Lesley Muñoz Rivera ist Angehörige der Colla-Gemeinschaft in Chile und Mitglied des Indigenen Steuerungsausschusses der SIRGE-Koalition, die sich für Indigene Rechte in der Energiewende einsetzt. Im Interview erklärt sie, warum der geplante Lithiumabbau am Maricunga-Salzsee das Überleben ihrer Gemeinschaft in der Atacama-Wüste bedroht.
Was sind die Gefahren, die durch die Lithiumgewinnung aus dem Maricunga-Salzsee für deine Gemeinschaft entstehen?
Einerseits soll das Lithium aus dem Salar de Maricunga durch Wasserverdampfung gewonnen werden. Dabei wird das Wasser aus dem See in flache Pools geleitet und dort durch Sonneneinstrahlung verdampft, wodurch das Lithium freigesetzt wird. Diese Art der Gewinnung zeichnet sich durch einen extrem hohen Wasserverbrauch aus. Andererseits soll auch eine neue Methode zum Einsatz kommen, eine «direkte Extraktion» des Lithiums. Dabei wird dem Wasser ein Lösungsstoff beigefügt, welche die Lithiumpartikel direkt aus dem Wasser heraustrennt. Danach würde das Wasser zurück ins Ökosystem geleitet werden. Darum wird diese Abbaumethode als besonders umweltfreundlich gepriesen. Da es sich aber um eine neue Technologie handelt, gibt es kaum wissenschaftliche Studien dazu, welche Schäden dabei für Mensch und Umwelt entstehen können. Das Wasser besitzt nach der Behandlung nicht mehr die gleichen Eigenschaften und einige Wissenschaftler sprechen sogar von «totem Wasser», welches ins Ökosystem zurückgeleitet würde.
Wie steht deine Gemeinschaft zu diesen Plänen?
Der Salar de Maricunga ist ein wichtiger Teil unserer Grundwasserversorgung. Wasser ist ein rares Gut in der Wüste und durch die Lithiummine würde die Situation noch prekärer. Zudem wissen wir nicht, wie sich das «tote Wasser» auf unsere Gesundheit und die Umwelt auswirken wird. Wir sind gegen den
Lithiumabbau am Salar de Maricunga. Wir wollen weiterhin hier leben können und eine Zukunft für unsere Gemeinschaft und unser Land haben.
Wurde deine Gemeinschaft vor der Entscheidung zur Umsetzung des Projektes konsultiert?
Bei der Planung des Lithiumprojektes wurde ein Einzugsgebiet um den Salzsee festgelegt, unsere Dörfer liegen jedoch ausserhalb dieses Bereichs. Daher wurde entschieden, dass wir nicht direkt von dem Projekt betroffen sind, obwohl der See uns mit Wasser versorgt und wir dadurch mit ihm verbunden sind. Die Konsultationen haben mit anderen Gemeinschaften stattgefunden.
Wie seid ihr dagegen vorgegangen?
Wir haben beim Gericht Rekurs eingereicht, um unser Mitspracherecht einzufordern, das Urteil ist jedoch noch hängig. Ebenfalls haben wir bei der zuständigen Behörde für Umweltverträglichkeitsprüfung, welche Projekte zum Rohstoffabbau erst absegnen muss, Beschwerde eingereicht. Seither gab es einige Treffen zwischen uns, dem Konzern und den Behörden, leider kam es dabei aber noch zu keinen nennenswerten Fortschritten für unsere Situation.
Wie unterstützt SIRGE deine Gemeinschaft?
Wir arbeiten eng mit den Partnerorganisationen zusammen. Cultural Survival unterstützt uns beispielsweise dabei, ein Dorfmuseum zu bauen. Damit wollen wir einen Raum schaffen, der unsere Geschichte erzählt und unser Wissen und unsere Traditionen bewahrt. Earthworks hilft uns bei wissenschaftlichen Recherchen über die Auswirkungen, die der Lithiumabbau am Salzsee auf die Grundwasserversorgung unserer Gemeinschaft
hat. Ich denke, SIRGE hat das Potential, viele andere Indigene Gemeinschaften auf diese Weise zu unterstützen, damit wir den Bedrohungen des Rohstoffabbaus gemeinsam entgegentreten und sie bekämpfen können.
Lesley Muñoz Rivera ist Angehörige der Colla-Gemeinschaft in Copiapó, Chile und studierte Recht an der Universität Atacama. Seit ist 2020 sie Mitglied im Führungsrat ihrer Gemeinschaft und ist Teil des Indigenen Steuerungskommitees der SIRGE-Koalition. Als Indigene Aktivistin kämpft sie gegen die Gefahren des Abbaus von Rohstoffen wie Gold, Kupfer und Lithium für die Indigenen Gemeinschaften der Atacama-Wüste.
Interview: Livia Lehmann, Praktikantin Kommunikation / Foto: SIRGE Coalition