25. September 2022

Medienmitteilung

Abholzung in Brasilien: UBS finanziert umstrittene Agrarunternehmen

Die UBS hat über ihre brasilianische Investmentbank UBS BB die beiden Agrarkonzerne BrasilAgro und Marfrig mit Geld globaler Investoren versorgt. Beide Unternehmen sind in gravierende Fälle von unerlaubter Abholzung, Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzung verwickelt. Besonders brisant: Nur kurze Zeit vor dem Geschäft mit BrasilAgro hat die UBS in ihren Richtlinien zu Nachhaltigkeits- und Klimarisiken die Kriterien für Sojaproduzenten abgeschwächt – weil die bestehenden Richtlinien das Geschäft sonst wohl verhindert hätten. Dies zeigt die heute durch die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) veröffentlichten Recherche.
Aus Sicht der GfbV macht der Fall deutlich: Freiwillige Massnahmen reichen nicht, um den Finanzsektor zu sozial- und ökologisch verantwortungsvollem Handeln zu bewegen. Es braucht ein verbindliches Konzernverantwortungsgesetz.

Gemäss eigenen Angaben will die UBS zu den grössten Investmentbanken Südamerikas gehören. 2020 hat sie mit der brasilianischen Banco do Brasil die Investmentbank UBS BB gegründet, welche den brasilianischen Agrarsektor mit Geld globaler Investoren versorgt. Ein halbes Jahr nach ihrer Gründung verhalf die UBS den zwei stark umstrittenen Agrarkonzernen Marfrig Global Foods S.A. und BrasilAgro Geld zu beschaffen, indem sie die Ausgabe von sogenannten „Agribusiness Receivables Certificates“ (CRA) mitorganisierte.

In einer umfangreichen Analyse von Satellitenbildern und brasilianischen Datenbanken untersuchte das «Center for Climate Crime Analysis» (CCCA) für die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) Zulieferer von Marfrig und Farmen von BrasilAgro. Die Analyse zeigt für den Zeitraum zwischen 2009 und 2020 unbewilligte Abholzung von insgesamt 1521 km2 Wald auf Flächen von BrasilAgro und den Zulieferern von Marfrig auf. Das entspricht einer Fläche etwa 16mal so gross wie der Zürichsee. Die GfbV hat BrasilAgro am 5.9.22 per Mail mit diesen Vorwürfen konfrontiert, jedoch bis zum Moment der Veröffentlichung keine Antwort erhalten.

Im Fall von Marfrig liefert die GfbV konkrete Hinweise, dass sich zumindest im Zeitraum 2018 bis 2020 Zulieferer auf indigenen Territorien befanden. Per E-Mail teilte Marfrig der GfbV am 10.9.22 mit, dass die entsprechenden Farmen heute nicht mehr Teil ihrer Lieferkette seien. Indigene Vertreter:innen betonen gegenüber der GfbV unabhängig von dieser Recherche die Bedrohungslage durch den brasilianischen Agrarsektor.

Darüber hinaus zeigt die Recherche bedeutende Schwachstellen in den UBS-Richtlinien zu Nachhaltigkeits- und Klimarisiken: Brisant ist, dass die UBS nur kurze Zeit vor dem Geschäft mit BrasilAgro in ihren Richtlinien die Kriterien für Sojaproduzenten abgeschwächt hat. Aus Sicht der GfbV hätten die bestehenden Richtlinien den Deal mit BrasilAgro nicht zugelassen. Die UBS entgegnete: «Wir sind nicht einverstanden mit Ihrer Einschätzung, dass sich der Soja-Standard von UBS verschlechtert hat.»

Zudem nennt die UBS zwar selber die Viehwirtschaft als einen treibenden Faktor der Entwaldung – die Richtlinien weisen aber keine Kriterien in diesem Bereich vor. Das ist alarmierend, zumal die UBS gemäss eigenen Angaben im brasilianischen Agrarbusiness expandieren will, wo Viehwirtschaft äusserst präsent ist.  Die UBS meint in einem Mail vom 18.8.22 an die GfbV dazu: „Der Grund für unsere zusätzlichen Standards für Palmöl, Soja und Holz liegt in der Verfügbarkeit eines soliden Zertifizierungsverfahrens für diese Rohstoffe, das die Leistung eines Unternehmens durch Dritte bestätigt. Ein ähnliches Zertifizierungsverfahren gibt es unseres Wissens nach derzeit nicht für Nutztiere“ (Übersetzung aus dem Englischen durch die GfbV). Konkrete Fragen der GfbV zu den Geschäften mit Marfrig und BrasilAgro konnte die UBS mit Verweis auf das Geschäftsgeheimnis nicht beantworten.

