14. März 2018

Medienmitteilung

Polizeigesetz Kanton Bern Rechtsgutachten zeigt: Jenische, Sinti und Roma werden durch Wegweisungsartikel diskriminiert

In der Frühlingssession steht im Berner Grossrat die zweite Lesung des Polizeigesetzes zur Abstimmung. Die Vorschläge der Sicherheitskommission bezüglich einer Ausweitung des Wegweisungsartikels auf fahrende Minderheiten verletzen das Diskriminierungsverbot und den Minderheitenschutz. Zu diesem Schluss kommt ein Rechtsgutachten von Prof. Rainer J. Schweizer (St. Gallen), das im Auftrag der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) erstellt wurde.

 In der Frühlingssession des Berner Grossen Rates geht das Polizeigesetz in die zweite Lesung. Dazu beantragt die Sicherheitskommission, das Wegweisungsgesetz auf fahrende Minderheiten auszuweiten und begründet dies mit „campieren“ ohne Erlaubnis des Eigentümers oder des Besitzers eines Grundstücks. Hinzu kommt, dass die Sicherheitskommission sich dafür ausspricht, dass eine Wegweisung bis zu 48 Stunden angeordnet werden kann. Betroffene können erst nach der Wegweisung eine Verfügung verlangen, was es schwierig macht, einen Rekurs einzureichen. Durch diese Vorschrift wird das Recht auf einen wirksamen Rekurs für fahrende Minderheiten eingeschränkt, was auch dem Diskriminierungsverbot widerspricht.

Fahrende „campieren“ nicht

Die von der Sicherheitskommission vorgeschlagene Ausweitung des Wegweisungsartikels auf „campieren“ ohne Erlaubnis des Eigentümers oder Besitzers ist gemäss einem Rechtsgutachten von Prof. Schweizer sehr auslegebedürftig, da nicht definiert wird, was „campieren“ bedeutet. Fahrende Jenische, Sinti und Roma „campieren“ nicht, sondern sie suchen Aufenthaltsorte für ihre Lebens- und Arbeitsweise und brauchen dazu genügend Stand- und Durchgangsplätze. Dieser Anspruch liegt in völkerrechtlichen Abkommen, dem Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten sowie Entscheiden des Bundesgerichtes und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte begründet.

Mit einem Transitplatz ist der Minderheitenschutz nicht gewährleistet

Die Sicherheitskommission macht das Inkrafttreten des Wegweisungsartikels für Fahrende vom Vorhandsein eines Transitplatzes abhängig. Dennoch: Um den Minderheitenschutz und das Diskriminierungsverbot zu gewährleisten, braucht es genügend und angemessene Stand- und Durchgangsplätze. Dies bedeutet, dass der Kanton Bern zuerst prüfen muss, ob die wenigen vorhandenen Plätze wirklich ausreichen, damit Fahrende ihren Wohnwagen abstellen und ihre Kultur leben sowie ihr Berufs- und Familienleben wahrnehmen können. Der Schutz der Grundrechte verlangt nicht nur Polizeimassnahmen, sondern vor allem und zuerst die Förderung der Niederlassungs-, Bewegungs- und Wirtschaftsfreiheit sowie des Familienlebens der Fahrenden.

Ausweitung des Wegweisungsgesetzes auf Fahrende ist diskriminierend

Das Rechtsgutachten kommt zum Schluss, dass der Wegweisungsartikel des Polizeigesetzes, sofern er auf Fahrende angewendet werden soll, deren Recht als nationale Minderheit in diskriminierender Weise verletzt. Polizeiliche Massnahmen zur Einschränkung ihrer Aufenthaltsfreiheit dürfen nur getroffen werden, wenn der Kanton seine umfassenden, rechtlichen Pflichten gegenüber den fahrenden Jenischen, Sinti und Roma auch wahrnimmt.. Das Gutachten empfiehlt deshalb, den Vorschlag der Sicherheitskommission abzulehnen.

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