Die Uigurin Gulbahar Jalilova und bis zu 50 andere Frauen, die in einer engen Zelle eingesperrt waren, mussten regelmässig ihre Arme durch eine kleine Öffnung in der Zellentür strecken. Daraufhin wurde ihnen eine ihnen unbekannte Substanz injiziert. Die Frauen stellten nach einer Weile fest, dass ihre Periode ausblieb. Jalilova erzählte dies 2019 gegenüber dem französischen Sender France 24, als sie über die Zeit in einem chinesischen Umerziehungslager sprach, in dem sie über ein Jahr inhaftiert war.
Mehrigul Tursun erlebte ähnliche frauenspezifische Formen der Unterdrückung in einem chinesischen Umerziehungslager: Während ihrer Inhaftierung im Jahr 2017 erhielt sie einen Medikamentencocktail. In den USA, wo sie mittlerweile lebt, erfuhr sie von Ärzt:innen, dass sie sterilisiert worden war. Auch Gulbahar Haitiwaji, die auf Einladung der GfbV 2022 in die Schweiz reiste und von ihren Erlebnissen im Lager erzählte, berichtete über solche Zwangssterilisationen.
Die uigurische Kultur ist bedroht
Mittels erzwungen Geburtenkontrollen will die chinesische Regierung die Zahl der uigurischen Bevölkerung langfristig senken. Der Staat unterzieht daher Uigurinnen auch ausserhalb der Umerziehungslager regelmässig Schwangerschaftskontrollen und zwingt Hunderttausende von ihnen zum Einsatz von Spiralen, Sterilisationen und sogar Schwangerschaftsabbrüchen.
Aus publik gewordenen Regierungsdokumenten geht hervor, dass die chinesische Regierung die Lokalbehörden angewiesen hatte, uigurische Frauen und Frauen anderer Minderheiten, die gegen die Geburtenkontrolle verstiessen, mit der Internierung in einem Umerziehungslager zu bestrafen. Mittlerweile ist dies auch der am häufigsten genannte Grund für die Internierung uigurischer Frauen.
Dies hat Folgen: Analysen deuten darauf hin, dass das Bevölkerungswachstum in Ostturkestan in den letzten Jahren dramatisch zurückgegangen ist: Die Wachstumsraten in den beiden grössten uigurischen Präfekturen sank zwischen 2015 und 2018 um 84 Prozent. Frauen sind am stärksten von der Politik der schleichenden Auslöschung der uigurischen Bevölkerung betroffen – die Politik zielt direkt auf ihre Körper ab.
Auch die UNO äussert Bedenken
Die frauenspezifische Unterdrückung der Uigur:innen wurde dieses Jahr auch im Rahmen der UNO thematisiert. Neben den unterschiedlichen Formen der Geburtenkontrolle sprach der UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau bei seiner diesjährigen Überprüfung Chinas auch über interethnische Zwangsehen uigurischer Frauen und von sexualisierter Gewalt in sogenannten Berufsbildungszentren für uigurische Frauen.
Uigurinnen werden zudem unter enormen Druck in entfernte Regionen Chinas zur Arbeit gezwungen. Im Rahmen solch staatlich verordneter Programme zur «Armutsbekämpfung» werden sie nicht nur ausgebeutet, sondern sollen auch an die Mehrheitskultur der grössten ethnischen Gruppe in China, den Han, angepasst werden. Die chinesische Regierung behauptet, dass diese Programme auf freiwilliger Teilnahme beruhen. Aber viele Quellen deuten auf das systematische Vorhandensein zahlreicher Zwangselemente hin – und machen deutlich, dass Uigurinnen und Frauen anderer Minderheiten auch weiterhin im Zentrum des harten Vorgehens von Xi Jinping in der Minderheitenpolitik zählen werden.
Text: Selina Morell
Foto: Rene Torres
Situation der Frauen in China an der Session des UN Menschenrechtsrat
Bei einem Side-Event am 28. September an der diesjährigen Session des UN Menschenrechtsrates in Genf hat die GfbV gemeinsam mit dem Weltkongress der Uiguren und der Genfer NGO International Service for Human Rights, ISHR, die Situation der Frauen in China thematisiert. Dabei legten vier Frauen Zeugnis ab: Nebst Pema Doma, einer tibetischen Aktivistin von Students for a Free Tibet, Linda Wong, einer Anwältin aus Hongkong und und Faye Chen, einer Menschenrechtsverteidigerin aus China, die aus Sicherheitsgründen unter anderem Namen und ohne Bild auftrat, nahm auch die Uigurin Zumretay Arkinvom Weltkongress der Uiguren teil.