Brasilien-Schweiz

Abholzung in Brasilien: UBS finanziert umstrittene Agrarunternehmen

Die UBS hat über ihre brasilianische Investmentbank UBS BB die beiden Agrarkonzerne BrasilAgro und Marfrig mit Geld globaler Investoren versorgt. Beide Unternehmen sind in gravierende Fälle von unerlaubter Abholzung, Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzung verwickelt.

Fotos Brandrodung / Sojafeld: Shutterstock

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Die UBS will gemäss eigenen Angaben zu den grössten Investmentbanken Südamerikas gehören. Dazu geschäftet sie auch mit problematischen Agrarkonzernen in Brasilien. So hat die Schweizer Grossbank die beiden Agrarkonzerne BrasilAgro und Marfrig mit Geld globaler Investoren versorgt. Die beiden Unternehmen sind in gravierende Fälle von Brandrodung, Umweltzerstörung und die Verletzung von Indigenen-Rechten verwickelt. Dies zeigt eine Recherche vom Center for Climate Crime Analysis (CCCA) für die GfbV.

Jahr für Jahr werden im brasilianischen Amazonas-Regenwald riesige Flächen Wald zerstört. Allein im ersten Halbjahr 2022 wurde eine rekordhohe Fläche abgeholzt, die ziemlich genau der gesamten Waldfläche in den Schweizer Alpen entspricht. Wichtige Treiberin dieser Zerstörung ist die brasilianische Agrarwirtschaft, die von der internationalen Bodenspekulation und der zunehmenden Nachfrage nach Produkten wie Soja und Rindfleisch profitiert.

Illegale Rodungen geschehen häufig zum Zweck der Landgewinnung für die Land- und Viehwirtschaft. Dieses „Land Grabbing“ ist für Agrarkonzerne ein einträgliches Geschäft (siehe aufklappbaren Kasten). Die Konsequenzen tragen indigene und traditionell lebende Gemeinschaften: Einerseits dehnen sich Anbau- und Weideflächen durch Abholzung immer mehr in von indigenen Gemeinschaften bewohntes Gebiet aus. Tiere, die von den Gemeinschaften gejagt werden, fliehen oder finden nicht mehr genügend Lebensraum. Durch den Pestizideinsatz sterben Fische und werden Pflanzungen der indigenen Gemeinschaften zerstört. Nicht zuletzt kommen immer mehr indigene Leader:innen unter Druck: Wer sich gegen die Industrie wehrt, wird oft massiv bedroht oder sogar umgebracht.

Die Indigene Marcele Mundurukú beschrieb bereits 2020 in einem Interview mit der GfbV die Bedrohung durch Land Grabbing in ihrem Gebiet. Marcele ist im Amazonas-Regenwald am unteren Tapajósbecken wohnhaft. Dieses Gebiet ist zwar nicht direkter Gegenstand dieses Berichts, aber ihre Erzählung zeigt eindrücklich die Bedrohung, die von Landgrabbing ausgeht:

„Anfangs denkst du noch, die Plantagen sind weit weg, doch Jahr für Jahr wird mehr Land geräumt und plötzlich sind [die Invasoren] im indigenen Gebiet drin, fällen Bäume, legen Feuer und drohen uns. Wir haben schon zahlreiche Anzeigen gemacht, doch die Behörden kommen nicht vorbei.“

Marcele Mundurukú, über Abholzung in der Gegend des Unteren Tapajós, Pará. Foto: Thomaz Pedro

Marcele Mundurukú, über Abholzung in der Gegend des Unteren Tapajós, Pará. Foto: Thomaz Pedro

«Grilagem» - Landraub durch (Brand-) Rodung in Brasilien

Als Landraub oder „Land Grabbing“ bezeichnet man die grossflächige legale oder illegale Aneignung von Land durch finanzstarke Akteure, wie zum Beispiel Grossgrundbesitzer:innen, Banken oder Investoren. Landraub betreiben können Privatpersonen oder auch staatliche Institutionen.

