Menschen & Geschichten

«Die Zivilgesellschaft muss den Druck erhöhen»

Rahel Ruch

Grossrätin Bern & Co-Präsidentin des Grünen Bündnis Bern

Rahel Ruch Rahel Ruch

Interview: Dominique Schärer und Reta Barfuss, Kommunikation / Foto: joelschweizer.ch

Mehr als zehn Jahre leitete Rahel Ruch die Koalition Konzernverantwortung und deren Vorgängerorganisation. Ende Januar trat sie nun zurück. Zu diesem Anlass sprach sie mit uns darüber, was seit der Abstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative geschehen ist und was es braucht, damit die Schweiz endlich handelt.

Während zehn Jahren hast du dich für Konzernverantwortung engagiert – gemeinsam mit unzähligen Organisationen wie auch der GfbV. Warum setzt du dich für diese Thematik ein?

Bei der Konzernverantwortung geht es um einen globalen Blick auf lokale Verantwortung. Das finde ich nach wie vor sehr wichtig: Mit konkreten politischen Projekten zu versuchen, nicht nur die Schweiz zu verändern, sondern auch einen Beitrag für eine gerechtere und solidarischere Welt zu leisten. Mit den zahlreichen internationalen Konzernen und dem bedeutenden Finanzplatz richtet die Schweiz im Moment grossen Schaden an, weil wir in vielen Bereichen eine total lasche Gesetzgebung haben. Das zu ändern ist unser grösster Hebel fürs Klima und Menschenrechte.


Die Konzernverantwortungsinitiative hat Druck gemacht,
diesen Hebel zu nutzen. Was waren aus deiner Sicht die grössten Erfolge?

Das Volksmehr ist ein riesiger Erfolg. Man ist über das «linke» Drittel hinausgekommen und hat die zusätzlichen zwanzig Prozent erreicht. Dann finde ich auch die jahrelange Zusammenarbeit der unterschiedlichen NGOs ziemlich erfolgreich. Es war herausfordernd, aber wir konnten eine gemeinsame Botschaft erarbeiten, eine klare Sprache und Position entwickeln und sind dennoch mehrheitsfähig geblieben. Auch das Freiwilligenengagement
hat gut funktioniert und wir konnten viele Leute mitnehmen, die sich zuvor nie politisch engagiert haben.


Wie erklärst du, dass die Konzernverantwortung gesellschaftlich
ein Anliegen ist, politisch aber dennoch einen schweren Stand hat?

Mehrere Faktoren haben mit reingespielt, dass wir verloren haben. Einerseits denke ich, dass uns das unsichere politische Klima durch Corona geschadet hat. Und dann natürlich die beispiellose Gegenkampagne, die sehr präsent und durch Falschbehauptungen geprägt war. Uns standen die Wirtschaftsverbände und die extrem aktive Bundesrätin Keller-Sutter gegenüber, die alles in die Waagschale geworfen haben, um die Initiative zu
verhindern.


Es gibt nun ja die parlamentarische Initiative von Corina
Gredig. Diese fordert, den 2022 in Kraft getretenen Gegenvorschlag um das Element der Zwangsarbeit zu erweitern. Wie schätzt du dies ein?

Diese Initiative möchte die Sorgfaltspflicht vor dem Hintergrund der Zwangsarbeit in Ostturkestan [chin. Xinjiang] ausweiten. Das allein ist keine Verbesserung, denn der Gegenvorschlag ist ein Flickwerk. Statt um alle Menschenrechte und die Umwelt geht es nur um einzelne Bereiche und es gibt keinen Durchsetzungsmechanismus. Auch Unternehmen haben Mühe damit, weil er wegen vielen Ausnahmen schwierig umzusetzen
und international nicht abgestimmt ist. Jetzt, wo die EU vorwärts macht und schon im Herbst ihre neue Richtlinie verabschieden könnte, muss das Parlament die parlamentarische Initiative nutzen, um auch für die Schweiz ein wirksames Konzernverantwortungsgesetz zu bauen. Die EU sieht eine Sorgfaltsprüfungspflicht, Klimavorschriften, zivilrechtliche Haftung sowie eine Aufsichtsbehörde mit Bussenkompetenz vor.


Der Bundesrat wartet jedoch lieber ab, als diese Entwicklungen
in der EU aufzugreifen. Was muss passieren, damit die Schweiz handelt?

Man hat gesehen, dass vom Bundesrat nicht so viel zu erwarten ist. Jetzt ist das Parlament an der Reihe, etwas aus der Petition zu machen, die wir im Dezember mit rund 220 000 Unterschriften eingereicht haben. Doch auch die Zivilgesellschaft wird den Druck weiter erhöhen müssen, das wird gerade im Wahljahr wichtig sein. Und die Petition hat gezeigt, dass die Konzernverantwortung den Leuten immer noch ein Anliegen ist und dass man bereit ist, diesen Druck aufzubauen.

Weitere Geschichten zum Thema

Bei Verwendung dieser Webseite stimmen Sie zu, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Mehr Informationen

Ok

Newsletter Anmeldung

Unser Newsletter informiert Sie über aktuelle politische Entwicklungen und das Engagement der GfbV sowie unserer Partnerorganisationen.

Vorname *
Nachname *