13. August 2019

Medienmitteilung

Beschwerde gegen Neuenburger Gesetz beim UNO-Ausschuss für die Beseitigung von Rassendiskriminierung eingereicht

Zwei Neuenburger Bürger jenischer Herkunft, der jenische Verein schäft qwant und die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) haben heute eine Beschwerde gegen das Neuenburger Gesetz zum Aufenthalt von Fahrenden («Lex Fahrende») beim UNO-Ausschuss für die Beseitigung von Rassendiskriminierung eingereicht. Sie wehren sich damit gegen den negativen Entscheid des Bundesgerichtes vom Februar 2019.

Das im Februar 2018 vom Neuenburger Grossrat verabschiedete Gesetz soll vordergründig den Aufenthalt von fahrenden Gemeinschaften im Kanton Neuenburg regulieren. Aus Sicht der GfbV und schäft qwant zementiert es jedoch Vorurteile gegen Jenische, Sinti und Roma und birgt die Absicht, diese aus dem Kanton Neuenburg fernzuhalten. Deshalb haben die beiden Organisationen zusammen mit zwei betroffenen Neuenburger Jenischen im April 2018 beim Bundesgericht rekurriert. Das Bundesgericht kam in seinem Entscheid vom 13. Februar 2019 jedoch zu einem anderen Schluss und lehnte die Beschwerde in allen Punkten ab. «Aus unserer Sicht trägt das Bundesgericht mit diesem Entscheid der Schutzbedürftigkeit dieser Minderheiten nicht genügend Rechnung. Dies ist aus menschenrechtlicher Perspektive nicht nachvollziehbar», sagt Angela Mattli, Kampagnenleiterin bei der Gesellschaft für bedrohte Völker.

Aus diesem Grund wurde heute eine Beschwerde beim UNO-Ausschuss für die Beseitigung von Rassendiskriminierung (CERD) eingereicht. Gemäss den beschwerdeführenden Organisationen verletzt das Neuenburger Gesetz gleich mehrere Artikel der UNO-Rassismus-Konvention, welche die Schweiz 1994 ratifiziert hat.

Neuenburger Gesetz verletzt Grundrechte der fahrenden Minderheiten

Das Neuenburger Gesetz verlangt, dass Abmachungen zwischen fahrenden Minderheiten und Landbesitzenden schriftlich erfolgen und von den Behörden vor Ort überprüft werden müssen. Ein Formfehler kann laut Gesetz zu einer sofortigen Räumung des Halteplatzes führen, selbst wenn die Landbesitzenden dem Halt zugestimmt haben. Diese bürokratische Hürde könnte fahrende Minderheiten davor abschrecken, auf privaten Grundstücken Halt zu machen. Der sogenannte «spontane Halt» stellt jedoch ein wesentliches Merkmal der fahrenden Lebensweise dar, für deren Schutz und Förderung sich die Schweiz national und international verpflichtet hat. Aus Sicht der beschwerdeführenden Organisationen verletzt das Gesetz somit die Bewegungsfreiheit sowie das Recht auf Wohnen.

Zusätzlich wird fahrenden Minderheiten das Recht abgesprochen, bei drohender Wegweisung einen aufschiebenden Rekurs einzureichen. Dadurch verletzt das Neuenburger Gesetz das Recht auf Gleichbehandlung vor dem Gesetz. Auch fördert das Gesetz «Racial Profiling», da es vorsieht, dass Angehörige der Jenischen, Sinti und Roma aufgrund ihrer Lebensweise von den Behörden vermehrt kontrolliert werden dürfen.

Fehlendes Mitspracherecht der Jenischen, Sinti und Roma

Bei der Entstehung des Gesetzes wurden die Organisationen der Jenischen, Sinti und Roma weder konsultiert noch einbezogen. Dies ist ein weiterer Verstoss gegen die Rassismus-Konvention: «Es darf nicht sein, dass repressive Gesetze zur Regulierung der fahrenden Lebensweise entstehen, ohne dass die Organisationen der Jenischen, Sinti und Roma direkt konsultiert und aktiv einbezogen werden», sagt Venanz Nobel, Vize-Präsident des jenischen Vereins schäft qwant. Das Recht auf Partizipation und Mitbestimmung bei politischen Geschäften, welche Minderheiten direkt betreffen, ist ein wesentlicher Bestandteil des Minderheitenschutzes. «Dies muss vom Kanton Neuenburg und vom Bundesgericht endlich respektiert werden und in der Gesetzgebung Anwendung finden», betont Nobel. «Da das Bundesgericht unsere Beschwerde vom April 2018 abgewiesen hat, ist nun internationaler Druck nötig.»

Die Schweiz hat sich zur Beseitigung von Rassendiskriminierung verpflichtet

Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung wurde am 21. Dezember 1965 von der UNO-Generalversammlung verabschiedet und verpflichtet die Vertragsstaaten, sich für die Beseitigung von jeder Form von Rassendiskriminierung einzusetzen. Die Schweiz ist dem Übereinkommen am 29. November 1994 beigetreten. Überwacht wird die Einhaltung dieses Übereinkommens vom UNO-Ausschuss für die Beseitigung von Rassendiskriminierung (CERD). Dieser ermöglicht ausserdem sogenannte Staatenbeschwerdeverfahren sowie Individualbeschwerdeverfahren. Letzteres hat die Schweiz am 19. Juni 2003 anerkannt.

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