23. Mai 2017
Medienmitteilung
Ethnische Spannungen gefährden Versöhnung in Sri Lanka
Mit Besorgnis stellt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) fest, dass Sri Lanka derzeit grosse Rückschritte im Versöhnungsprozess macht. Einerseits wurde eine Gedenkveranstaltung für die tamilischen Opfer des Bürgerkrieges, welche für den 18. Mai geplant war, verboten. Andererseits ist es zu gewalttätigen Übergriffen gegen Geschäfte und Moscheen der muslimischen Minderheit gekommen. Zusätzlich hat die Regierung ein neues Antiterrorismusgesetz verabschiedet, welches dem Staat die Mittel gibt, weiterhin Menschenrechte im Namen der Terrorbekämpfung zu verletzen.
Die Hoffnung der muslimischen und tamilischen Minderheiten war gross, als im Januar 2015 eine neue Regierung gewählt wurde. Sie hofften auf eine nachhaltige Versöhnung zwischen den verschiedenen Ethnien. «Leider hat sich ihre Hoffnung bis heute nicht erfüllt. Die jüngsten Ereignisse zeigen, dass der Versöhnungsprozess enorm gefährdet ist“, sagt Yves Bowie, Kampagnenleiter Sri Lanka bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV).
Verbot einer Gedenkveranstaltung
Am 18. Mai hat sich das Massaker von Mullivaikkal, wo nach UNO-Schätzungen bis zu 70’000 Menschen getötet wurden, das achte Mal gejährt. Zum Gedenken an die Opfer war in diesem Ort eine friedliche Gedenkveranstaltung geplant, welche von der tamilischen Zivilgesellschaft unter der Leitung von Priester und Menschenrechtsaktivist Elil Rajendran organisiert wurde. Namen der Opfer wurden in Steine gemeisselt, um damit eine Gedenkstätte für die tamilischen Opfer des Bürgerkrieges errichten. Zwei Tage vor der geplanten Veranstaltung wurde der Anlass von einem lokalen Gericht verboten, weil er „die nationale Versöhnung und innere Sicherheit gefährde“. Denn unter den Namen sollen sich auch LTTE-Kämpfer befinden. Elil Rajendran selbst wurde in diesem Zusammenhang von Sicherheitskräften belästigt und eingeschüchtert. «Das Verbot der Gedenkveranstaltung und die Einschüchterungen von Priester Elil Rajendran ist ein grosser Rückschritt im Versöhnungsprozess», kritisiert Yves Bowie.
Musliminnen und Muslime unter Beschuss
Ebenfalls sehr besorgniserregend und gefährlich ist die rassistische Kampagne von buddhistischen Mönchen gegen die muslimische Minderheit, welche in den letzten Wochen wieder an Fahrt aufgenommen hat. Unter der Führung der buddhistischen Organisation «Bodu Bala Sena» (BBS) ist es zu mehreren Hassreden gegen Musliminnen und Muslime gekommen. In jüngster Zeit hat es vermehrt Angriffe auf muslimische Einrichtungen gegeben: Mehrere Moscheen und Geschäfte wurden angezündet – bisher hat die Regierung untätig zugesehen. «Die Regierung muss gegen die Übergriffe vorgehen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, damit es nicht zu einem Pogrom gegen die muslimische Minderheit kommt», fordert Yves Bowie.
«Counter Terrorism Act» gefährdet die Meinungsfreiheit
Schliesslich hat die Regierung im Schnellverfahren ein neues Antiterrorismusgesetz verabschiedet, ohne Zivilgesellschaft und politische Parteien zu konsultieren. Dieser «Counter Terrorism Act» (CTA) soll das drakonische, von Menschenrechtsorganisationen stark kritisierte «Prevention of Terrorism Act» (PTA) ersetzen. Allerdings entspricht auch dieses neue Gesetz nicht internationalen Standards. Die Definition von Terrorismus wurde so erweitert, dass das Sammeln und Verbreiten von Informationen über Menschenrechtsrechtsverletzungen als terroristische Aktivität gelten würde. Dies würde zu enormen Einschränkungen der Meinungsfreiheit führen und die Menschenrechtsarbeit stark beeinträchtigen.
Forderungen der GfbV
Die GfbV fordert die Schweizer Regierung auf, die in der Diplomatie üblichen Massnahmen zur Entspannung der Situation in Sri Lanka zu ergreifen. Falls das neue Antiterrorismusgesetz in dieser Form in Kraft gesetzt wird, muss die Schweiz das Migrationsabkommen mit Sri Lanka sistieren, das die beiden Länder am 4. Oktober 2016 unterzeichneten.