Kosovo

Gefangen im Teufelskreis

Roma im Kosovo: Zurückgeschickt und unerwünscht.

Foto: Beat Schweizer / Anzenberger

Roma Woman with her Granddaughter Roma Woman with her Granddaughter

Übersicht

Roma im Kosovo: Zurückgeschickt und unerwünscht

Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter sind im Kosovo noch immer einer strukturellen und kumulativen Diskriminierung ausgesetzt. Sie haben kaum Zugang zu Arbeit und Wohnraum und die Kinder werden in den Schulen diskriminiert. In gewissen Regionen beträgt die Arbeitslosenquote zwischen 95-100%. Dies veranlasst viele Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter dazu, ihr Heimatland Richtung Westeuropa zu verlassen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Allerdings haben viele westeuropäische Länder den Kosovo als «sicheres Herkunftsland» deklariert, was ihnen erlaubt, aus dem Kosovo Geflüchtete zurückzuführen. So werden zahlreiche Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter durch die gescheiterte Reintegrationspolitik des Kosovo und die europäische Rückkehrpraxis in einen fortwährenden Migrationskreislauf gezwungen. Die Perspektivlosigkeit im Kosovo zwingt die Mehrheit der abgeschobenen Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter, entweder in Westeuropa in den Untergrund zu gehen oder in einen der informellen Slums in Serbien zu ziehen.

Gescheiterte Rückkehrpolitik

In den letzten Jahren haben zahlreiche westeuropäische Länder den Kosovo als «sicheren Herkunftsstaat» deklariert und tausenden Geflüchteten die vorläufige Schutzgewährung entzogen. Alleine in Deutschland haben zwischen 2004 und 2013, 28‘000 Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter ihren Schutzstatus verloren. Nimmt man die Schweiz und weitere EU-Mitgliedstaaten hinzu, erhöht sich diese Zahl um einige Tausend. Eine dauerhafte Rückkehr ist aber nur möglich, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, die den Zurückgeführten ein menschenwürdiges Leben ermöglichen.

Zwar hat die kosovarische Regierung Strategien entwickelt, um den Zurückgekehrten aus Westeuropa die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu vereinfachen. Dabei geht es der Regierung des Kosovo jedoch primär darum, die Voraussetzungen für die Visaliberalisierungen und den Zugang zur Europäischen Union zumindest auf dem Papier zu erfüllen. Die Reintegrationsstrategien sind aber auf kosovo-albanische Rückkehrerinnen und Rückkehrer ausgerichtet und basieren auf der Annahme, dass diese den Kosovo aus rein wirtschaftlichen Gründen verlassen haben und deshalb ohne grössere Probleme zurückkehren können. Sie tragen den speziellen Umständen und Bedürfnissen von Roma, Aschkali und Balkan-Ägyptern in keiner Weise Rechnung und enthalten keinerlei Massnahmen, um der strukturellen und kumulativen Diskriminierung dieser Minderheiten entgegenzuwirken. Die fehlgeleitete Reintegrationspolitik für Rückkehrerinnen und Rückkehrer, zusammen mit der anhaltenden Diskriminierung und Ausgrenzung zwingt Angehörige dieser Minderheitengruppen dazu, den Kosovo wieder zu verlassen.

Unhaltbare Rückkehrpolitik Westeuropas

Auf der anderen Seite verneinen die westeuropäischen Staaten jegliche Gefährdungssituation der Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter, da sie diese sonst nicht mehr in den Kosovo zurückschicken könnten. Westeuropa betreibt wissentlich eine nicht nachhaltige, kostenintensive, diskriminierende und widersprüchliche Rückkehrpolitik, basierend auf folgenden miteinander verbundenen Faktoren:

  1. Die Missachtung der tatsächlichen Situation von Roma, Aschkali und Balkan-Ägyptern im Kosovo, das heisst der strukturelle und kumulative Diskriminierung, der diese Volksgruppen ausgesetzt sind und die ihnen ein menschenwürdiges Leben verunmöglicht
  2. Die Verweigerung eines legalen Bleiberechts in Westeuropa
  3. Die Akzeptanz einer fehlgeleiteten Reintegrationspolitik der kosovarischen Regierung

Durch die Rückkehrpolitik Westeuropas und die gescheiterte Reintegrationspolitik des Kosovo werden tausende Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter in einen fortwährenden Kreislauf der Migration gezwungen. Sie leben somit ein unsicheres Leben in der Illegalität und sind Menschenhandel mit all seinen negativen Folgen ausgesetzt.

