Die Atacama-Wüste in Chile ist die Heimat zahlreicher Indigener Gemeinschaften. Doch Klimakrise und die Bergbauindustrie verringern die ohnehin schon knappen Wasserreserven der Region. Besonders durch den wasserintensiven Lithiumabbau drohen zahlreiche Dörfer ihre Lebensgrundlage zu verlieren und das fragile Ökosystem der Wüste zerstört zu werden. Am Salar de Maricunga wehren sich Indigene Gemeinschaften gegen den Bau einer neuen Lithiummine.
Die Atacama-Wüste ist Teil des so genannten Lithiumdreiecks. Auf diesem Hochplateau, auf dem Argentinien, Bolivien und Chile aufeinandertreffen, liegen Schätzungen zufolge rund drei Viertel des weltweiten Lithiumvorkommens. Seit Jahrhunderten leben in dieser unwirtlichen Region Indigene Gemeinschaften, welche gelernt haben, sich den harschen Lebensbedingungen anzupassen. Doch die Klimakrise ist auch hier, am trockensten Ort der Erde, spürbar: Dürren werden häufiger und ausgedehnter, die sowieso schon knappen Wasserbestände immer weniger.
Das Schwinden der Wasserressourcen wird durch den Lithiumabbau an den Salzseen der Region dramatisch beschleunigt: Das Mineral ist wichtiger Bestandteil der Batterien von Elektroautos, welche als Hoffnungsträger im Kampf gegen die Klimakrise gelten. Mit der stark steigenden Nachfrage nach Lithium für die E-Autoindustrie hat ein Wetteifern von Staaten und Konzernen begonnen, möglichst schnell neue Lithiumquellen zu erschliessen. Schätzungen zufolge verfügt Chile weltweit über die grössten Lithiumreserven . Der chilenische Staat sieht in dem Mineral ein willkommener Geldsegen, weshalb Staatspräsident Gabriel Boric 2023 eine nationale Lithiumstrategie ankündigte.
Doch Indigene Gemeinschaften, die in der Atacama-Wüste leben, bleiben wegen dem Boom um das «weisse Gold» buchstäblich auf dem Trockenen sitzen. Schon seit Jahrzehnten belasten Bergbauprojekte wie Kupfer-, Gold- oder Eisenerzminen die spärlichen Wasservorkommnisse der Wüste – nun droht der Lithiumabbau sie gänzlich zu erschöpfen. Betroffene Gemeinschaften, wie die Lickanantay in der Region um den Salar de Atacama, weisen schon lange darauf hin, dass ihre Wasserversorgung von den hoch in den Anden gelegenen Salzseen abhängig ist, doch wissenschaftlich ist das Grundwassersystem der Wüste kaum erforscht. Dass insbesondere der Abbau von Lithium extrem wasserintensiv ist, bestätigt hingegen ein 2020 veröffentlichter UNO-Bericht, wonach am Salar de Atacama rund 65 Prozent des gesamten Wasserverbrauchs auf Kosten der Lithiumminen gehen. Das wirkt sich auch auf die Flora und Fauna aus: Seit Inbetriebnahme der ersten Lithiumminen am Salar de Atacama ist die Flamingo-Population in der Region um 10 Prozent geschrumpft. Zu diesem Schluss kam eine 2022 im Royal Society Magazine veröffentlichte Studie. Dennoch hält der staatliche Bergbaukonzern Codelco an seinen Plänen fest, den Lithiumabbau in der Atacama-Wüste weiter voran zu treiben: Etwa 300 Kilometer südlich des Salar de Atacama liegt der Salar de Maricunga. In dessen nördlichen Teil soll mit dem «Proyecto Blanco» bald die erste Lithiummine dieses Salzsees gebaut werden.
