04. Juli 2023

Medienmitteilung

Schweiz/China: Menschenrechtsdialog muss konkrete Fortschritte bringen!

Der neu wiederaufgenommene Menschenrechtsdialog zwischen der Schweiz und China darf nicht zur Schönfärberei missbraucht werden und muss zu klaren Fortschritten bei den Menschenrechten führen, fordern mehrere Menschenrechtsorganisationen.

Gemeinsame Medienmitteilung von Amnesty International, International Service for Human Rights, Gesellschaft für bedrohte Völker, Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft, Uigurischer Verein Schweiz

Die Schweiz und China haben heute ihren bilateralen Menschenrechtsdialog wieder durchgeführt, nachdem dieser 2019 von China einseitig ausgesetzt worden war, nachdem die Schweiz im Rahmen der UNO-Diskussionen ihre Besorgnis über die Menschenrechtslage in China zum Ausdruck gebracht hatte. Die Schweizer Regierung hatte fünf unabhängige Schweizer Menschenrechtsorganisationen sowie Vertreter*innen der uigurischen und tibetischen Gemeinschaften zu einem Austausch mit der chinesischen Delegation über die Menschenrechte in China und der Schweiz eingeladen. Diese Einladung wurde nach einem offenbar chinesischen Veto zurückgezogen.

«Wir bedauern die Weigerung Chinas, sich mit den fünf Menschenrechtsgruppen im Rahmen des Dialogs zu treffen», sagte Alexandra Karle, Geschäftsleiterin von Amnesty International Schweiz.

«Mit bilateralen Dialogen versucht sich China als "konstruktiver Akteur" in Sachen Menschenrechte zu positionieren. Aber mit der Weigerung, sich mit der unabhängigen Zivilgesellschaft zu treffen, hat die chinesische Regierung eine seltene Gelegenheit verpasst, auch schwierige Gespräche über Menschenrechte mit Akteuren zu führen, die ihrer Bilanz kritisch gegenüberstehen», sagte Raphael Viana David vom International Service for Human Rights.

«Bilaterale Menschenrechtsdialoge, sei es zwischen der Schweiz und China oder einer anderen Kombination von Staaten, sollten nie ein Selbstzweck sein. Ihr Wert muss an den konkreten Menschenrechtsfortschritten gemessen werden», sagte Thomas Büchli von der Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft (GSTF).

«Um ein sinnvolles Engagement in künftigen Menschenrechtsdialogen zu gewährleisten, ist es entscheidend, dass die Schweiz deren Wirksamkeit unabhängig evaluieren lässt und konkrete Fortschritte nachweist. Dazu sollten klare Benchmarks gehören, wie etwa eine Bewertung der Umsetzung der UNO-Empfehlungen zu den Menschenrechten in China.», sagte Rizwana Ilham die Präsidentin des Uigurischen Vereins Schweiz.

«Die Initiative der Schweizer Regierung, Vertreter*innen der Zivilgesellschaft einzubeziehen, ist ein positiver Schritt. Um die Meinungsfreiheit zu garantieren, sollten jedoch künftige Dialoge eine tatsächliche Beteiligung unabhängiger zivilgesellschaftlicher Organisationen voraussetzen», sagt Selina Morell, Programmleiterin China bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV).

Hintergrund

Zum ursprünglich geplanten Austausch im Rahmen des schweizerisch-chinesischen Menschenrechtsdialogs wurden folgend Organisationen eingeladen: Amnesty International, International Service for Human Rights, Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft (GSTF) und Uigurischer Verein Schweiz.

Jede Organisation hätte die Gelegenheit genutzt, ihre eigenen vorrangigen Menschenrechtsfragen anzusprechen, die nur der jeweiligen Organisation zuzurechnen sind.

Forderungen der Organisationen

Amnesty International

  • Die Zahlen der Todesurteile und der Exekutionen in China werden weiterhin als Staatsgeheimnis eingestuft, was eine unabhängige Überprüfung unmöglich macht. Die Todesstrafe wird in China nach wie vor für 46 verschiedene Straftaten verhängt, darunter auch für Straftaten, welche nach internationalem Recht und internationalen Standards nicht als "schwerste Verbrechen" eingestuft werden.
  • Seit der Verabschiedung des Nationalen Sicherheitsgesetzes (NSL) im Jahr 2020 hat sich die Respektierung des Rechts auf Versammlungsfreiheit in Hongkong deutlich verschlechtert. Die Behörden setzen zunehmend den aus der Kolonialzeit stammenden Straftatbestand der "Aufwiegelung" ein, um gegen friedlichen Aktivismus vorzugehen. Der Anwalt und Aktivist Chow Hang-tung ist unter dem NSL angeklagt, weil er friedlich an die Niederschlagung der Tiananmen-Proteste erinnert hat. Im Mai 2023 kam die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierung zu dem Schluss, dass Chows Inhaftierung willkürlich ist und gegen den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte verstösst.
  • Der Raum für Menschenrechtsverteidiger*innen in China wurde weiterhin aktiv eingeschränkt. Die chinesischen Behörden haben in letzter Zeit ihr Vorgehen gegen die freie Meinungsäusserung verschärft. Sowohl die Menschenrechtsanwältin Chang Weiping als auch die Frauenrechtlerin Li Qiaochu wurden inhaftiert, nachdem sie über Folter durch die chinesischen Behörden berichtet hatten. Am 8. Juni 2023 wurde Chang Weiping nach einem Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit wegen "Untergrabung der Staatsgewalt" zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