In Brasilien ist „Land Grabbing“ besonders in Bundesstaaten verbreitet, wo die Agrarwirtschaft eine wichtige Stellung innehat. Die Nachfrage nach Soja und Rind ist derart hoch, dass immer mehr ursprüngliches Land in industrielle Nutzflächen umgewandelt wird. Dabei werden in einem ersten Schritt Bäume für den Holzhandel gefällt. Danach wird die restliche Vegetation entfernt und durch Feuer niedergebrannt sowie das Gebiet abgesteckt. Um das neu gewonnene Land als «produktiv» deklarieren zu können, werden Landwirtschaftsprodukte oder Weidegras für Rinder gesät. Damit kann das Gebiet von den Behörden offiziell als Landwirtschaftsgebiet anerkannt werden.

Das Problem ist in Brasilien weit verbreitet, so auch in Gebieten von Partner:innen der GfbV wie etwa der Mundurukú-Indigenen am unteren Tapajós. So sagt Paolo Mundurukú, der wie Marcele am unteren Tapajós lebt (siehe oben):

„Wir haben gesehen, wie sie eine Kette an einen Traktor und eine andere an den nächsten hängten und damit den Wald abholzten – ich weiß nicht, wie viele Hektar Wald an einem Tag. Sie fällen den Wald und legen Feuer, um die gesamte Vegetation zu zerstören, die Harthölzer, alles, die Holzfäller verbrennen alles. Dann beschuldigen sie die Einheimischen, sagen, dass wir den Wald zerstören, dabei sind sie es.“

Paulo Mundurukú, Bauer in der Gegend des Unteren Tapajós, Pará. Foto: Thomaz Pedro

Paulo Mundurukú, Bauer in der Gegend des Unteren Tapajós, Pará. Foto: Thomaz Pedro

Der Gewinn von Agrarflächen durch illegales „Land Grabbing“ folgt in Brasilien einer langen Tradition und hat einen eigenen Namen: «Grilagem». Die Bezeichnung leitet sich von der portugiesischen Bezeichnung für Grillen – grilos – ab. Denn angeblich steckten die Landräuber – «Grileiros» – früher gefälschte Dokumente in eine Schachtel voller Grillen, welche daraufhin das Papier zernagten. So sahen die Dokumente innerhalb kurzer Zeit alt aus und sollten belegen, dass der kürzlich gerodete Wald schon lange als landwirtschaftliches Land genutzt wurde. Heute werden die entsprechenden Dokumente meist digital gefälscht.

Am besten ist „Grilagem“ im Amazonas dokumentiert: Dem Amazonas-Forschungsinstitut IPAM zufolge kann mehr als ein Drittel der zwischen August 2018 und Juli 2019 im Amazonasgebiet erfolgten Entwaldung auf „Grilagem“ zurückgeführt werden. Besitzer:innen solcher Grundstücke sind laut brasilianischem Gesetz für den Schaden an der Umwelt verantwortlich und müssen ihn beheben, unabhängig davon, ob sie die Abholzung selbst verursacht haben.

Es geht um viel Geld: Die Exportgüter Brasiliens bestehen zu 50% aus AgrarproduktenNach den USA ist Brasilien die zweitgrösste Rindfleisch-Produzentin weltweit, und mit 34 Prozent vor den USA die grösste Soja-Produzentin. Die Güter werden vor allem nach Europa und China exportiert.

Seit 2020 ist klar, dass auch die Schweizer Grossbank UBS am brasilianischen Agrarsektor mitverdienen will: So hat sie mit der staatlichen Banco do Brasil die Investitionsbank UBS BB gegründet, welche den brasilianischen Agrarsektor mit Geld globaler Investoren versorgt. Als neue Mitspielerin half die Investitionsbank ein halbes Jahr nach der Gründung zwei stark umstrittenen Konzernen in Brasilien – Marfrig Global Foods S.A. und BrasilAgro – Geld zu beschaffen. Sie organisierte 2021 die Ausgabe von sogenannten «Agribusiness Receivables Certificates» (CRA) und verhalf über dieses Finanzinstrument dem brasilianischen Agrarsektor zu internationalen Investoren. Die Konzerne BrasilAgro und Marfrig erhielten so Kapital, um ihre teils umstrittenen Geschäfte zu finanzieren.

