09. April 2014

Medienmitteilung

Roma, Sinti und Jenische in der Schweiz: Stopp Antiziganismus

Roma, Sinti und Jenische sind Minderheiten, die in der Schweiz oft Vorurteilen und Diskriminierungen ausgesetzt sind: Bettelei, Kriminalität, Prostitution und Asylmissbrauch sind Begriffe, die oft in einem Atemzug mit Roma genannt werden. Eine Studie über die Berichterstattung in Schweizer Medien zu Roma und Jenischen kommt zum ernüchternden Schluss, dass jeder achte analysierte Beitrag diskriminierend ist. Das muss sich ändern.

Die Roma, Sinti und die Jenischen sind eine sehr heterogene Gruppe. Nur noch ein kleiner Teil von ihnen ist fahrend. 35000 Jenische (davon 3000 bis 5000 Fahrende), 50000 Roma (davon einige hundert Fahrende) und einige Manouches-Familien leben in der Schweiz. Der Grossteil dieser Gruppierungen ist sesshaft, «unsichtbar» und hat sich somit bestens in die Schweizer Mehrheitsgesellschaft integriert. Die Fahrenden hingegen werden oft als Fremdkörper wahrgenommen.

Für die unheilvolle Kombination von struktureller Diskriminierung und kultureller Stigmatisierung von Roma, Sinti und Jenischen hat sich in der Geschichts- und Sozialwissenschaft seit einigen Jahren eine neuer Begriff etabliert: Antiziganismus. Bernhard C. Schär und Béatrice Ziegler bringen die Merkmale des Antiziganismus in dem im Januar erschienen Buch «Antiziganismus in der Schweiz und in Europa» (siehe Kasten) folgendermassen auf den Punkt: Wie viele Formen des Rassismus funktioniert auch der Antiziganismus ohne reale Anwesenheit der Betroffenen. Wo es keine Roma, Sinti und Jenischen gibt, erfindet der Antiziganismus welche. Wie viele Formen des Rassismus ist der Antiziganismus jenen, die ihn äussern, nicht immer bewusst. Zudem lässt der Antiziganismus die Betroffenen kaum zu Wort kommen.

Roma und Jenische in Schweizer Medien

Diese Tendenz schlägt sich insbesondere in der Medienberichterstattung über Roma, Sinti und Jenische in der Schweiz nieder. Das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) hat im Auftrag der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) eine Studie zu Antiziganismus in den Schweizer Medien durchgeführt. Die Autoren der Studie, welche im Dezember 2013 veröffentlicht wurde, haben im Rahmen der Untersuchung die Berichterstattung über Roma und Jenische zwischen 2005 und 2012 in ausgewählten deutsch-, französisch- und italienischsprachigen Leitmedien analysiert. Lange Zeit waren Beiträge über Roma und Jenische nur sporadisch anzutreffen. Erst ab 2007 intensivierte sich die Berichterstattung, die sich dann ab 2010 nochmals verdichtete. Aufgrund der Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien erfahren die Roma eine besonders grosse Aufmerksamkeit.

Während die Auslandsberichterstattung über Roma oft von Diskriminierungen handelt, sind die Diskriminierungen, denen Roma und Jenische in der Schweiz ausgesetzt sind, selten ein Thema. Hier wird in erster Linie delinquentes oder als störend empfundenes Verhalten wie Bettelei, Kriminalität oder Prostitution thematisiert. Dies prägt die öffentliche Wahrnehmung von Roma und Jenischen auf sehr problematische Weise. In Beiträgen über Roma und Jenische werden vor allem BehördenvertreterInnen hinzugezogen. Sie kommen in 42 Prozent der Berichte zu Wort, während die Roma und Jenischen selbst lediglich in 13 Prozent der Beiträge direkt befragt werden. Sie werden meist nur als Reaktion und im Nachgang von Ereignissen konsultiert und können daher kaum eigene Themen einbringen. Die Studie kommt zum Schluss, dass in rund der Hälfte der analysierten Berichte Pauschalisierungen verwendet werden. In jedem achten Beitrag über Roma und Jenische sind die Pauschalisierungen klar negativ und somit diskriminierend.

Nach der Veröffentlichung der Studie hat die GfbV den Schweizer Presserat dazu aufgefordert, Antiziganismus in den Medien noch deutlicher zu verurteilen. Gleichzeitig soll der Presserat zusammen mit den schweizerischen Ausbildungsstätten für Medienschaffende angehende JournalistInnen stärker sensibilisieren. Um auch die breitere Öffentlichkeit auf den zunehmenden Antiziganismus in der Schweiz aufmerksam zu machen, organisiert die GfbV zusammen mit AktivistInnen und unterstützenden Organisationen erstmals verschiedene Aktivitäten rund um den 8. April 2014 – den internationalen Tag der Roma und Sinti. Ziel ist es, auf die Situation der hier lebenden Roma, Sinti und Jenischen aufmerksam zu machen und ein Zeichen zu setzen gegen Antiziganismus und für mehr Respekt und Anerkennung der in der Schweiz lebenden Roma, Sinti und Jenischen.

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