18. April 2023

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Repression, Armut, Enteignung: Bericht über Indigene in Russland eingereicht

Indigene Gemeinschaften wie die Nenzen auf der russischen Jamal-Halbinsel sind vom Klimawandel bedroht. So brach wegen den hohen Temperaturen die gefährliche Milzbrand-Krankheit aus. Foto: Greenpeace/Tatiana Vasilieva

Die Situation von indigenen Gemeinschaften in Russland verschärft sich. Das zeigt ein neuer Bericht, den die GfbV und Partnerorganisationen beim Uno-Menschenrechtsrat eingereicht hat. Dieser überprüft die Menschenrechtslage in verschiedenen Ländern regelmässig im Rahmen der «Universal Periodic Review of the Human Rights Council». Eine Zusammenfassung des Berichts in Form von Frage und Antwort.

Wie viele indigene Menschen leben in Russland?

In Russland leben eigentlich Millionen von Menschen unterschiedlicher indigener Herkunft. Doch nur ein Teil wird offiziell anerkannt. Um in Russland als «indigen» anerkannt zu werden, muss eine entsprechende Gruppe in den Gebieten leben, in denen ihre Vorfahren siedelten. Auch muss sie traditionelle Lebensweisen, Wirtschaftstätigkeiten und Handwerkskünste bewahren und darf maximal 50’000 Menschen umfassen. 46 Völker mit rund 316’000 Menschen in ganz Russland erfüllen diese Kriterien. Doch viele Indigene fallen durch dieses willkürliche Raster. Darunter Burjaten, Altaier und Jakuten, die alle anderen Merkmale indigener Völker aufweisen, aber rechtlich nicht anerkannt werden, weil sie mehr als 50'000 Personen umfassen.

Indigene Gemeinschaften in Russland gehören zu den am stärksten verarmten Bevölkerungsgruppen. Ihre soziale und wirtschaftliche Entwicklung sowie ihre Lebenserwartung liegen weit unter dem Landesdurchschnitt. Indigenen Völkern wird auch das Recht auf ihre eigene Sprache und auf Bildung verweigert, sowie ist ihr Zugang zur Gesundheitsversorgung erschwert.

Welche Rolle spielen Wirtschaftsprojekte?

In den letzten Jahrzehnten wurden viele traditionelle indigene Fischerei-, Jagd- und Weidegebiete im Rahmen von Ausschreibungen und Versteigerungen von privaten Unternehmen übernommen. Die betroffenen Gemeinschaften wurden dabei nicht konsultiert. Da den indigenen Gemeinschaften die finanziellen Mittel und die juristischen Kenntnisse fehlen, um an diesen Prozessen teilzunehmen, kommt ein beträchtlicher Teil des Landes zunehmend in die Hände privater Investoren und Unternehmen. Somit werden weite Teile indigener Territorien industriell erschlossen und natürliche Ressourcen ausgebeutet. Dabei kommt es zu beträchtlichen Umweltschäden und immer wieder zu Vertreibungen. Das hat für die Indigenen existenzielle Konsequenzen. Es drohen Hunger und Krankheiten. Für indigene Gemeinschaften ist ihr Land zudem von grundlegender Bedeutung für die Identität und das kulturelle Überleben.

Wie können sich indigene Gemeinschaften wehren?

Indigene, die sich gegen die Machenschaften von Staat und Unternehmen wehren, sind an Leib und Leben bedroht. Die russische Regierung setzt zudem Einschüchterungstaktiken wie die Androhung von Strafverfolgung ein, um Aktivist:innen für die Einforderung ihrer Rechte abzuschrecken. Am 1. Dezember 2022 wurde ein neues Gesetz verabschiedet, das mit dem bestehenden Gesetz über «ausländische Agenten» verbunden ist. Mit dieser neuen Massnahme wird jede Person oder Gruppe, die als «unter ausländischem Einfluss» stehend gilt, als Bedrohung eingestuft. Die Definition ist so abstrakt, dass jede Person mit Kontakt zu einer ausländischen Organisation kriminalisiert werden kann. Viele Vertreter:innen indigener Gemeinschaften, die an öffentlichen Foren teilnehmen, die sich kritisch über Russland äussern, werden mit Verleumdungskampagnen oder Druck seitens der Polizei, des FSB (Föderaler Sicherheitsdienst) oder ihrer Arbeitgeber konfrontiert und laufen Gefahr, als «ausländische Agenten» eingestuft zu werden.

Welche Rolle spielen Umweltzerstörung und Klimawandel?

Die Rohstoffindustrie verletzt ständig die Rechte indigener Gemeinschaften. Ein aktuelles Beispiel ist der Nickelabbau und die damit einhergehenden umfangreichen Umweltschäden in den Gebieten der indigenen Sámi, Nenzen, Dolganen und Evenki-Gemeinschaften in der Arktis. Die negativen Auswirkungen betreffen Fisch- und Rentierbestände, allgemeine subsistenzwirtschaftliche Aktivitäten sowie die körperliche Gesundheit indigener Vertreter:innen. Die Bemühungen Russlands zur Bekämpfung des Klimawandels sind minimal. Ein akutes Problem sind die Auswirkungen des Klimawandels auf indigene Bevölkerungsgruppen, deren Territorien und Ressourcen. Immer häufiger kommen Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Dürren, Waldbrände und Überflutung von Siedlungen vor, unter denen Indigene besonders leiden.

Hier geht es zum ausführlichen Bericht: https://www.culturalsurvival.org/reports

Bild: Indigene Gemeinschaften wie die Nenzen auf der russischen Jamal-Halbinsel sind vom Klimawandel bedroht. So brach wegen den hohen Temperaturen die gefährliche Milzbrand-Krankheit aus.
Foto: Greenpeace/Tatiana Vasilieva

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