 

Aktivitäten

  • Advocacy und Kampagnenarbeit in der Schweiz, Deutschland, und anderen EU-Staaten, um auf den Kreislauf der Zwangsmigration von Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter aus dem Kosovo aufmerksam zu machen
  • Lobbying bei Behörden, Parlament und Medienschaffenden
  • Capacity-Building-Projekte und Netzwerktreffen für Rückkehrerinnen und Rückkehrer im Kosovo

 

Forderungen

Die GfbV fordert die Europäische Union, die verantwortlichen westeuropäischen Landesregierungen und die Regierung des Kosovo auf, alle nötigen Massnahmen zu ergreifen, damit Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter nicht mehr in einen permanenten Migrationskreislauf und ein unsicheres Leben in der Illegalität gezwungen werden

Die GfbV fordert die Europäische Union und die westeuropäischen Regierungen auf,

  • … ihre Entscheidung zu revidieren, den Kosovo als «sicheres Herkunftsland» zu deklarieren.
  • … den fortwährenden Migrationskreislauf zu stoppen, indem sie gut integrierten Familien die Chance auf ein dauerhaftes Bleiberecht bieten.
  • … keine gut integrierten Kinder in den Kosovo abzuschieben, wo sie nie gelebt haben und nicht einmal die Sprache sprechen.
  • … in Westeuropa temporäre und permanente Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten für Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter aus dem Kosovo zu schaffen. Wenn diese Personen ihre Familien im Kosovo finanziell unterstützen, könnte dies die Zwangsmigration begrenzen.
  • … die Regierung des Kosovo verstärkt mit finanziellen Ressourcen, politischen Anreizen und Expertise bei der dauerhaften Integration von Roma, Aschkali und Balkan-Ägyptern zu unterstützen.

Die GfbV fordert die Regierung des Kosovo auf,

  • … die tatsächliche Diskriminierung und Ausgrenzung von Roma, Aschkali und Balkan-Ägyptern anzuerkennen, inklusive der an ihnen begangenen Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen. Die Regierung sollte mit der Zivilbevölkerung zusammenarbeiten und einen Versöhnungsprozess einleiten. Beide Unterfangen sind unabdingbar für eine dauerhafte Integration der drei Bevölkerungsgruppen im Kosovo.
  • … die bestehenden Integrationsstrategien für Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter tatsächlich umzusetzen und die Reintegrationspolitik so anzupassen, dass sie den besonderen Bedürfnissen von Roma, Aschkali und Balkan-Ägyptern gerecht wird.

Minderheiten

Vor dem bewaffneten Konflikt zwischen dem damaligen serbischen Regime unter Slobodan Milosevic und der albanischen Rebellenorganisation UCK lebten im Kosovo mindestens 150‘000 Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter. Vor, während und nach dem Krieg der 1990er-Jahre flüchteten ungefähr 50‘000 Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter nach Westeuropa. Weitere 50‘000 suchten Zuflucht in benachbarten Ländern, insbesondere in Serbien. Im Jahr 2000 lebten noch ungefähr 30‘000 Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter im Kosovo. Heute wird die Anzahl der Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter im Kosovo auf 40‘000-50‘000 geschätzt. Obwohl die westeuropäischen Gastländer in den letzten Jahren über 30‘000 Roma, Aschkali und Balkan-Ägyptern einen Ausreisebefehl erteilt haben, ist die Zahl der im Kosovo lebenden Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter nicht entsprechend gestiegen. Die meisten sind aufgrund der unwürdigen Lebensbedingungen nie in den Kosovo zurückgekehrt, sondern in einen der informellen Slums in Serbien weitergezogen oder in Westeuropa in die Illegalität abgetaucht.

Bei Verwendung dieser Webseite stimmen Sie zu, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Mehr Informationen

Ok

Newsletter Anmeldung

Unser Newsletter informiert Sie über aktuelle politische Entwicklungen und das Engagement der GfbV sowie unserer Partnerorganisationen.

Vorname *
Nachname *