Fallbeispiel

Schweizer Freihandel mit Mercosur

Beim Schutz von Natur und Indigenen Gemeinschaften im Amazonas stehen auch Schweizer Abnehmer brasilianischer Güter und Rohstoffe in der Pflicht. Diese müssen im geplanten Freihandelsabkommen zur Verantwortung gezogen werden, fordert die GfbV.

Pressekonferenz indigener Delegierter aus Brasilien in Bern: Elizeu Guarani Kaiowá, Sonia Guajajara und Kretã Kaingang Pressekonferenz indigener Delegierter aus Brasilien in Bern: Elizeu Guarani Kaiowá, Sonia Guajajara und Kretã Kaingang

Die Verhandlungen zwischen der EFTA (Schweiz, Lichtenstein, Norwegen, Island) und Mercosur (Brasilien, Uruguay, Paraguay, Argentinien) um das gemeinsame Freihandelsabkommen sind zäh. Während die Verhandlungen längere Zeit in der Öffentlichkeit in den Hintergrund gerückt waren, gibt es aus dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) nun optimistisch Einschätzungen, dass die Verhandlungen noch vor Ende 2024 zum Abschluss kommen und das Abkommen anschliessend dem Parlament vorgelegt werden kann. Die GfbV verfolgt die Entwicklungen kritisch und vertritt klar die Position, dass ein Freihandel mit Mercosur nicht auf Kosten von Umweltschutz und den Rechten Indigener Gemeinschaften gehen darf.

Corona, Uneinigkeiten bei Umwelt- und anderen Fragen und juristische Abklärungen: Immer wieder wurden in den letzten Jahren Gründe vorgebracht, um das zähe Voranschreiten der Verhandlungen zum EFTA-Mercosur-Freihandelsabkommen zu erklären. Tatsache ist, dass die Verhandlungen im Kern bereits 2019 abgeschlossen wurden. Knapp fünf Jahre später laufen sie aber immer noch. Und im Gegensatz zur EU hat die EFTA ihren Abkommens-Text auch nicht veröffentlicht.

Zum genauen Inhalt des Abkommens und zu voraussichtlichen Auswirkungen auf Menschen und Umwelt lassen sich somit zurzeit nur begrenzt Aussagen machen. Fest steht: Während die Ausbeutung der Natur und der Indigenen Gemeinschaften auch unter der Regierung Lula voranschreitet, stehen die europäischen Länder als Abnehmer brasilianischer Produkte ebenso in der Pflicht: Auch die Schweiz importierte in den letzten Jahren zum Beispiel Futtermittel, Rindfleisch, Gold oder Palmöl aus Brasilien, auch aus der Amazonasregion.

Aus Sicht der GfbV wird das Kapitel zum Thema Nachhaltigkeit entscheidend sein, wie das gesamte Freihandelsabkommen aus menschenrechtlicher Sicht zu beurteilen ist. Wird dieses nicht der Schiedsgerichtbarkeit unterstellt, wie alle anderen Kapitel des Abkommens, so bleibt es zahnlos und ohne Wirkung. Freiwillige Empfehlungen reichen nicht aus, um Indigenenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen, wie sie in Brasilien immer noch an der Tagesordnung sind, zu verhindern. Verbindliche Kontroll- und Sanktionsmechanismen in diesen Bereichen sind also das absolute Minimum (siehe Forderungen).

Auch die Partner der GfbV zweifeln, dass das Abkommen ihre Situation zum Besseren wenden wird. Bereits 2019 reiste die brasilianische Indigene Dachorganisation APIB in die Schweiz, um ihre Bedenken im Hinblick auf ein Freihandelsabkommen zwischen der EFTA und Mercosur zu teilen. Ex-Präsident Bolsonaro, eines ihrer Hauptargumente gegen das Abkommen, ist heute nicht mehr im Amt. Doch die Probleme von damals bestehen mehrheitlich weiter und das Risiko ist hoch, dass ein Freihandelsabkommen Probleme wie Enteignungen, Verschmutzung und Vertreibung der Indigenen Bevölkerung intensiviert, statt sie zu lösen. APIB kritisiert zudem die fehlende Transparenz und Möglichkeit zur Mitbestimmung

Gemeinsam mit ihren Partnern wird die GfbV im Falle einer Annahme des Abkommens durch das Parlament entscheiden, wie wir uns dazu positionieren und ob das Abkommen im Sinne unserer Partner in Brasilien ist. Klar ist: Aus einer Indigenen-Perspektive ist das Handelsabkommen nur legitim, wenn es zum Schutz der Umwelt und der Stärkung der Indigenen Gemeinschaften beiträgt.

Rote Linien: Minimalbedingungen für ein Freihandelsabkommen mit Mercosur

Die schweizerische Mercosur-Koalition, zu der auch die GfbV gehört, hat in Absprache mit den Partnern aus den Mercosur-Ländern Minimalbedingungen aufgestellt. Nur wenn folgende diese erfüllt sind, ist eine Unterstützung des Abkommens für die GfbV denkbar:

  • Das Abkommen muss ein verbindliches Nachhaltigkeitskapitel beinhalten, mit Verweis auf die konkrete Umsetzung
    • des Pariser Klimaschutzabkommens und der UN Biodiversitätskonvention
    • der Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG)
    • relevanter internationaler Menschenrechtsabkommen, insbesondere der UN-Deklaration über die Rechte der Bauern und der UN-Deklaration über die Rechte Indigener Gemeinschaften (UNDRIP)
    • der internationalen Arbeitsnormen (insb. ILO-Konventionen)
  • Das Nachhaltigkeitskapitel muss folgende Bedingungen erfüllen:
    • ambitionierte und messbare Ziele
    • effektive Kontrollmechanismen
    • verbindliche Sanktionsmechanismen

Indigene Delegation kam 2019 in die Schweiz

Im Herbst 2019 reiste eine Delegation von Indigenen Leaderinnen und Leadern durch Europa, um die europäischen Länder auf ihre Verantwortung beim Handel mit Brasilien aufmerksam zu machen. Die GfbV begleitete die Delegation in der Schweiz. Sie unterstützt ihren Aufruf an die Schweiz, Massnahmen zu ergreifen und sich für faire und nachhaltige Wirtschaftsbeziehungen einzusetzen.

Positionspapier zum Freihandel (2019)

Video: Kundgebung zum Handel mit Brasilien

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