02. Oktober 2023

Medienmitteilung

Die GfbV verurteilt die China-Politik der Schweiz: Mutlos, unangebracht und verharmlosend

Ganz nach dem Motto: "Bloss nicht die chinesische Regierung ärgern" hat der Bundesrat am 1. Oktober 2023 zugegeben, dass bereits im Dezember letzten Jahres der Beschluss gefallen ist, die thematischen Sanktionen der EU gegen China nicht zu übernehmen. Damit fällt der Bundesrat einmal mehr durch eine mutlose Politik gegenüber China auf und isoliert sich noch stärker von seinen wichtigsten Handelspartner:innen in der EU. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) verurteilt die Haltung des Bundesrats, weil damit die massiven Menschenrechtsverletzungen an den uigurischen, tibetischen und mongolischen Minderheiten durch die Regierung der Volksrepublik China verharmlost wird.

Während in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens anlässlich des Nationalfeiertages der Volksrepublik Soldaten die chinesische Flagge hissten, gab der Bundesrat am Sonntag dem 01. Oktober 2023 zu, dass er die thematischen Sanktionen der EU gegen China nicht übernehmen wird. Dieser Entscheid sei schon im Dezember letzten Jahres gefallen, wurde aber nicht öffentlich kommuniziert. Dies teilte das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) gestern auf Anfragen mit und bestätigte damit einen Artikel der "NZZ am Sonntag".

Die EU handelt - die Schweiz drückt sich

Die thematischen Sanktionen sind ein neues Instrument, das die EU einsetzt, um bei schweren Menschenrechtsverletzungen gezielt Massnahmen gegen Organisationen oder Personen ergreifen zu können: Im Frühling 2021 wurden vier chinesische Funktionäre und ein chinesisches Unternehmen wegen ihrer Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen gegen die ethnische Minderheit der Uigur:innen sanktioniert und damit ein klares Zeichen gesetzt, dass sie derartige Menschenrechtsverletzungen nicht toleriert. Die Betroffenen dürfen nicht mehr in die Mitgliedstaaten der EU einreisen und allfällige Vermögen in der EU werden eingefroren. Mit diesem neuen Sanktionsregime konfrontiert, habe der Bundesrat zuerst verschiedene rechtliche Fragen betreffend einer Übernahme von anderen thematischen Sanktionen klären müssen, sagte er etwa 2021 in einer Antwort auf eine Anfrage aus dem Parlament.

Der Schweizer Sonderweg: Handel vor Menschenrechten

Der Bundesrat gibt an, den Negativentscheid zu den Sanktionen gegenüber China vom 9. Dezember 2022 aufgrund einer Güterabwägung gestützt auf verschiedene aussenpolitische und rechtliche Kriterien getroffen zu haben. "Der wahre Grund dürfte viel eher wirtschaftlicher Natur sein", sagt Selina Morell, Programmleiterin für China bei der GfbV: "Der Bundesrat fürchtet sich vor chinesischen Gegenmassnahmen, wenn sich die Schweiz den thematischen Sanktionen der EU anschliessen würde." Im Gegensatz zur EU, die sich zunehmend kritisch zu den Menschenrechtsverletzungen in China positioniert, setzt die Schweiz offensichtlich immer noch auf den Sonderweg der Anbiederung. Erst kürzlich gab die Chefin des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco, Helene Budliger Artieda, in einem Interview mit der Handelszeitung bekannt, dass sie für Neuverhandlungen des Freihandelsabkommens mit China noch dieses Jahr nach China reisen möchte, weil sich die Wirtschaft das wünscht. Dass die Zivilgesellschaft schon lange auf Neuverhandlungen pochte, um die Menschenrechtslage zu thematisieren, stiess bislang auf kein Gehör.

Der richtige Weg: Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Staaten

Der Entscheid des Bundesrates zu den thematischen Sanktionen, der bezeichnenderweise über ein halbes Jahr verschwiegen wurde, weckt einmal mehr den Anschein, dass die Schweiz aus Sorge um den Zugang zum chinesischen Markt vor China kuscht. So ist das Freihandelsabkommen mit China in der jüngeren Vergangenheit das einzige solche Abkommen, das keine Bestimmungen zum Schutz der Menschenrechte oder auch nur ein Bekenntnis zur UNO-Menschenrechtserklärung enthält. Dabei stellt der Bundesrat in seiner 2021 veröffentlichten China-Strategie fest, dass die Bereitschaft der Volksrepublik, Menschenrechtsfragen zu diskutieren, in den vergangenen Jahren abgenommen habe, während sich gleichzeitig die Menschenrechtssituation deutlich verschlechtert hat.

Wir erwarten vom Bundesrat, statt seinem Sonderweg eine enge Abstimmung mit ihren wichtigsten Handelspartner:innen in der EU einzugehen. Nicht nur würde der Bundesrat damit einen Schritt in die Richtung einer Politik machen, in der Menschenrechte nicht verhandelbar sind, dadurch könnte auch das Risiko der chinesischen Gegenmassnahmen auf mehrere Schultern verteilt werden. Und zudem würde der Bundesrat so befolgen, was er sich in der China-Strategie selbst vorgenommen hat: "Entscheidend dafür, ob der Einsatz für Menschenrechte gegenüber China Wirkung hat, ist die kohärente und konsequente Vertretung der Anliegen auf allen Stufen wie auch in multilateralen Gremien," steht es in dem Strategiepapier des Bundesrates.

 

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