Asylsuchende aus Sri Lanka: Ausgangslage
Obwohl in Sri Lanka die Menschenrechtslage immer noch prekär ist, hat die Schweiz mit dem Land ein Migrationsabkommen abgeschlossen. Die Gesellschaft für bedrohte Völker beobachtet die Schweizer Asylpraxis genau.
Die Hoffnung der Bevölkerung auf Versöhnung, Frieden und Entwicklung war gross, als in Sri Lanka 2015 eine neue Regierung gewählt wurde. Doch diese Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Der Versöhnungsprozess ist gefährdet und die Menschenrechtslage weiterhin prekär. So ist Folter immer noch an der Tagesordnung und die Militarisierung bleibt gross. Die Zivilgesellschaft und Lokalbevölkerung werden von Sicherheitskräften überwacht und eingeschüchtert. Unzählige politische Gefangene befinden sich in Haft und das Militär hält grosse Gebiete des Landes besetzt.
Asylsuchende haben Angst
Die Schweiz hat 2016 ein Migrationsabkommen mit Sri Lanka vereinbart. Dieses Abkommen hat die GfbV angesichts der kaum verbesserten Menschenrechtslage stark kritisiert. Denn Rückkehrende werden von sri-lankischen Behörden unter Generalverdacht gestellt, Sympathisierende oder ehemalige Kämpfende der Rebellenorganisation «Liberation of Tamil Eelam» (LTTE) zu sein. Tamilinnen und Tamilen in der Schweiz fürchten bei der Einreise in Sri Lanka Willkür, Einschüchterungen oder gar Verhaftung und Folter. Aus diesem Grund fordern wir, dass die Schweiz keine Menschen unter Zwang nach Sri Lanka ausschafft. Es besteht die Gefahr, dass sich Fälle wie 2013 wiederholen könnten, als zwei nach Sri Lanka ausgeschaffte Tamilen gefoltert wurden.
In der Schweiz leben rund 50 000 Personen sri-lankischer Herkunft. Die meisten davon gehören der tamilischen Minderheit an. Die Schweiz verfügt somit über eine im Verhältnis zur Einwohnerzahl der grössten tamilischen Diaspora weltweit.
Aktuelle Situation
Die Menschenrechtslage verschlechtert sich wieder, trotz einer kurzzeitigen Verbesserung im Jahr 2015. Umgekehrt hat die Schweiz ihre Praxis im Umgang mit Asylsuchenden aus Sri Lanka verschärft. Die GfbV beobachtet beide Tendenzen genau.
2018
Januar: Aussergerichtliche Einigung zwischen der Schweiz und zuständigem Rechtsvertreter zur Zahlung einer Entschädigung an einen Tamilen, welcher 2013 nach seiner Ausschaffung aus der Schweiz verhaftet und gefoltert wurde.
März: Ausschaffung von elf Personen in Spezialflug. Zu diesem Zeitpunkt herrschte in Sri Lanka Ausnahmezustand wegen gewalttätigen Übergriffen auf Musliminnen und Muslime.
2017
Januar: Die GfbV hat Kenntnis von Personen, die nach ihrer Rückschaffung nach Sri Lanka stark gefährdet sind und sich im Land verstecken.
Januar: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hält fest, dass die Schweiz 2013 das Folterverbot verletzte, indem sie einen tamilische Familienvater zurückschaffte, der direkt nach Ankunft verhaftet und gefoltert wurde.
April: Die Regierung verabschiedet das neue Antiterrorismusgesetz „Counter Terrorism Act“. Dieses gefährdet Meinungsfreiheit und Menschenrechtsarbeit, falls es in Kraft tritt.
Mai: Mit Besorgnis stellt die GfbV fest, dass die ethnischen Spannungen in Sri Lanka zunehmen und den Versöhnungsprozess gefährden.
2016
Juli: Die Schweiz passt ihre Asylpraxis für Sri Lanka an und schafft vermehrt wieder Personen nach Sri Lanka aus.
Oktober: Die Schweiz unterzeichnet ein Migrationsabkommen mit Sri Lanka. Die GfbV kritisiert das Abkommen, da sich die Menschenrechtslage kaum verbessert habe.
November: Die GfbV warnt, dass sich die Menschenrechtslage in Sri Lanka wieder verschlechtert.
2015
April: Die GfbV veröffentlicht einen Bericht zu 100 Tagen Regierungswechsel und die Rechte von Minderheiten in Sri Lanka.
2014
Januar: In Sri Lanka gewinnt Präsident Sirisena die Wahlen. Die Bevölkerung hofft auf Sicherheit, Frieden und Versöhnung.
Mai: Ein unabhängiger Untersuchungsbericht zeigt, dass bei einer Reihe von Asylverfahren sri-lankischer Staatsbürger die Risiken durch das Bundesamt für Migration (BFM) falsch eingeschätzt wurden.
2013
September: Die GfbV macht mit einem Bericht publik, dass mehrere Asylsuchende, welche zurückgeschickt worden waren, bei ihrer Ankunft verschleppt und gefoltert wurden. Das Bundesamt für Migration (BFM) reagiert, indem die Wegweisungen hunderter Flüchtlinge nach Sri Lanka sistiert und alle negativen Asylbescheide nochmals überprüft werden.
2012
Menschenrechtsorganisationen warnen und dokumentieren Fälle von abgewiesenen Asylsuchenden, die bei ihrer Rückkehr gefoltert wurden.
2011
März: Erstmals nach dem Krieg führt die Schweiz wieder Wegweisungen nach Sri Lanka durch.
2009
Mai: Mit einer äusserst brutalen Offensive des sri-lankischen Militärs mit bis zu 70’000 zivilen Opfern innert wenigen Monaten wird der Bürgerkrieg in Sri Lanka beendet.
Forderungen der GfbV
Die GfbV fordert, dass die Schweiz niemanden unter Zwang nach Sri Lanka zurückschickt und dass die Schweiz ihre Asylpraxis so anpasst, dass keine Personen gefährdet werden. Es darf sich nicht wiederholen, dass zurückgeschaffte Asylsuchende in Sri Lanka gefoltert werden.
Das sind die Forderungen der GfbV an die Schweiz:
- Die Schweiz darf keine Menschen unter Zwang nach Sri Lanka durchführen und muss alle Asylgesuche genau prüfen. Die Schweiz muss restlos ausschliessen können, dass die Betroffenen bei ihrer Rückkehr gefährdet sind, verhaftet, misshandelt oder gefoltert werden.
- Die Asyl- und Wegweisungspraxis muss so angepasst werden, dass sie der Menschenrechtssituation Rechnung trägt.
- Falls das neue Terrorismusgesetz („Counter Terrorism Act“) in Kraft tritt, muss die Schweiz das Migrationsabkommen mit Sri Lanka sistieren, das die beiden Länder im Oktober 2016 unterzeichnet haben.
Kontakt
Kontaktperson bei der GfbV
Yves Bowie, Kampagnenleiter Sri Lanka
Tel. +41 (0)31 939 00 09