International Service for Human Rights

  • Chinas Missbrauch der nationalen Sicherheit in Gesetz und Praxis, einschliesslich des Einsatzes von Straftaten gegen die nationale Sicherheit zur Inhaftierung und Verhängung langer Haftstrafen gegen Menschenrechtsverteidiger*innen.
  • Die weit verbreitete Praxis des Verschwindenlassens von Personen, einschliesslich der gut dokumentierten Praxis der "Residential Surveillance at a Designated Location" (RSDL), insbesondere zur Bekämpfung von Menschenrechtsverteidiger*innen und Rechtsanwält*innen;
  • Chinas mangelndes Engagement in Bezug auf die Menschenrechtsmechanismen der UN, einschliesslich der fast vierjährigen Verzögerung bei der Vorlage von Berichten an den Ausschuss gegen Folter und den Ausschuss für die Rechte des Kindes, die seit Dezember 2019 hängig sind.

Gesellschaft für bedrohte Völker

  • Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ist sehr besorgt über den problematischen Umgang der chinesischen Regierung mit Minderheiten: Besonders in Tibet und uigurischen Regionenist die Situation besorgniserregend.
  • Doch die Repression des chinesischen Parteistaates gegenüber Minderheiten beschränkt sich nicht nur auf das chinesische Festland: Auch im Ausland melden Angehörige der tibetischen und uigurischen Exilgemeinschaften, sich nicht sicher zu fühlen.
  • Die GfbV ruft die chinesische Regierung auf, Einschüchterungen gegenüber Tibeter*innen und Uigur*innen in der Schweiz unverzüglich einzustellen, insbesondere über Druckausübung auf die Familien dieser Personen in der Volksrepublik.

Gesellschaft Schweizerisch-Tibetische Freundschaft (GSTF)

  • Internierung tibetischer Schulkinder ab dem Kindergartenalter in von der VR China betriebenen Internaten. Dies wird u.a. in UN-Menschenrechtsberichten über China bestätigt (UN-Sonderberichterstatter, UNCESCR und UNCEDAW). China ist aufgefordert worden, diese Praxis zu beenden und private tibetische Schulen zuzulassen.
  • Die VR China sammelt in Tibet systematisch DNA-Proben für eine nationale DNA-Datenbank. Dabei wird es von dem US-Unternehmen Thermo Fisher mit Probenbehältern und Analysegeräten unterstützt.
  • Die Kontrolle der religiösen Angelegenheiten in Tibet durch die Kommunistische Partei der VR China. Die vom 14. Dalai Lama identifizierte 11. Inkarnation des Panchen Lama, der damals 6-jährige Gedhun Choekyi Nyima, verschwand im Mai 1995 zusammen mit seiner Familie spurlos in Tibet. Bis heute weigert sich die Regierung der VR China, Informationen über ihren Verbleib zu geben. Stattdessen wurde ein regierungsfreundlicher Junge ohne jegliche Legitimation als Panchen Lama eingesetzt. Das Kalkül der VR China ist klar: Sie sollte eines Tages die Inkarnation eines Dalai Lama unter ihrer Kontrolle anerkennen.

Uigurischer Verein Schweiz.

  • Der Bericht des OHCHRs über die Menschenrechtslage in der uigurischen Region kam zu der Schlussfolgerung, dass die chinesische Regierung womöglich schwere internationale Menschenrechtsverletzungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit an den Uiguren und anderen Turkvölkern begeht. Millionen von Uiguren werden in Internierungslagern willkürlich inhaftiert. Dort sind sie physischer und psychischer Folter, Vergewaltigung, Zwangsterilisation sowie anderen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Ermöglicht werden diese schwerwiegenden und systematischen Menschenrechtsvergehen durch ein technologiegestütztes Überwachungssystem, das auch die Erfassung umfangreicher biometrischer Daten vom Grossteil der uigurischen Bevölkerung umfasst. Daher stuften 11 Parlamente, darunter auch Frankreich und Grossbritannien, die Verbrechen der chinesischen Regierung als (hohes Risiko eines) Genozids ein.
  • Zudem müssen Millionen von Uiguren unter staatlicher Zwangsarbeit arbeiten. Diese werden im Rahmen eines staatlichen Anreizsystems in Fabriken außerhalb und innerhalb der uigurischen Regionen transferiert. Umfangreiche Berichte haben gezeigt, dass Produkte aus uigurischer Zwangsarbeit sich in Lieferketten von internationalen Konzernen wiederfinden. Besonders von uigurischer Zwangsarbeit betroffen sind die Baumwoll-, Solar- und Automobilindustrie.
  • Uigurische Frauen werden von der chinesischen Regierung zu Sterilisation oder anderen geburtenverhindernden Massnahmen gezwungen. Lagerüberlebende berichteten von schwerwiegenden gesundheitlichen und psychologischen Folgen, die durch diese eingriffe verursacht wurden. Eine Analyse von offiziellen chinesischen Daten durch den renommierten Forscher Dr. Adrian Zenz hat gezeigt, dass in manchen Teilen der uigurischen Regionen die Geburtenrate massiv zurückgegangen ist.

Weitere Medienmitteilungen zum Thema

Mehr zum Thema

Bei Verwendung dieser Webseite stimmen Sie zu, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Mehr Informationen

Ok

Newsletter Anmeldung

Unser Newsletter informiert Sie über aktuelle politische Entwicklungen und das Engagement der GfbV sowie unserer Partnerorganisationen.

Vorname *
Nachname *