Gemäss Sylvia Coutinho, der Präsidentin der UBS in Brasilien, will die Bank zum Wandel der brasilianischen Landwirtschaft in einen grüneren Wirtschaftszweig beitragen. Der Sektor verstehe, dass ohne die Umweltfrage und ein „grünes Siegel“ das Wachstum in der Branche limitiert sei. Priorität sei deshalb die Produktivitätssteigerung und nicht die Erschliessung neuer Gebiete. Zweites Standbein der UBS BB sei die Vermögensverwaltung von Unternehmensfamilien im Agrarsektor.

Abgeholzte und verbrannte Bäume im Bundesstaat Pará in Brasilien. Foto: Shutterstock

Abgeholzte und verbrannte Bäume im Bundesstaat Pará in Brasilien. Foto: Shutterstock

Marfrig und BrasilAgro: Profite auf Kosten von Umwelt und Menschenrechten

Der Rindfleisch-Gigant Marfrig ist einer der grössten Hamburgerfleisch-Produzenten weltweit und das drittgrösste Lebensmittelunternehmen Brasiliens. Allein in Brasilien werden in den zwölf Unternehmens-Standorten von Marfrig täglich 11 100 Tiere geschlachtet, nachdem sie von Zulieferern aufgezogen wurden. Das Center for Climate Crime Analysis (CCCA) hat für die GfbV die Zulieferdaten von zwei Schlachtbetrieben analysiert: Einer von beiden befindet sich in der Gemeinde Tangara da Serra (Bundesstaat Mato Grosso), der andere in der Gemeinde Tucumã (Bundesstaat Pará, wurde Marfrig zufolge jedoch 2020 geschlossen).

Die Recherche zeigt: Im Zeitraum von 2018 bis 2020 kauften diese beiden Schlachtbetriebe von Marfrig ihre Rinder unter anderem von indirekten und direkten Zulieferern, welche auf indigenen Territorien und Naturschutzgebieten operierten. Die Onça Parda Farm, indirekter Zulieferer von Marfrig im Bundesstaat Mato Grosso, operierte ausserdem auf dem indigenen Territorium der Manoki. Zwei weitere indirekte Zulieferer (Pinhão Roxo und Estrela) befanden sich auf dem indigenen Territorium Cachoeira Seca. Gemäss Marfrig sind die Farmen heute nicht mehr Teil ihrer Lieferkette: Die Onça Parda sei seit 2019 kein Zulieferer mehr, die Pinhão Roxo und Estrela Farmen seien 2020 geschlossen worden (E-Mail von Marfrig an GfbV am 10.09.2022). Darüber hinaus wurde, auf Grundlage staatlicher Satellitenwarnsysteme, für die Zeitspanne 2009 bis 2020 unerlaubte Abholzung im Umfang von 1221,08 km2 auf dem Land der direkten und indirekten Zulieferer festgestellt. Dies entspricht einer Fläche, die gut siebenmal so gross ist wie der schweizerische Nationalpark.