Der Fall zeigt, dass freiwillige Massnahmen nicht reichen, um den Finanzsektor zu sozial- und ökologisch verantwortungsvollem Handeln zu bewegen. Es braucht ein verbindliches Konzernverantwortungsgesetz, wie es zurzeit auf EU-Ebene eingeführt wird. Auch der Finanzsektor müsste demnach verbindlich sicherstellen, dass Geschäfte nicht zu Menschenrechtverletzungen und Umweltzerstörung führen und bei Verstössen mit hohen Bussen rechnen.

Doch auch die Finanzinstitute müssen Verantwortung wahrnehmen. Von der UBS fordert die GfbV daher:

  • Eine Stellungnahme, wie die UBS die Sorgfaltsprüfung betreffend Marfrig und BrasilAgro umgesetzt hat
  • Lücken in den Richtlinien bezüglich Risikosektoren Soja und Viehwirtschaft zu schliessen
  • Innerhalb der UBS-Richtlinien neu eine Richtlinie gegen Entwaldung zu verankern als Bedingung für Kunden, welche in diesem Risikobereich“ tätig sind
  • sich für eine stringente Regulierung der „Agribusiness Receivables Certificates“ (CRAs) in Brasilien einzusetzen
  • keine Finanzdienstleistungen für Kunden zu erbringen, die von der Verletzung der Rechte indigener Gemeinschaften und/oder der Abholzung von Wäldern profitieren.

Hintergrundinformationen:

Allein im ersten Halbjahr 2022 wurde eine rekordhohe Fläche Amazonas-Regenwald abgeholzt, die ziemlich genau der gesamten Waldfläche der Schweizer Alpen entspricht. Die Haupttreiberin der Zerstörung ist die Agrarindustrie: 90 Prozent der im Amazonas abgeholzten Fläche wird für Rinderzucht verwendet. Brasilien ist der weltgrösste Sojaproduzent und der zweitgrösste Rindfleischproduzent.

Der Rindfleisch-Gigant Marfrig ist einer der grössten Hamburgerfleisch-Produzenten weltweit und das drittgrösste Lebensmittelunternehmen Brasiliens. Kerngeschäft von BrasilAgro ist der Erwerb und die Umwandlung von – gemäss dem Unternehmen – „unproduktiven“ Ländereien wie dem Cerrado (Savanne) oder dem Regenwald in Agrarfläche. Die so gewonnenen Grundstücke werden entweder gewinnbringend verkauft oder für den Anbau von insbesondere Soja eingesetzt. BrasilAgro gehört zu den Firmen in Brasilien, die über die grösste Anbaufläche verfügen.

Die Konsequenzen der Zerstörung einzigartiger Ökosysteme tragen insbesondere indigene und traditionell lebende Gemeinschaften: Einerseits dehnen sich Anbau- und Weideflächen durch Abholzung immer mehr in von indigenen Gemeinschaften bewohntes Gebiet aus. Der Pestizideinsatz vergiftet Trinkwasser, tötet Fische und zerstört Pflanzungen der indigenen Gemeinschaften. Schliesslich kommen immer mehr indigene Leader:innen unter Druck: Denn wer sich gegen die Industrie wehrt, wird massiv bedroht, vertrieben oder sogar umgebracht.

„Agribusiness Receivables Certificates“ (CRA) sind Wertpapiere, deren zugrundeliegenden Vermögenswerte aus Geschäften von landwirtschaftlichen Erzeugern in Brasilien stammen müssen. Ziel des Finanzprodukts ist es, im grossen Stil Kapital für die landwirtschaftliche Produktion zu beschaffen. Für die Investitionsbank UBS BB sind CRAs ein wichtiges Finanzprodukt für Geschäfte mit der brasilianischen Agrarwirtschaft.

Konkret organisierte die UBS BB am 3. Mai 2021 gemeinsam mit zwei anderen Banken ein CRA für BrasilAgro im Wert von 43 Millionen USD mit. Die UBS BB nahm dabei als „Lead Coordinator“ eine federführende Position ein. Am 15 Juli 2021 organisierte die UBS BB gemeinsam mit fünf weiteren Banken ein CRA für Marfrig im Wert von 230 Millionen USD mit.

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