Kampf für eine Zukunft in der Wüste
Für die Indigenen Gemeinschaften, welche unterhalb des Salar de Maricunga im Paipote-Talbecken leben, steht alles auf dem Spiel: Trotz der schwierigen Bedingungen bewirtschaften sie das karge Land seit Generationen erfolgreich. Sie bauen Gemüse und Früchte an, halten Nutztiere und bewahren in ihrer Lebensweise und Kultur jahrhundertealtes Wissen über die Wüste und ihre Eigenheiten. Doch nun drohen die Flussbetten auszutrocknen und für die Menschen wird es immer schwieriger, ihre Felder zu bewässern. Zwar wurde vor der Bewilligung der neuen Mine am Salar de Maricunga ein Einzugsgebiet festgelegt und die darin lebenden Gemeinschaften konsultiert. Doch viele von der Wasserknappheit betroffenen Dörfer liegen ausserhalb dieses Gebiets. So auch das Dorf von Lesley Muñoz Rivera, Angehörige der Indigenen Colla-Gemeinschaft von Copiapó. Das Dorf im Paipote-Tal wird von den Flüssen aus den umliegenden Bergen mit Wasser versorgt. Versiegt in ihrem Tal das Wasser, muss Lesleys Gemeinschaft ihr Leben in der Wüste aufgeben. «Wir sind gegen die geplante Lithiummine, denn der Salar de Maricunga ist wichtiger Bestandteil unserer Wasserversorgung. Wir wollen hier weiterhin leben können und eine Zukunft für unsere Gemeinschaft und unser Land haben» bekräftigt Lesley. Sie ist Mitglied des Steuerungsausschusses von SIRGE, einer Koalition für Indigene Rechte in der grünen Wirtschaft, der auch die GfbV angehört.

Ungewisse Konsequenzen
Die gängigste Form der Lithiumgewinnung ist durch Verdunstung: Das Wasser der Salzseen wird in flache Becken geleitet, wo es durch Sonneneinstrahlung verdunstet. Zurück bleibt kristallisiertes Lithiumsalz. Auf diese Weise wird Lithium bereits seit Jahren aus dem Salar de Atacama gewonnen. Zwar argumentieren die Betreiber:innen der Minen, dass sie die staatlich vorgeschriebene Obergrenze des Wasserverbrauchs nicht überschreiten. Diese Obergrenze basiert aber auf veralteten Studien, welche den realen Bedingungen in der Wüste nicht entsprechen.
Im Frühjahr 2024 kaufte der staatliche Bergbaukonzern Codelco die australische Firma Lithium Power International. Diese ist Eigentümerin des «Projecto Blanco», der geplanten Lithiummine am Salar de Maricunga. Während das Mineral zunächst über die bereits bekannte Methode der Wasserverdunstung gewonnen werden soll, wollen die Betreiber der Mine in naher Zukunft auch eine neue Methode einsetzen, die sogenannte «direkte Extraktion». Dabei wird dem Wasser des Salzsees ein Lösungsstoff beigefügt, welcher die Lithiumpartikel vom Wasser trennt. Die Partikel werden herausgefiltert und das Wasser anschliessend wieder zurück in den Salar geleitet. Da der Wasserverlust auf diese Weise geringer ist, wird die «direkte Extraktion» als besonders umweltfreundlich gepriesen. Expert:innen geben aber zu bedenken, dass es keine Langzeitstudien darüber gibt, wie sich diese Methode und die veränderte chemische Zusammensetzung des Wassers auf das Leben im und um den Salar de Maricunga auswirken wird. «Eine einmalig durchgeführte Studie reicht nicht, um die längerfristige Auswirkung auf dieses fragile Ökosystem zu erkennen», hält die Geologin Maccarena Naveas fest. Trotz der Bedenken von Fachleuten und der Indigenen Gemeinschaft wurde der Bau der Mine durch die örtliche Umweltbehörde bereits bewilligt und die Explorationen am Salar de Maricunga sind in vollem Gange.
Indigene Gemeinschaften im Widerstand
Lesley Muñoz Riveras Gemeinschaft legte zusammen mit weiteren Betroffenen beim Umweltgericht Rekurs gegen die Bewilligung der Mine ein, nachdem sie bei der örtlichen Behörde für Umweltverträglichkeitsprüfungen Beschwerde eingereicht hatten. Doch der Prozess ist schleppend und das Urteil nach wie vor hängig. «Im Rahmen der nationalen Lithiumstrategie leiten wir derzeit auch ein Konsultationsverfahren mit dem Bergbauministerium ein», erklärt Lesley. «In Chile dienen diese Konsultationen aber nicht dazu, die Einwilligung einer Gemeinschaft für ein geplantes Projekt auf ihrem Land einzuholen, sondern drehen sich um Schadensbegrenzungsmassnahmen und Entschädigungen.»