Das Unternehmen BrasilAgro gehört zu den Firmen in Brasilien, die über die grösste Anbaufläche verfügen. Kerngeschäft des Unternehmens ist der Erwerb und die Umwandlung von «unproduktiven» Ländereien in Agrarflächen. Die so gewonnenen Grundstücke werden entweder gewinnbringend verkauft oder für den Anbau von insbesondere Soja eingesetzt. Die Recherche des CCCA für die GfbV zeigt, dass dieses Geschäftsmodell auf wiederholter Abholzung ohne Bewilligung aufbaut: So wurde auf Grundstücken von BrasilAgro zwischen 2008 und 2020 eine Fläche von insgesamt 300,73 km2 unbewilligt abgeholzt. Dies entspricht einem Gebiet fast viermal so gross wie der Zürichsee. Die GfbV hat BrasilAgro am 5.9.22 per Mail mit diesen Vorwürfen konfrontiert, jedoch bis zum Moment der Veröffentlichung keine Antwort erhalten.

Infografik Agrobusiness Amazonas und Cerrado

Brennpunkte der Entwaldung

Im Nordosten Brasiliens erstreckt sich über die Bundesstaaten MAranhão, TOcantins, PIauí, Bahía die Agrarregion Matopiba, die durch den umweltschädlichen Landwirtschaftsboom reich geworden ist. Matopiba wurde Anfang Jahrhundert zur Förderung der Landwirtschaft in besagtem Gebiet geschaffen: Die Bezeichnung entstand durch die Grenzziehung um das Savannengebiet Cerrado in den jeweiligen Staaten, denn durch dessen riesigen Wasservorräte und flachen Landschaften herrschen ideale Voraussetzungen für grossflächige Landwirtschaft. Folglich wächst die Agrarindustrie massiv, allen voran der monokulturelle Sojaanbau, welcher der Nachfrage nach Futtermittel für die weltweite Fleisch- und Milchproduktion folgt. Gemäss dem brasilianischen Netzwerk MapBiomas, welche die Landnutzung in Brasilien dokumentiert, wurden in Matopiba bereits knapp drei Viertel des Cerrado zerstört. Die meisten Grundstücke von BrasilAgro befinden sich in dieser Region.

Über die Nachfrage nach Landwirtschaftsprodukten hinaus wird die Ausweitung der Agrarindustrie in Brasilien von internationalen Anlegern getrieben. Einem Bericht von FIAN International zufolge wurde das Geschäft mit Agrarflächen seit der Wirtschaftskrise 2008 rentabler als die landwirtschaftliche Produktion selbst. Dieses konzentriert sich ganz auf den Handel und die Verwaltung von Agrarböden. Landraub und Dokumentenfälschung stehen in direktem Zusammenhang mit dieser Entwicklung, weil für die Bodenspekulation der Landgewinn zentral ist.

Neben Matopiba ist Landraub auch in den Bundesstaaten Pará und Mato Grosso das grosse Geschäft. Marfrig hat in beiden Regionen Zulieferer, BrasilAgro hat neben Matopiba auch in Mato Grosso Grundstücke. In der Statistik der Waldbrände im Amazonas stehen die beiden Staaten seit Beginn der Statistik im Jahr 1988 ganz oben. Während Pará seit 16 Jahren den Waldbrand-Rekord verzeichnet, weist Mato Grosso die höchste Anzahl Rinder landesweit auf.

UBS öffnet Türen für Agrarinvestitionen in Brasilien

Der Amazonas und seine Bewohner:innen sind akut gefährdet, ganz besonders in Brasilien. Der rechtspopulistische Präsident Jair Bolsonaro will den Amazonas und andere einzigartige Ökosysteme wie den Cerrado rücksichtslos ausbeuten und Bergbau, Holzschlag und Landwirtschaft in Naturschutz- und Indigenen-Gebieten im grossen Stil zulassen. Seine Politik, anti-indigene Gesetze einzuführen, die Mittel von Umweltbehörden zu kürzen und öffentlich gegen indigene Rechte auszusprechen,  wird gestärkt durch die Interessen der Agrarlobby. Unter diesen Vorzeichen ist für internationale Investoren des brasilianischen Agrarsektors das Risiko gross, in problematische Geschäfte verwickelt zu werden. Mit ihren Finanzdienstleistungen an Firmen wie Marfrig und BrasilAgro unterstützt die UBS BB eine Branche, die zu der Ausbeutung der Umwelt und Verletzung von Indigenenrechten beiträgt. Die Risiken, welche aus der Geschäftstätigkeit der UBS im Brasilianischen Agrarsektor entstehen, wurden in einem Artikel von Olivier Christe und Fernanda Wenzel in der Online-Zeitung „Republik“ bereits im Frühjahr 2021 beleuchtet: Neben der Nähe zur Bolsonaro-Regierung, machte der Artikel Schwachstellen in der Lieferketten­transparenz bei Vieh und Soja im brasilianischen Agrarsektor deutlich.

