Menschen & Geschichten

Im Namen der Gewaltsam Verschwundenen

Amalie Kandiyar

Vavuniya

Sri Lanka: Amalie Kandyiar zeigt an einem Frauenprotest Fotos von verschwundenen Angehörigen. Sri Lanka: Amalie Kandyiar zeigt an einem Frauenprotest Fotos von verschwundenen Angehörigen.

Die Entführung von Regierungskritikern hat in Sri Lanka eine lange Tradition. Während und nach dem Bürgerkrieg verschwanden zehntausende Personen. Die meisten ergaben sich Ende des Bürgerkriegs dem sri-lankischen Militär. Seit Frühling haben an mehreren Orten im Nord-Osten Sri Lankas Frauen begonnen auf der Strasse zu protestieren. Dies nun schon kontinuierlich seit über 200 Tagen.

Eine der zahlreichen protestierenden Frauen ist Amalie Kandiyar aus Vavuniya im Norden der Insel. Sie vermisst ihre Tochter seit Ende des Bürgerkrieges: Sie sah sie das letzte Mal am 4. März 2009. Amalie Kandiyar und ihre Tochter waren, wie tausende Andere, zu Fuss unterwegs von der Kriegszone in Mullivaikkal im Norden Sri Lankas nach Matale in der Zentralprovinz. Auf dem Weg wurden jedoch hunderte Kinder von unbekannten, uniformierten Personen in Lastwagen gesteckt, um sie wegzubringen. „Auch meine Tochter wurde gezwungen, einen Lastwagen zu besteigen“, erzählt Amalie Kandiyar. „Ich nahm meinen gesamten Mut zusammen und stieg mit einer weiteren Frau in den Lastwagen, in welchem sich meine Tochter befand. Doch wir wurden kurz darauf in einer abgeschiedenen Region aus dem Lastwagen gestossen. Seither vermisse ich meine Tochter jeden Tag.“

„Meine Tochter lebt noch“

Amalie Kandiyar wurde später in ein Binnenflüchtlingslager gebracht, wo sie ein Jahr verbringen musste, bevor sie in ihr Haus zurückkehren konnte. Sie reichte Beschwerde für ihre verschwundene Tochter beim Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und der nationalen Menschenrechtskommission ein. Antworten hat sie aber keine bekommen. „Ich bin überzeugt, dass meine Tochter noch am Leben ist“, sagt die 44-jährige Tamilin. Sie hat kurz vor der Präsidentschaftswahl im Januar 2015 ihre Tochter auf einem Foto entdeckt, welches auf Propagandamaterial für den jetzigen Präsidenten abgedruckt war. Amalies Tochter steht auf dem Bild direkt neben Präsident Maithripala Sirisena. Amalie Kandiyar machte diverse Personen, darunter auch Regierungsmitglieder darauf aufmerksam – ohne Erfolg. Im August 2015 traf Amalie Kandiyar Präsident Sirisena in Jaffna, wo sie ihn nach ihrer Tochter fragte und er versprach, sich der Sache anzunehmen. Passiert ist jedoch nichts.

Hungerstreik für die Vermissten

Wegen der grossen Enttäuschung über die Untätigkeit der Regierung begann Amalie Kandiyar am 23. Januar 2017 mit acht weiteren Personen einen Hungerstreik, um endlich Antworten über den Verbleib ihrer gewaltsam verschwundenen Verwandten zu bekommen. Nachdem den Protestierenden ein Treffen mit hochrangigen Regierungsmitgliedern versprochen wurde, brachen sie den Hungerstreik nach vier Tagen ab. Das anschliessende Treffen mit der Regierung brachte jedoch keine Resultate. Daher beschloss am 20. Februar 2017 eine Gruppe von Frauen in Killinochchi, einen anhaltenden Protest zu starten, bis ihre Forderungen erfüllt würden.

Die Proteste dauern an

In Killinochchi sind am Protest insgesamt über 1200 Personen beteiligt, 50 bis 200 sind täglich auf dem Protestgelände, 20 bis 25 schlafen jeweils auch dort. Wenige Tage später hat man auch in Vavuniya den Protest wieder aufgenommen. Auch hier schlafen die Frauen auf dem Protestgelände. Mit den Protesten in Vavuniya und Killinochchi haben auch Frauen in anderen Gebieten den Mut bekommen, sich gegen die Ungerechtigkeiten zu wehren. Dies führte dazu, dass am 8. März sowohl in Mullaithivu, im Norden des Landes, als auch Trincomalee, im Osten, weitere Proteste gestartet wurden. Alle haben ein gemeinsames Ziel: Antworten über den Verbleib ihrer Angehörigen zu erhalten.

Inspiriert von den verschiedenen Protesten haben am 15. März auch Frauen in Maruthankerny auf der Jaffna-Halbinsel begonnen, auf der Strasse für Gerechtigkeit zu demonstrieren.

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