Menschen & Geschichten

«Viele junge Leute haben Angst, sich zu engagieren»

Jigme Adotsang

Informatiker, Schweiz

Jigme Adotsang, Co-Präsident Verein Tibeter Jugend in Europa (VTJE) Jigme Adotsang, Co-Präsident Verein Tibeter Jugend in Europa (VTJE)

Als Co-Präsident des Vereins Tibeter Jugend in Europa (VTJE) setzt sich Jigme Adotsang für die Rechte von Tibeterinnen und Tibetern in der Schweiz ein. In einem von der GfbV organisierten Workshop hat er gelernt, wie er sich im Internet vor chinesischer Überwachung schützen kann.

Seit die Schweiz das Freihandelsabkommen mit China unterzeichnet hat, sind die Rechte der hier lebenden Tibeterinnen und Tibeter in den Hintergrund gerückt. In einer gemeinsamen Kampagne machen Schweizer Tibet-Organisationen und die Gesellschaft für bedrohte Völker darauf aufmerksam, dass trotz dieser Handelsinteressen Grundrechte wie Meinungsäusserungsfreiheit, Bewegungsfreiheit und Einhaltung der Privatsphäre eingehalten werden müssen. Ein wichtiges Thema ist dabei der Schutz vor Überwachung – auch im Internet.

„Vor unserer Generalversammlung oder vor Aktionen erhalten wir regelmässig seltsame Mails“, sagt Jigme Adotsang. „Darin werden wir aufgefordert, auf einen Link zu klicken und unsere Daten einzugeben“, führt der Co-Präsident des Vereins Tibeter Jugend in Europa (VTJE) aus. Neben solchen Phising-Mails haben tibetische Aktivistinnen und Aktivisten auch schon Mails von vermeintlichen Bekannten erhalten, die sich dann als gefälscht erwiesen. Solche Vorfälle hätten massiv zugenommen: „Wir können zwar nicht beweisen, dass es sich um chinesische Überwachung handelt – aber hier stimmt eindeutig etwas nicht“, betont der 26-jährige Informatiker.

Dass etwas nicht stimmt, zeigt sich auch während öffentlichen Veranstaltungen und Demonstrationen der tibetischen Gemeinschaft: „Immer wieder bemerken wir am Rande solcher Events Unbekannte asiatischer Herkunft mit grossen Kameras“, erzählt Jigme Adotsang. „Weil sie sich keine Mühe geben, versteckt zu fotografieren, sieht es nach Einschüchterungstaktik aus.“ Diese bleibe nicht ohne Folgen: „Gerade unter den jungen Tibeterinnen und Tibetern hat die Angst zugenommen.“ Adotsang hört immer wieder, dass sich Leute aus Sorge um ihre Angehörigen in Tibet auch hier in der Schweiz nicht engagieren wollen. „Das ist schlimm.“

Tibeter zweiter und dritter Generation

Jigme Adotsang versteht die Ängste, sieht sich selbst aber in einer privilegierten Situation. „Für mich ist es einfacher, denn der Grossteil meiner Familie lebt in der Schweiz.“ Adotsangs Grossmutter kam in den 1970er Jahren in die Schweiz, sein Vater wurde hier geboren. Die Mutter wuchs im Kinderdorf Pestalozzi auf. Jigme Adotsang selbst begann sich mit 18 Jahren bei der Tibeter Jugend zu engagieren. Er findet es wichtig, dass sich auch Tibeter der zweiten oder sogar dritten Generation für die Rechte der tibetischen Gemeinschaft einsetzen: „Wir durften hier in der Schweiz aufwachsen und eine gute Bildung geniessen. Wir sollten diesen Vorteil nutzen und öffentlich machen, dass wir von China beobachtet werden – viele Leute haben keine Ahnung.“ So habe die gemeinsame Kampagne mit der GfbV das Thema in die Öffentlichkeit gebracht und Verständnis geweckt. Von der offiziellen Schweiz fordert Jigme Adotsang, dass die Überwachung nicht einfach zur Kenntnis genommen wird: „Die offizielle Schweiz muss unsere Sicherheitsbedenken ernst nehmen und uns helfen, indem sie gegenüber China klare Zeichen setzt.“

Tibeter machen sich fit gegen Überwachung

Im Rahmen der Kampagne „Rechte der Tibeterinnen und Tibeter schützen – auch in der Schweiz!“ bot die GfbV im Oktober einen Workshop an. Eine IT-Spezialistin, Mitglied der Cryptoparty-Bewegung, erklärte im ersten Teil, wie im Internet systematisch Daten gesammelt werden, was das revidierte Bundesgesetz betreffend Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) alles erlaubt und welche Kompetenzen der Geheimdienst mit dem Nachrichtendienstgesetz hat. Im zweiten Teil lernten die Teilnehmenden konkret, wie sie Mailverkehr und Geräte verschlüsseln können, wie man ohne Spuren zu hinterlassen surft, und welche Alternativen es zu Facebook und Google gibt.

„Der Kurs hat aufgezeigt, wie man sich im Internet mit einfachen Massnahmen besser schützen kann“, sagt Jigme Adotsang. „Dies ist enorm wichtig für unsere Mitglieder und freiwilligen Aktivisten, damit sie sich sicherer fühlen.“ Seine Aufgabe ist es jetzt, die Mitglieder seiner Organisation zu schulen und das Wissen weiterzugeben.

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