17. August 2018
Medienmitteilung
Freiburger Kantonsgericht lehnt Rassismus-Klage gegen Freiburger Berufsverbände und Tageszeitungen ab
Letzen Sommer publizierten drei Freiburger Berufsverbände, die Vereinigung Holzbau Schweiz und der Verband Schweizer Schreinermeister und Möbelfabrikanten ein gemeinsames Inserat in zwei Freiburger Tageszeitungen. Darin wurde die Bevölkerung davor gewarnt, „Fahrenden“ Gipser- oder Malerarbeiten, Plattenlegen sowie Schreiner- und Zimmerarbeiten anzuvertrauen. Gegen die Verbände und gegen die beiden Tageszeitungen wurde eine Privatklage wegen Verletzung der Rassismusstrafnorm eingereicht. Zwar kritisierte die Staatsanwaltschaft das Vorgehen der Verbände, sie trat jedoch nicht auf die Klage ein. Ein Rekurs gegen diesen Entscheid wurde nun auch vom Freiburger Kantonsgericht abgelehnt. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) kritisiert die Ablehnung der Klage und prüft weitere Schritte.
«Es ist für uns schwer nachvollziehbar, dass die Staatsanwaltschaft den Inhalt der besagten Annoncen, zwar kritisiert, sie jedoch nicht als Verstoss gegen die Rassismusstrafnorm verurteilt», sagt Angela Mattli, Kampagnenleiterin Minderheiten und Diskriminierung bei der GfbV, welche die Klage unterstützt hatte. «Denn die Inserate stellten die Arbeitsqualität und Arbeitsethik von fahrenden Jenischen, Sinti und Roma pauschal in Frage», so Mattli.
Die Schweiz hat die „Fahrenden“ 1998 als nationale Minderheit anerkannt und letztes Jahr präzisiert, dass damit die Minderheiten der Jenischen und Sinti gemeint sind. Mit der Ratifizierung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten verpflichtet sich die Schweiz, die fahrende Lebensweise zu schützen. Dies beinhaltet insbesondere den Schutz vor Diskriminierung. Fahrende Jenische, Sinti und Roma sind in ihrer Erwerbstätigkeit vom Vertrauen der Bevölkerung abhängig. Sie haben oft einen festen Kundenstamm und leben davon, dass ihre Arbeit von «Mund zu Mund» weiterempfohlen wird. Diese Annoncen haben wirtschaftliche Konsequenzen: «Mir sind Fälle bekannt, wo Angehörige der drei Minderheiten im Raum Freiburg und Bern aufgrund dieser Annoncen keine Arbeit erhielten, obwohl sie schon seit Jahrzehnten in der Region tätig sind und über einen guten Ruf verfügen. Das darf nicht sein», kritisiert Angela Mattli.
Die Hürden, damit Direktbetroffene bei einer Klage wegen Verstoss gegen die Rassismusstrafnorm Recht erhalten, sind in der Schweiz sehr hoch. Oft liegt die Beweislast dabei bei den Betroffenen. Dies zeigt das Urteil des Freiburger Kantonsgericht exemplarisch: Anstatt über den Inhalt und die möglichen Konsequenzen für fahrende Jenische, Sinti und Roma zu urteilen, standen formaljuristische Argumente zur Rekursfähigkeit der klagenden direktbetroffenen Person in Vordergrund. Besorgt über den zunehmenden Antiziganismus in der Schweiz wird die Gesellschaft für bedrohte Völker diesen Fall mit Expertinnen und Experten genauer analysieren und prüft weitere Schritte.