Menschen & Geschichten

«Für die Goldschürfer bin ich ein Symbol des Widerstands»

Maria Leusa Mundurukú

Aktivistin und indigene Leaderin

Gold aus dem brasilianischen Amazonas: Die indigene Aktivistin Maria Leusa Mundurukú machte die Schweiz Anfang Mai 2022 auf ihre Verantwortung aufmerksam. Foto: Danielle Liniger Gold aus dem brasilianischen Amazonas: Die indigene Aktivistin Maria Leusa Mundurukú machte die Schweiz Anfang Mai 2022 auf ihre Verantwortung aufmerksam. Foto: Danielle Liniger

Maria Leusa Mundurukú ist Präsidentin der Frauenvereinigung ihrer indigenen Gemeinschaft und setzt sich im brasilianischen Amazonas für den Schutz ihrer Territorien ein. Anfang Mai reiste sie mit einer Delegation in die Schweiz, um auf die Verantwortung der Schweiz beim Goldabbau aufmerksam zu machen.

Interview: Hannah Göldi / Foto: Danielle Liniger

Maria Leusa, am 6. Mai des letzten Jahres wurde ein Attentat auf Ihr Heimatdorf ausgeübt. Illegale Goldschürfer zündeten Ihr Haus an und Sie mussten flüchten. Wie sieht Ihre Lebenssituation heute aus?

Mein Leben ist momentan sehr kompliziert. Da ich öffentlich aktiv bin, unter anderem als Präsidentin der Mundurukú-Frauenvereinigung, bin ich für die Goldschürfer ein Symbol des Widerstands, der ihnen das Leben schwer macht. Bis heute konnten meine Familie und ich nicht in unseren Heimatort zurückkehren. Wir leben zurzeit in der nächstgelegenen Stadt, wo es für uns sicherer ist. Trotzdem müssen wir immer Angst haben, wenn wir uns auf den Strassen bewegen.

Was ist aktuell die grösste Herausforderung in Ihrem Alltag?

Wir müssen immer wieder Unternehmen aufhalten, die unsere Gebiete für sich nutzen wollen. Als Gemeinschaft müssen wir deshalb hohem Druck standhalten, um den Kampf um unser Land weiterzuführen. Zudem werden wir als Frauen ständig unterschätzt. Früher war ich die einzige Aktivistin. Heute sind wir jedoch über 200 Mitglieder in der Frauenorganisation. Gemeinsam sind wir stark und können nicht mehr ignoriert werden.

Wofür kämpfen Sie als Aktivistin und wie?

Meine Tätigkeit umfasst viele Bereiche. Ich nehme an Kundgebungen gegen Infrastrukturprojekte teil und erledige den bürokratischen Teil beim Einreichen von Klagen, zum Beispiel gegen Umweltzerstörung. In der Frauenorganisation planen wir zudem Versammlungen, wo wir mit den Caciques (Leader) über nächste Schritte diskutieren. Schliesslich sehe ich unsere Aufgabe aber auch in der Stärkung unserer Frauen in der Landwirtschaft. Wir wollen unserer Gemeinschaft zeigen, dass wir den Anspruch auf unser Territorium nicht rechtfertigen müssen: Wir können uns selbst versorgen und sind nicht auf die «Hilfe» der Weissen angewiesen.

Wie helfen Ihnen staatliche Behörden?

Direkte Hilfe von staatlichen Behörden erhalten wir nicht und wollen wir auch nicht mehr. Sogar beim Angriff auf unsere Häuser haben sie uns allein gelassen. Auch von Politikerinnen und Politikern hier vor Ort können wir uns keine Hilfe erhoffen, denn sie befürworten das Gesetzesprojekt "PL-191", das den Bergbau in indigenen Gebieten ermöglichen soll. Dies würde für unser Volk den Tod bedeuten. Wir zählen nur auf unsere eigene Widerstandsbewegung.

Anfang Mai kommen Sie in die Schweiz, um Ihre Anliegen bekannt zu machen. Warum kommen Sie gerade hierher und was sind Ihre Erwartungen?

Wir wollen jene Personen und Unternehmen anprangern, die für unser Leiden mitverantwortlich sind. Im vergangenen Jahr gab es niemanden, der oder die unsere Stimme nach aussen getragen hat. Das soll sich hiermit ändern. Auf unserer Reise wollen wir jedoch nicht nur Klagen, sondern auch Erfolgsgeschichten verbreiten, auf die wir als indigene Gemeinschaft zählen können. Dabei wollen wir aber für uns selbst sprechen.

Das Interview wurde Mitte April per Videokonferenz geführt.

Reise zum Goldplatz Schweiz

Für die indigenen Gemeinschaften im brasilianischen Amazonas bedeutet der aktuelle Gold-Boom die Zerstörung ihres Lebensraums, vergiftete Flüsse, neue Krankheiten und Gewalt. Auch die Schweiz trägt im Goldgeschäft eine Verantwortung, denn hier wird ein grosser Teil des weltweiten Goldes gehandelt und veredelt. Anfang Mai reiste Maria Leusa Mundurukú in die Schweiz, um die Öffentlichkeit auf das Problem aufmerksam zu machen und mit Verantwortlichen der Goldbranche zu sprechen.

Weitere Geschichten zum Thema

Bei Verwendung dieser Webseite stimmen Sie zu, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Mehr Informationen

Ok

Newsletter Anmeldung

Unser Newsletter informiert Sie über aktuelle politische Entwicklungen und das Engagement der GfbV sowie unserer Partnerorganisationen.

Vorname *
Nachname *