10. Mai 2015
Medienmitteilung
Fall Holcim in Sri Lanka zeigt: Menschenrechtliche Sorgfaltspflicht für Schweizer Unternehmen dringend nötig
Recherchen der Gesellschaft für bedrohte Völker zeigen, dass Holcim in den letzten Jahren eng mit der sri-lankischen Armee zusammenarbeitete. Neben Sponsoring von Zement für Militärpropaganda unterstützte der Konzern einen Ausbildungslehrgang für ehemalige Tamil Tigers und ihre Angehörigen in menschenrechtlich hochproblematischen «Rehabilitationscamps». Anlässlich des geplanten SECO-Besuchs in Sri Lanka fordert die GfbV das SECO daher dringend auf, von den Schweizer Firmen die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht konsequent einzufordern.
Recherchen der Gesellschaft für bedrohte Völker Schweiz (GfbV) zeigen, dass der weltweit tätige Schweizer Konzern Holcim in Sri Lanka Zement für Propagandatafeln und Gebäude eines Kriegsmuseums des sri-lankischen Militärs sponserte. Gleichzeitig beteiligte sich Holcim zwischen 2011-2014 an einem Ausbildungsprogramm für ehemalige LTTE-Mitglieder in menschenrechtlich problematischen «Rehabilitationcamps» im Norden und Osten des Landes. In einem Schreiben an die GfbV gibt Holcim an, nichts von der Verwendung des Zements für die Errichtung von Kriegsdenkmälern gewusst zu haben, bestätigt aber die direkte Zusammenarbeit mit der sri-lankischen Armee, die nach ihren Angaben «die Hauptakteurin beim Wiederaufbau des Landes war».
Problematische Umerziehungslager
Die sri-lankische Regierung errichtete nach Ende des Krieges sogenannte «Rehabilitationszentren», um ehemalige Tamil Tigers und ihre Angehörigen zu «wertvollen Mitgliedern» der sri-lankischen Gesellschaft zu machen. Diese Zentren betreibt die sri-lankische Armee. Bereits 2010 richtete die Internationale Juristenkommission einen Appell an internationale Geldgeber, die Zusammenarbeit mit den Betreibern dieser Camps aus menschenrechtlichen Gründen zu unterlassen. Bis 2013 hatte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz keinen Zugang. Heute sind noch drei dieser Lager in Betrieb. Das Staatsekretariat für Migration (SEM), internationale Menschenrechtsorganisationen sowie ehemalige Insassen berichten von schweren Menschenrechtsverletzungen, sexuellen Übergriffen und Folter. Die GfbV fordert Holcim daher dringend auf, die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht konsequent anzuwenden, um nicht zur Komplizin von Menschenrechtsverletzungen zu werden. Holcim soll Sri Lanka in seinem Aufarbeitungs- und Versöhnungsprozess unterstützen und die einseitige politische Parteinahme für die Armee umgehend unterlassen.
SECO-Besuch soll Menschenrechte einfordern
Am 18. Mai finden in Colombo Gespräche zwischen dem SECO und der neuen sri-lankischen Regierung statt. Ziel ist es, die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Sri Lanka zu intensivieren. Die GfbV begrüsst diesen Schritt, fordert das SECO jedoch dringend auf, von den Schweizer Firmen die menschenrechtliche Sorgfaltspflicht konsequent einzufordern. Weiter sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zwischen der Schweiz und Sri Lanka so zu gestalten, dass der Schutz vor menschenrechtlichen Übergriffen und die Einhaltung der Minderheitenrechte garantiert bleibt.
Hintergrund
Das sri-lankische Militär trägt grosse Verantwortung für mutmassliche Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen, die während des 30-jährigen Bürgerkriegs begangen wurden. In der Schlussphase des Krieges 2009 fielen gemäss UNO-Schätzungen zwischen 40 000 und 70 000 Menschen dem Bürgerkrieg zum Opfer. Die Schweiz, die USA und die EU fordern gegenüber der sri-lankischen Regierung schon seit Jahren eine internationale Untersuchung zur Aufklärung der Kriegsverbrechen aller Kriegsparteien. Die UNO berichtete 2011 von Exekutionen, Folterungen und Vergewaltigungen, welche nach dem Ende des Bürgerkriegs von sri-lankischen Militärangehörigen begangen wurden. Die Aufklärung solcher Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen sind zurzeit auch Gegenstand einer UNO-Untersuchung.
Im Januar 2015 kam es in Sri Lanka zu einem überraschenden Machtwechsel. Trotz weitreichenden, demokratischen Reformen, hat es die neue Regierung bisher versäumt, den Kernforderungen der sri-lankischen Minderheiten nachzukommen.