„Die Europäer:innen tragen zur Verwüstung des Amazonas bei, sei es über die Finanzierung von Banken, sei es im Handel, direkt oder indirekt. In jedem Fall sind sie mitschuldig an dem was in den indigenen Territorien Brasiliens passiert. Wenn Europa finanziert, trägt es zum Tod der indigener Völker und zum Tod unserer Gebiete bei.“

Auricelia Arapiuns, Co-Direktorin der indigenen Organisation CITUPI. Foto: Thomaz Pedro

Auricelia Arapiuns, Co-Direktorin der indigenen Organisation CITUPI. Foto: Thomaz Pedro

Aus Sicht der GfbV müsste die UBS BB – um den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen gerecht zu werden – durch eine Sorgfaltsprüfung sicherstellen, dass sie weder BrasilAgro noch Marfrig mit Geld versorgt, solange diese in Abholzung und Menschenrechtsverletzungen involviert sind. Entsprechend fragte die GfbV die UBS, welche Massnahmen die UBS und/oder die UBS BB beim CRA-Geschäft ergriff, um das Risiko für negative Auswirkungen auf Umwelt und Menschenrechte zu mindern. Die UBS antwortete: „Aufgrund des Bankkundengeheimnisses können wir keine Angaben über (potenzielle) Kunden oder Kundenbeziehungen machen“.

Selbstregulierung funktioniert nicht

Die UBS verfügt zwar über spezifische Richtlinien betreffend Risiken im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit und Klima. Nach Angaben der Bank decken diese auch Geschäfte der Investitionsbank UBS BB ab. Entwaldung wird in diesen Richtlinien ausdrücklich als Risiko erwähnt:

«Weltweit lässt sich schätzungsweise mehr als die Hälfte der Entwaldung auf die Umwandlung von Wald in Ackerland zurückführen, während die Viehzucht für fast 40% der verlorenen Waldfläche verantwortlich ist.» (S.4)

Gleichzeitig weisen dieselben Richtlinien und die darin enthaltenen Standards aber grosse Lücken auf, so dass Geschäfte mit Firmen wie BrasilAgro und Marfrig möglich sind. Dabei sind insbesondere zwei Dinge brisant:

