26. Januar 2017

Medienmitteilung

Folter nach Ausschaffung eines Tamilen: Schweiz verletzt Europäische Menschenrechtskonvention

Die Schweiz hat 2013 eine tamilische Familie nach Sri Lanka zurückgeschafft. Der Vater wurde gleich nach der Ankunft verhaftet und danach in Haft misshandelt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat heute ein Urteil (Urteilsnummer 16744/14) zu diesem Fall veröffentlicht. Dieses hält fest, dass die Schweiz mit der Ausschaffung das Folterverbot verletzt und das Asylgesuch der Familie unzureichend geprüft hat. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) begrüsst den Entscheid und fordert weiterhin eine genaue Prüfung von Asylgesuchen aus Sri Lanka.

Die Schweiz hat im Sommer 2013 eine tamilische Familie nach Sri Lanka zurückgeschafft. Der Vater, welcher in den 90er Jahren für die „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ (LTTE) gekämpft hatte, wurde direkt nach seiner Ankunft verhaftet und in Haft misshandelt. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) gestand später ein, dass die Familie niemals hätte zurückgeschickt werden dürfen. Mutter und Kinder konnten daraufhin im Oktober 2013 wieder in die Schweiz einreisen. Der Vater blieb bis April 2015 in Sri Lanka in einem Rehabilitationszentrum inhaftiert. Danach durfte auch er zurück in die Schweiz kommen und seine Familie wieder in die Arme schliessen. Dieser und ein weiterer ähnlich gelagerter Fall führten 2013 zu einer Sistierung von Wegweisungen nach Sri Lanka.

Schweiz muss Genugtuung zahlen

Der zurückgeschaffte Tamile hat während seiner Inhaftierung in Sri Lanka eine Klage am EGMR gegen die Schweiz eingereicht. Das Urteil dazu wurde heute veröffentlicht. Darin hält der EGMR fest, dass die Schweiz das in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgehaltene Folterverbot gemäss Artikel 3 verletzt hat. Dem Risiko, dass der betroffenen Person in Sri Lanka Misshandlungen drohten, sei nicht genügend Rechnung getragen worden. Die Schweiz muss der betroffenen Person nun eine Genugtuung von 30‘000 Euro bezahlen. „Wir begrüssen dieses Urteil und sehen uns in unserem Engagement gegen Zwangsrückschaffungen nach Sri Lanka bestätigt“, sagt Yves Bowie, Kampagnenleiter Sri Lanka bei der GfbV.

Folter in Sri Lanka weiterhin an der Tagesordnung

Trotz Regierungswechsel im Januar 2015 hat sich die Menschenrechtssituation in Sri Lanka kaum verbessert. Folter ist in Sri Lanka immer noch an der Tagesordnung, wie Berichte der Vereinten Nationen, der staatlichen Menschenrechtskommission und diverser Nichtregierungsorganisationen bestätigen. „Die Gefahr besteht weiterhin, dass sich die Fälle von 2013 wiederholen“, sagt Yves Bowie. Mit der geänderten Asylpraxis und dem im Oktober letzten Jahres unterzeichneten Migrationsabkommen möchte die Schweiz vermehrt Personen nach Sri Lanka zurückschaffen. Die GfbV hat Kenntnis von mehreren Personen, welche nach ihrer Rückschaffung nach Sri Lanka stark gefährdet sind und sich derzeit verstecken. Sie fordert daher, dass die Asylgesuche genau geprüft werden und auf Rückschaffungen unter Zwang verzichtet wird.

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