Menschen & Geschichten

«China begeht Verbrechen gegen die Menschlichkeit»

Dolkun Isa

Präsident des Uigurischen Weltkongresses

In den 90ern musste Dolkun Isa seine Heimat Ostturkestan (chine­sisch Xinjiang) in China verlassen und lebt seitdem in Deutschland im Exil. Im Interview spricht der Präsident des Uigurischen Weltkongres­ses über die aktuelle Situation.

Dolkun Isa, was wissen wir über die Situation der Uiguren in Ostturkestan?

Die Situation ist sehr kritisch. Seit der aktuelle Präsident Chinas Xi Jinping an die Macht gekommen ist, ist die Unterdrückung schlimmer geworden. Die Politik der Assimilation ist zu einer Politik der Auslöschung geworden. Aus diesem Grund wurden Ende 2016 Lager zur Vernichtung der uigurischen Identität eingeführt. Inzwischen kontrolliert die chinesische Regierung den gesamten Alltag der Uiguren in Xinjiang: Sie entscheidet, was du isst, was du sprichst – ein normales Leben ist nicht mehr möglich. Während den letzten drei Jahren haben wir versucht, die Weltöffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen. Doch das war schwierig angesichts des erschwerten Zugangs zu Informationen. Seit 2017 haben wir keinen Zugang mehr zur Region. Die «China Cables» bestätigen, was wir bereits wussten. Dank diesen Beweisen hat die Welt keine Ausreden mehr, zu schweigen.

Was braucht es von der internationalen Gemeinschaft, damit sich die Lage der Uiguren in Ostturkestan verbessert?

Heute sind die Uiguren Thema in der internationalen Gemeinschaft, das ist gut. Das Problem ist aber, dass nur geredet wird. Es ist Zeit, zu handeln. Viele westliche Firmen und Regierungen machen noch immer Geschäfte mit China. Dafür ist nicht der richtige Zeitpunkt! Diese Geschäfte unterstützen die Unterdrückung der uigurischen und tibetischen Bevölkerung. Auch die Zivilgesellschaft kann mehr tun: In China hat sie überhaupt keine Macht, in demokratischen Gesellschaften jedoch viele Möglichkeiten. Wenn die Menschen Druck ausüben auf Firmen und Regierungen, müssen diese handeln.

Dolkun Isa im November 2019 vor dem Bundeshaus in Bern.

Nicht nur in China, auch hier fürchten die tibetischen und uigurischen Exilgemeinschaften Überwachung durch China. Was können Sie uns dazu sagen?

Der lange Arm der chinesischen Regierung ist überall. So will China die Exilgemeinschaften dazu bewegen, für die Regierung zu spionieren. Mir sind Fälle auf der ganzen Welt bekannt, auch in der Schweiz: Ein Vertreter der chinesischen Regierung ruft an und sagt, dass wir keinen Aktivismus betreiben sollen. Dass wir an unsere Familien vor Ort denken sollten. Manchmal bieten sie Geld an. Vor 2017 war es noch möglich, nach Ostturkestan zu reisen. Einige Exil-Uiguren wurden dort am Flughafen abgefangen, befragt und zur Spionage aufgefordert. Wer dieses Angebot ablehnte, wurde deportiert und bedroht. Manche haben eingewilligt und bei der Rückkehr nach Europa alle Verbindungen abgebrochen. Andere haben das vielleicht nicht getan, wir wissen es nicht.

Denken Sie, China wird seine Überwachungstechnolo-gien in andere Länder exportieren können?

Diese Technologien werden in Ostturkestan getestet, danach werden sie in andere chinesische Regionen exportiert, dann in andere Länder. Auch nach Europa, zum Beispiel Serbien. Meinen Informationen zufolge haben insgesamt 18 Länder diese Möglichkeite bereits übernommen. Dank diesen Technologien werden Menschenrechtsverletzungen begangen. Sie sind nicht nur eine Bedrohung für die Uigurinnen und Uiguren, sondern auch für die Menschen in der Schweiz und eure nationale Sicherheit! Die Situation ist wirklich sehr ernst. Wir, die bereits Opfer dieser Überwachung sind, warnen euch davor, denn wir wollen nicht, dass die gesamte Weltgemeinschaft dem auch zum Opfer fällt.

Welche weiteren Folgen hat die Menschenrechtslage in Ostturkestan für die Weltgemeinschaft?

Die chinesische Regierung begeht Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Absichten der Kommunistischen Partei Chinas sind sehr ernst. Es ist nicht nur eine uigurische Angelegenheit, sondern es betrifft alle – wir sind alle in der Pflicht zu handeln! Die chinesische Regierung nutzt die Road-and-Belt-Initiative, um eine territoriale Expansion voranzutreiben. Diese Initiative ist der wahre Grund, wieso die Menschen in Ostturkestan leiden, aufgrund der wichtigen Lage der Region. Wir wollen die Welt warnen: Die Road-and-Belt-Initiative bringt keine Vorteile, sie ist lediglich ein Instrument für Chinas Machtausdehnung.

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