Die Gemeinschaften bestehen auf ihr Recht auf Selbstbestimmung und dass Indigenes Wissen über die Wüste berücksichtigt werden muss, um irreversible Schäden am Ökosystem zu vermeiden. Dabei werden sie von SIRGE-Organisationen auf verschiedenen Ebenen unterstützt: Gemeinsam mit Earthworks führten sie eine hydrogeologische Studie durch: Deren Ergebnisse stärken die These, dass der Lithiumabbau am Salar de Maricunga Auswirkungen auf die Wasserzufuhr sowie die Flora und Fauna im Tal der Colla-Gemeinschaft haben wird. Denn während bei der Bewilligung der Mine davon ausgegangen wurde, dass es keine direkte Verbindung zwischen dem Salzsee und dem Grundwassersystem in der Region gibt, deuten die Erkenntnisse der Studie auf das Gegenteil hin. Weiter lässt die Studie vermuten, dass eine am Salar de Maricunga gelegene Lagune ein wichtiger Zubringer zur Grundwasserversorgung in der Region ist. Cultural Survival, ein weiteres SIRGE-Mitglied, unterstützt die Gemeinschaft beim Bau eines Museums und der Durchführung eines Heilkräuterprojektes, um das traditionelle Wissen der Colla zu erhalten und die Auswirkungen der Wasserknappheit auf die Pflanzen zu studieren. Nicht zuletzt dokumentiert First Peoples Worldwide die Konsultationsprozesse mit dem Bergbauministerium, die derzeit im Gange sind.
Elena Rivera, die Mutter von Lesley Muñoz Rivera, ist die Präsidentin der Colla-Gemeinschaft von Copiapó.
Kolonialismus im Namen der Nachhaltigkeit
Auch im argentinischen und bolivianischen Teil des Lithiumdreiecks berichten Quechua und Aymara Gemeinschaften von zunehmender Wasserknappheit aufgrund der Klimakrise und der Bergbauindustrie. Während der menschengemachte Klimawandel für die Indigenen Gemeinschaften in dieser Andenregion bereits heute schmerzhaft spürbar ist, wird ihre Situation durch den Lithiumabbau für die «umweltfreundliche» E-Autoindustrie nur noch verschlimmert. Bei vielen Projekten verstossen Staaten und Konzerne dabei gegen das Indigene Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung (englisch: free, prior and informed consent, FPIC). «Der Lithiumabbau bedroht unser Lebenssystem. Unsere Regierungen haben sich zur UN-Erklärung zu den Rechten Indigener Gemeinschaften und dem Recht auf Selbstbestimmung verpflichtet. Trotzdem wurden wir bis heute nicht über den Lithiumabbau an den Salzseen konsultiert.», kritisiert Carlos Mamani. Er ist Mitglied des SIRGE-Steuerungskomitees und Angerhöriger der Aymara, die im bolivianischen Teil des Lithiumdreiecks leben.
Am Lithium-Abbau in der Atacama-Wüste offenbart sich ein koloniales Muster, bei dem grösstenteils durch den globalen Norden verursachte Probleme auf dem Rücken Indigener Gemeinschaften ausgetragen werden. Im Namen der Nachhaltigkeit werden Indigene Gemeinschaften erneut ihrer Rechte, ihres Landes und langfristig ihrer Kultur und Identität beraubt. Gleichzeitig werden vermeintlich nachhaltige Projekte vorangetrieben, deren Folgen für die Umwelt nicht hinreichend erforscht sind. Anstelle dieses «Grünen Kolonialismus» ist es dringend angezeigt, Indigene Rechte einzuhalten und Indigenes Wissen über Land und Natur als Lösung hin zu einem nachhaltigen Umgang mit unserem Planeten und seinen Ressourcen zu verstehen.