  • Risikosektor Viehwirtschaft: Obwohl die UBS einleitend anerkennt, dass die Viehzucht für fast 40 Prozent der weltweit verlorenen Waldfläche verantwortlich ist, fehlen im Gegensatz zu den Risikosektoren Palmöl, Soja und Holz für diesen Sektor spezifische Kriterien, welche für ein Geschäft der UBS erfüllt werden müssen. Auf Anfrage der GfbV zu dieser Lücke antwortete die UBS: „Der Grund für unsere zusätzlichen Standards für Palmöl, Soja und Holz liegt in der Verfügbarkeit eines soliden Zertifizierungsverfahrens für diese Rohstoffe, das die Leistung eines Unternehmens durch Dritte bestätigt. Ein ähnliches Zertifizierungsverfahren gibt es unseres Wissens nach derzeit nicht für Nutztiere.“ (Email der UBS vom 16. August 2022, Übersetzung aus dem Englischen GfbV).
  • Risikosektor Soja: Kurze Zeit vor dem Geschäft mit BrasilAgro passte die UBS ihre Kriterien für Geschäfte mit Sojaunternehmen an. Aus Sicht der GfbV handelt es sich dabei um eine massgebliche Verschlechterung des Standards: Vor der Änderung mussten Sojaunternehmen wie BrasilAgro Mitglied des Standards „Roundtable on Responsible Soy“ (RTRS) sein. Neu kann es reichen, wenn das Unternehmen einen Plan aufstellt, sich bis zu einem gewissen Zeitpunkt in der Zukunft zu einem ähnlichen Standard zu verpflichten. Dies birgt aus Sicht der GfbV das Risiko, dass dieser Plan nie umgesetzt wird. Aus Sicht der UBS bleibt ihr Standard ebenbürtig: „Mit Ihrer Einschätzung [der GfbV], dass sich der Sojastandard der UBS verschlechtert hat, sind wir nicht einverstanden“ (Email der UBS vom 19. September 2022, Übersetzung aus dem Englischen GfbV). Der Ansatz der Bank sei weiterhin streng. Die Abschwächung zeigt sich jedoch auch in der Bewertung durch die Ranking-Plattform Forest500: statt 2/3 der möglichen Punktzahl im Jahr 2020 erreicht die UBS für ihre Sojarichtlinie im Jahr 2021 nur noch etwa 1/3 der Punktzahl.

Aus Sicht der GfbV ist es verantwortungslos, dass die UBS BB dem Unternehmen BrasilAgro Kapital vermittelt hat, obwohl dessen Haupttätigkeit gemäss eigenen Angaben von BrasilAgro darin besteht, „unproduktive“ Gebiete in industrielle Landwirtschaftsflächen umzuwandeln. Zudem war das Unternehmen in der Vergangenheit mehrmals mit unbewilligter Abholzung in Verbindung gebracht worden.

Bereits 2013 hat die Brasilianische Umweltbehörde IBAMA, BrasilAgro wegen illegaler Abholzung geschützter Gebiete eine Busse in der Höhe von 2.5 Millionen Dollar auferlegt. 2017 wurde erneut öffentlich bekannt, dass BrasilAgro mehr als 21 000 Hektare ursprünglichen Waldes auf seinen Gebieten gerodet hat. 2021, zum Zeitpunkt des Geschäfts zwischen der UBS BB und BrasilAgro, war das Urteil zu Abholzung noch ausstehend.

Die Recherche der GfbV und Satellitenbilder zeigen nun ebenfalls wiederholte Abholzung ohne Bewilligung auf fast einem Drittel der Grundstücke von BrasilAgro im Zeitraum von 2009 bis 2020.

Auch in Bezug auf Marfrig kritisiert die GfbV, dass die UBS BB ein Unternehmen mit einem derart schlechten Nachweis von Umwelt- und Sozialverantwortung mit finanziellen Mitteln versorgt hat. Zwar anerkennt Marfrig selbst seit langem die Tatsache, dass die Fleisch-Zulieferer in indigene Territorien und Naturschutzgebiete eindringen und illegal Regenwald abholzen. Die Firma behauptet auch seit über zehn Jahren, das Problem angehen zu wollen und hat eine entsprechende Vereinbarung für den Bundesstaat Mato Grosso unterzeichnet – nicht aber für Pará. Auf unsere Anfrage kommentierte Marfrig: „Obschon wir nicht im Bundesstaat Pará operieren, ist sich Marfrig bewusst, dass es eine grosse Herausforderung ist, verlässliche Informationen zu indirekten Zulieferern zu erhalten.“ (E-Mail von Marfrig an GfbV, 12.09.2022)

Zum Zeitpunkt, als die UBS BB die Geschäftsbeziehung mit Marfrig einging, gab es bereits zahlreiche Hinweise , dass Marfrig es nicht geschafft hatte, Verbindungen zu illegaler Abholzung in seinen Lieferketten zu verhindern.  Mitte 2020 – fast ein Jahr vor dem Geschäft mit der UBS BB – hat Marfrig seinen Plano Marfrig Verde+ veröffentlicht und damit klargemacht, dass sie sich weitere zehn Jahre Zeit lassen, um Lieferketten frei von Abholzung und Menschenrechtsverletzungen zu etablieren. Im Juli 2020 kritisierte Greenpeace die Absichtserklärung. Trotzdem ging die UBS BB das Geschäft mit Marfrig ein. Im Januar 2022 stellte der norwegische Pensionsfonds Marfrig wegen des Risikos für schwere Umweltschäden unter Beobachtung.

