicherheitskräfte hat sich 2016 sogar noch intensiviert. Auch sind weiterhin etwa 160 politische Gefangene in Haft sowie grosse Gebiete vom Militär besetzt. Das Vertrauen in die neue Regierung ist enorm gesunken.

Polizei erschiesst zwei tamilische Studenten

Im Monat Oktober nahm die Entwicklung aus Sicht der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) einen besorgniserregenden Verlauf: Anfang Oktober wurde der bekannte Menschenrechtsaktivist Ruki Fernando kurzzeitig am Flughafen verhaftet. Es existieren Berichte von mindestens zwei White-Van-Entführungen im tamilisch dominierten Norden des Landes alleine im Oktober. White-Van-Entführungen sind Entführungen durch bewaffnete Unbekannte in einem weissen Lieferwagen ohne Autonummer. In einem Dorf bei Mannar ist es nach Raubüberfällen von Marinesoldaten zu gewalttätigen Zusammenstössen zwischen Marinesoldaten und Dorfbewohnern gekommen. Anstatt eine unabhängge Untersuchung einzuleiten, untersucht die Polizei nur die Verfehlungen der Dorfbewohner.

Auf der Jaffna-Halbinsel erschoss die Polizei am 20. Oktober 2016 zwei tamilische Studenten und versuchte, einen Unfall vorzutäuschen. Erst als man Kugeln in den Körpern fand, wurde eine Untersuchung eingeleitet. Die Polizei versuchte danach, die Familie eines der Opfer unter Druck zu setzen, damit sie keine Anklage einreichen. „All diese Fälle müssen im Zusammenhang mit der anhaltenden Militarisierung angesehen werden. Falls es Sri Lanka nicht schafft, den Sicherheitssektor zu reformieren und mit der Straflosigkeit zu brechen, wird sich die Situation weiterhin verschlechtern“, sagt GfbV-Kampagnenleiter Yves Bowie, der kürzlich aus Sri Lanka zurückgekehrt ist.

Ein geplantes Gesetz gefährdet die Versöhnung

In den letzten Wochen gelangte ein Entwurf für ein neues Antiterrorismusgesetz („Counter Terrorism Act“ CTA) an die Öffentlichkeit, das noch schlimmere Auswirkungen als das aktuelle drakonische Gesetz hätte. Grosse Schäden für Wirtschaft und Umwelt sollen neu als Terrorismus definiert werden. Dies könnte beispielsweise auch auf Aktivisten angewendet werden, welche sich für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte einsetzen. „Mit diesem Gesetz wird versucht, Oppositionelle, Regierungskritiker und Menschenrechtsaktivisten zum Schweigen zu bringen“, sagt Yves Bowie. „Wenn es umgesetzt wird, bedeutet dies einen grossen Rückschritt im Versöhnungsprozess.“

Die GfbV fordert die Schweiz auf, die Asylpraxis aufgrund der neusten Entwicklungen anzupassen, keine Zwangsrückführungen durchzuführen und das kürzlich unterschriebene Migrationsabkommen mit Sri Lanka zu sistieren, falls das neue Antiterrorismusgesetz in Kraft tritt.

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