28. August 2017

Medienmitteilung

Durchgangsplätze für Jenische, Sinti und Roma im Kanton Bern: Eine provisorische Lösung reicht nicht!

Der Kanton Bern stellt den Schweizer Jenischen und Sinti ab Herbst provisorisch vier neue Durchgangsplätze zur Verfügung. Gleichzeitig prüfen die Städte Bern und Biel, ob die beiden provisorischen Durchgangsplätze, die sie diesen Sommer zur Verfügung gestellt haben, auch 2015 genutzt werden können. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und Amnesty International (AI) begrüssen dieses Engagement als ersten Schritt. Damit die rechtlichen Verpflichtungen gegenüber den Jenischen, Sinti und Roma jedoch endlich definitiv umgesetzt werden, braucht es dauerhafte Stand-, Durchgangs- und Transitplätze, sowie verstärkte Sensibilisierungsarbeit für die Anliegen der Minderheiten gegenüber der Polizei, den Behörden und der Bevölkerung.

Im Kanton Bern stehen den Schweizer Jenischen und Sinti ab dem Herbst provisorisch vier neue Durchgangsplätze mit insgesamt 30 Stellplätzen zur Verfügung. 5 Stellplätze befinden sich in Sumiswald (bis 30. Oktober 2017), 5 Stellplätze in Interlaken (bis 14.11.2014) und 20 Stellplätze in Rohrbach (bis 14.11.2014). Ein weiterer Durchgangsplatz mit 15 Stellplätzen soll im «Froumholz» in der Gemeinde Muri-Gümligen entstehen und bis zum 30. November 2014 zur Verfügung stehen. Gleichzeitig prüfen die zwei Städte, ob die beiden provisorischen Durchgangsplätze, welche sie diesen Sommer zur Verfügung gestellt haben, auch 2015 genutzt werden können. Des Weiteren hat der Regierungsrat die zuständige Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektion (JGK) bereits Ende Mai damit beauftragt, bis 2017 bis zu 5 neue Durchgangs- und Standplätze für Schweizer Jenische und Sinti und bis zu 2 Transitplätze für Transitreisende bereitzustellen. Da sich Einsprachen gegen diese Vorhaben nicht vermeiden lassen, ist gemäss JGK frühestens in zwei bis drei Jahren mit definitiven Stand- und Durchgangsplätzen zu rechnen. Der Kanton sehe vor, den Einsatz von kantonalen Überbauungsordnungen zu prüfen, sollten die planungsrechtlichen Grundlagen auf kommunaler Ebene nicht gesichert werden.

Politischer Wille schafft (provisorische?) Plätze

Die GfbV und AI begrüssen die provisorische Schaffung der neuen Durchgangsplätze und danken dem Kanton Bern und den betroffenen Gemeinden für ihr Engagement. Das Vorgehen zeigt, dass innerhalb kurzer Zeit Lösungen für die fehlenden Durchgangsplätze gefunden werden können, wenn der politische Wille vorhanden ist. Gleichzeitig halten die Menschenrechtsorganisationen fest, dass eine provisorische Lösung nicht reicht, um den rechtlichen Verpflichtungen gegenüber Jenischen, Sinti und Roma nachzukommen. Gemäss Angaben der Bewegung Schweizer Reisenden (BSR) wurden im Kanton Bern seit den 1980er-Jahren insgesamt 30 Stand- und Durchgangsplätze geschlossen. Bis April 2014 standen im Kanton Bern, in Belp, Ins, Thun und Brienz, lediglich Plätze für knapp 30 Wohneinheiten zur Verfügung. Mit den neu geschaffenen provisorischen Durchgangsplätzen wurde versucht, diese Situation zu entschärfen. Dennoch zeigt die Erfahrung, dass Gefahr besteht, dass die provisorischen Stand- und Durchgangsplätze aufgehoben werden, falls die Plätze anderweitig gebraucht werden. Um dies künftig zu vermeiden und die rechtlichen Ansprüche der Jenischen und Sinti zu verankern, sind definitive Stand- und Durchgangsplätze – auch unter Einbezug der kantonalen Überbauungsordnungen – unabdingbar.

Keine Transitplätze in Sicht

Mit der Annahme der Motion Klopfenstein 106 «Ausländische Fahrende» soll die Schaffung von Transitplätzen für sogenannte ausländische «Fahrende» dem Bund übertragen werden. Solche Transitplätze sind im Kanton Bern entlang den Autobahnen A5 oder A1 an den grossen Transitachsen zu realisieren. Eine Lösung ist momentan nicht in Sicht. Die GfbV und AI fordern den Kanton Bern und die verschiedenen Bundesstellen auf, auch hier möglichst rasch definitive Plätze zu schaffen. Das von der Schweiz 1998 ratifizierte Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten sieht auch für ausländische Transitreisende Ansprüche auf Transitplätze vor.

Untersuchung des Polizeieinsatzes auf der Kleinen Allmend immer noch hängig

Im Rahmen der Räumung des Protestcamps der Bewegung Schweizer Reisenden kam es zu einem höchst umstrittenen Polizeieinsatz. Trotz laufender Gespräche mit den kantonalen Behörden, gab die Stadtregierung der Polizei den Auftrag, das friedliche Protestcamp polizeilich zu räumen. Trotz der Anwesenheit eines Mediators und verschiedener Alternativvorschläge, zeigte die Stadtregierung keinerlei politischen Willen, eine friedliche Lösung zu suchen. So war denn im Moment der Räumung auch kein Vertreter der Stadtregierung vor Ort, um auf die Modalitäten der Räumung Einfluss zu nehmen. Rund 70 Jenische und Sinti, vom Säugling bis zu den Grosseltern, wurden trotz Bekanntsein ihrer Identität abgeführt. Ihre Sachen wurden beschlagnahmt, die Menschen mit Nummern auf den Unterarmen beschriftet und in eine Turnhalle verfrachtet. Die Jenischen und Sinti fühlten sich in die Zeit des Nationalsozialismus zurückversetzt. Im Nachgang der Ereignisse verlangten die GfbV und AI eine unabhängige Untersuchung der Abläufe, weil sie diese als unverhältnismässig beurteilen. Bis jetzt wurden keine derartigen Schritte eingeleitet.

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