Die Geschäftspraktiken im Amazonas haben massive Folgen für die Umwelt sowie die indigene und traditionell lebende Bevölkerung. Diese verliert ihren Lebensraum, ihr Einkommen und ihre Kultur und ist Gewalt, Drohungen und Einschüchterungsversuchen ausgesetzt.

Grito Ancestral: Ein mit Holz beladenes Floss auf dem Tapajós foto joao paulo guimaraes

Es braucht ein Konzernverantwortungsgesetz

Der Joint Venture der UBS mit der Banco do Brasil macht einmal mehr deutlich: Unternehmensinterne Richtlinien reichen nicht aus. Es braucht in der Schweiz ein griffiges Konzernverantwortungsgesetz, das garantiert, dass Firmen wie die UBS dafür geradestehen müssen, wenn sie Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung verursachen, oder dazu beitragen oder an diesen mitverdienen.

Das Video fasst den Bericht "Abholzung in Brasilien: UBS finanziert umstrittene Agrarkonzerne" einfach verständlich zusammen und zeigt, warum es ein Konzernverantwortungsgesetz braucht.

Impressum

Dieser Text wurde auf Grundlage einer Recherche des Center for Climate Crime Analysis (CCCA) zuhanden der GfbV sowie inspiriert von zwei Medienartikeln in der Republik und Mongabay von Olivier Christe und Fernanda Wenzel erarbeitet.

  • Die von CCCA zusammengetragenen Daten identifizieren anhand von Satellitenbilder Abholzung auf Farmen von Brasilagro und auf Flächen von Zulieferbetrieben von Marfrig. CCCA führte die Recherche mit freundlicher Unterstützung von HEKS durch. Sie finden sie hier.
  • Den Artikel «Brandherd mit Dividende» (Deutsch, 19.04.2021) finden Sie hier: https://www.republik.ch/2021/04/19/brandherd-mit-dividende
  • Zum Artikel «Debt deal with deforester BrasilAgro puts UBS’s green commitment in question» (Englisch, 06.08.2021) geht es hier: https://news.mongabay.com/2021/08/debt-deal-with-deforester-brasilagro-puts-ubss-green-commitment-in-question/
  • Die Zitate von Indigenen zur Abholzung stammen aus einer GfbV-Recherche aus dem Jahr 2020 zur Situation von Gemeinschaften im Amazonas-Regenwald am unteren Tapajósbecken. Dieses Gebiet ist zwar nicht direkter Gegenstand dieses Berichts, aber die Erzählung der Indigenen zeigt die Bedrohung, die generell von Landgrabbing ausgeht.

Nachweise zur Infografik «Agrobusiness in Amazonas und Cerrado»:

https://www.gov.br/mma/pt-br/assuntos/ecossistemas-1/biomas/amazonia

https://imazon.org.br/publicacoes/politicas-para-desenvolver-a-pecuaria-na-amazonia-sem-desmatamento/

https://icv.org.br/2021/05/desmatamento-na-amazonia-e-cerrado-em-mato-grosso-foi-89-illegal-em-2020

https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2021/03/der-amazonas-stoesst-nun-mehr-treibhausgase-aus-als-er-absorbiert

https://insights.trase.earth/yearbook/highlights/expansion-and-deforestation/

https://news.globallandscapesforum.org/46494/the-brazilian-cerrado-the-upside-down-forest-on-the-frontlines-of-agriculture/

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